„Für Erziehungsmaßnahmen kann nicht die Industrie geradestehen“ Warum Rheinmetall der Bundesregierung mit einer Klage droht

Saudi-Arabien: Rheinmetall droht der Bundesregierung mit Klage Quelle: dpa

Rheinmetall will Schadensersatz, weil die Bundesregierung den Export von Fahrzeugen nach Saudi-Arabien nicht erlaubt. Was hinter der Drohung steckt – und was das Vorgehen über die Rüstungsbranche aussagt.

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Im Umgang mit ihren Hauptkunden vermeiden Rüstungsunternehmen normalerweise allzu großes Aufsehen. „Selbst massive Meinungsverschiedenheiten klären wir lieber hinter verschlossenen Türen, um die ohnehin meist angespannten Beziehungen zu den Streitkräften nicht unnötig zu belasten“, sagt ein führender Manager eines Waffenherstellers.

Eine Ausnahme macht nun der Düsseldorfer Rheinmetall-Konzern. Er droht der Bundesrepublik Deutschland – immerhin der wichtigste Abnehmer – mit einer viele Millionen Euro schweren Schadenersatzklage. Darüber hatte zunächst das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ berichtet. „Diese Androhung gibt es“, bestätigte ein mit der Sache vertrauter Experte der WirtschaftsWoche.

Hintergrund ist, dass der Konzern eine von Saudi-Arabien bestellte Lieferung LKW quasi auf dem Hof stehen hat. Die hat Rheinmetall mit Erlaubnis der Regierung an das arabische Land verkauft und hergestellt. Doch nun darf das Unternehmen sie nicht verschiffen, weil die Bundesregierung die Ausfuhr von Rüstungsgütern in das Land nicht erlaubt. Das Ausfuhrverbot hat die Regierung kürzlich bis Mitte März verlängert. Anlass war die Ermordung des saudischen Regime-Kritikers Jamal Khashoggi im Oktober.

Auf den ersten Blick wirkt die Reaktion des Konzerns, der unter anderem am Bau des Kampfpanzers Leopard beteiligt ist, etwas kleinkariert. Der Auftrag selbst ist mit allen Vorstufen bald zehn Jahre alt. Sind da zwei weitere Monate Wartezeit nicht eher unbedeutend?

Doch hinter dem Vorgehen steckt ein längerfristiger Plan: Das Schreiben an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) aus der vorigen Woche ist zwar noch keine Klage, aber soll spätere rechtliche Schritte erleichtern.

Was genau im Brief steht, wollen weder Ministerium noch Unternehmen erzählen. Doch laut einem mit der Sache vertrauten Experten fordert der Konzern mit dem knappen Schreiben Einsicht in die entsprechenden Akten zu dem Vorgang. Damit will er die Hintergründe des Verbots und die genaue Begründung erfahren.

„Rheinmetall ist zur Prüfung der Ansprüche verpflichtet“

Das Wissen braucht Rheinmetall für das weitere Vorgehen. „Rheinmetall ist zur Prüfung der Ansprüche verpflichtet“, sagt Barbara Mayer, Fachanwältin für Gesellschaftsrecht bei der Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen in Freiburg.

Sollte die Bundesregierung die Ausfuhr endgültig untersagen, hat der Konzern nach Paragraf 9 Kriegswaffenkontrollgesetz Anspruch auf eine Entschädigung. Nach der Verlängerung des Exportverbots ist schließlich unklar, ob und wann Rheinmetall eine Ausfuhrerlaubnis bekommt. „Die Stimmung gegen Exporte nach Saudi-Arabien ist stärker denn je“, sagt der Experte aus dem Umfeld des Unternehmens. Damit Rheinmetall jedoch bei einem endgültigen Verbot einen Anspruch hat, müsse es den früh anmelden. Es bestünde Gefahr, dass er sonst verfalle. Dann müsste Rheinmetall mit Klagen seiner Aktionäre rechnen.

Und selbst wenn sich Lieferung nur noch länger verzögert, drohen Rheinmetall Ansprüche. „Wir haben einen festen Liefervertrag mit den Saudis. Schon wenn wir den nur mit Verspätung einhalten, drohen uns Strafzahlungen“, so der Unternehmensinsider. „Gegen die müssen wir uns wappnen.“

Dazu kann Rheinmetall die Bundesregierung zu einer Entscheidung zwingen, falls das Moratorium für die Ausfuhr der LKW sich weiter verlängert. Noch ist das Ausfuhrverbot der Regierung nicht mehr als ein Wunsch. „Rheinmetall könnte theoretisch auch entscheiden, sich nicht daran zu halten und die Regierung zu einem formellen Widerruf zu zwingen – dann bestehen auch gute Chancen für eine Entschädigung“, so Juristin Mayer.

Hinter dem Fall steckt aber mehr als nur ein juristisches Ringen. Er zeigt auch, wie sehr das Verhältnis zwischen Regierung und Rheinmetall abgekühlt ist. So ärgert sich das Unternehmen - wie fast die ganze Branche - über die zunehmende Unsicherheit bei Rüstungsexporten. „Wenn Dinge über Jahre genehmigt sind und wie LKW nicht ohne weiteres für Kriegshandlungen eingesetzt werden können, darf sich an der Erlaubnis nur etwas ändern, wenn sich die Lage dramatisch verändert“, so ein führender Manager der Branche. „Das war hier nicht der Fall und da müssen wir ein Zeichen setzen, dass wir nicht alles hinnehmen“.

Das Moratorium und ein mögliches Verbot seien eine Strafe der Bundesregierung für ein politisch motiviertes Verbrechen mit der wahrscheinlichen Beteiligung eines Regierungsmitglieds, so der Manager. Es gehe offenbar nicht darum, die Saudis von einer Kriegshandlung mit den ausgeführten LKW abzuhalten. „Und für solche spontanen Erziehungsmaßnahmen der Regierung kann nicht die Industrie geradestehen“, so der Manager. Zumal die Saudis die LKW ohnehin bekämen. „Wenn wir Deutschen die nicht liefern, finden die anders als etwa beim Leopard-Panzer schneller Ersatz.“

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