Frank Witter beim Branchentreffen VW-CFO sieht etwas Gutes im Diesel- und Affenskandal

Beim Branchentreffen der Autoindustrie versucht VW-Finanzvorstand Witter zu erklären, wieso die Skandale seines Konzerns nicht nur schlecht waren.

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Bochum Für eine Videobotschaft hat es gerade noch gereicht. Ganz kurzfristig musste VW-Vorstandschef Matthias Müller am Donnerstag seinen Auftritt beim Car-Symposium der Universität Duisburg-Essen absagen, einem der wichtigsten Branchentreffen der Automobilindustrie. Im sei ein noch wichtigerer Termin dazwischen gekommen: „wichtige Aufsichtsratstermine“, begründete ein Konzernsprecher den Rückzug. Veranstaltet wird das Symposion vom Automobilprofessor Ferdinand Dudenhöffer. Dieser hatte noch eine weitergehende Begründung für die unerwartete Absage Müllers bekommen. Der VW-Chef sei an diesem Donnerstag zu einem Treffen nach Salzburg gereist. Müller komme dort mit seinen wichtigsten Gesellschaftern zusammen, mit Vertretern der Familien Porsche und Piëch, sagte Dudenhöffer.

Thema der Runde dort seien die Ende Januar bekannt gewordenen Abgastests an Affen, die Volkswagen zusammen mit Daimler und BMW in den USA finanziert hatte. Aber die Absage aus Wolfsburg war er nicht sonderlich begeistert. Schließlich wäre Müller der wichtigste Gast auf seiner Veranstaltung gewesen. Kein anderer Vorstandsvorsitzender eines großen Automobilherstellers hatte sich in diesem Jahr für das Bochumer Branchentreffen angemeldet.

Müller entschuldigte sich per Video vor dem Publikum dafür, dass er stattdessen Finanzvorstand Frank Witter als Vertreter zum Vortrag auf das Car-Symposium geschickt hatte. „Es gibt immer noch eine höhere Gewalt“, sagte er über seinen plötzlichen Rückzug. Bei einem der nächsten Bochumer Branchentreffen wolle er allerdings auf jeden Fall dabei sein.

Witter war klar, dass er als Müllers Vertreter in seinem Vortrag an den Tierversuchen nicht vorbeikommen würde. Ein unangenehmes Thema, das Volkswagen stark belastet. „Die Abgaskrise ist natürlich noch nicht ausgestanden“, leitete er seine Entschuldigung ein. VW sei zusammen mit den anderen Autoherstellern an den Tierversuchen „leider beteiligt gewesen“. Aber es stehe außer Zweifel, diese Teilnahme sei „beschämend“.

Im Unternehmen werde jetzt noch weiter nach den Hintergründen der Versuche geforscht. In der nächsten Aufsichtsratssitzung des Konzerns Ende Februar werden voraussichtlich die Ergebnisse der laufenden Untersuchungen präsentiert. Aus diesem Fall könne und wolle Volkswagen lernen. Ethik und Moral seien in jedem Unternehmen wichtige und unverzichtbare Themen. „Nicht alles, was legal ist, ist auch legitim“, sagte Witter, „da sind wir als Manager gefordert.“

Länger und intensiver beschäftigte sich der VW-Finanzvorstand mit Digitalisierung und neuen Antrieben – den großen Megatrends, denen sich die gesamte Automobilindustrie im Moment gegenübersieht. „Einfach wird dieser Wandel nicht“, hob Witter hervor. Machbar seien die Herausforderungen trotzdem, die Automobilindustrie müsse nur die richtigen Antworten geben. Den Veränderungen sollte seine Branche mit Respekt, aber nicht mit Angst begegnen.

Unter den deutschen Herstellern gebe es ein besonderes Problem: den Hang zum „falsch verstandenen Perfektionismus“. Die deutsche Automobilindustrie sollte sich häufiger überlegen, ob es nicht einfachere Lösungen gebe und größerer Entwicklungsaufwand vermieden werden könne. „Einfach machen“, lautete das Credo, das Witter auf dem Car-Symposium verbreitete. Auf diesem Feld sei das Silicon Valley ein gutes Vorbild: Bei den IT-Entwicklern aus den USA reichten häufig auch normale Lösungen, den Anspruch von vollster Perfektion gebe es dort nicht. 

Beim Thema Abgas könne sich die Automobilindustrie Nachlässigkeiten allerdings nicht erlauben, besonders Volkswagen nicht. Überall in der Welt würden in den kommenden Jahren die zulässigen Abgasgrenzen verschärft, allen voran beim Kohlendioxid. „Das ist weltweit eine Jahrhundert-Herausforderung“, sagte Finanzvorstand Witter.

Das Beispiel Volkswagen zeige, dass eine große Krise auf diesem speziellen Feld sogar hilfreich sein könne. In Wolfsburg habe der Skandal als „Katalysator“ gewirkt.

Volkswagen habe sich dadurch viel besser auf dieses wichtige Thema eingestellt. Die Entwicklung umweltfreundlicher Antriebe wie etwa mit Elektroautos sei dadurch sogar beschleunigt worden. Mit den neuen Antrieben und der Digitalisierung sei auf längere Sicht auch eine „Renaissance der Industrie“ möglich. Mit diesen Megatrends werde das „System Mobilität“ in den kommenden Jahren komplett neu erfunden.

Volkswagen ist aus Sicht Witters recht ordentlich durch die hausgemachte (Abgas-)Krise gekommen. Absatz, Umsatz und Ertrag hätten sich trotz der Dieselaffäre auch im vergangenen Jahr gut entwickelt. Details wollte der Wolfsburger Finanzchef noch nicht nennen. Seine Bilanz präsentiert der Konzern erst Anfang nächsten Monats.

Völlige Normalität habe das Unternehmen allerdings nicht erreicht. Wegen des Dieselskandals hätten die Verkaufszahlen besonders in Deutschland noch nicht wieder das gewohnte Niveau erreicht. „Natürlich ist noch nicht alles wieder gut“, betonte Witter. Er gab sich zuversichtlich, dass Volkswagen auch diese Probleme auf absehbare Zeit hinter sich lassen werde. Allzu viele neue Skandale wie bei den Tierversuchen wird sich Volkswagen allerdings nicht erlauben dürfen.

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