Gefälschte Medikamente Apotheken im Visier der Pillen-Mafia

Bisher waren gefälschte Medikamente die Domäne dubioser Online-Anbieter, nun tauchen gestreckte und manipulierte Präparate zunehmend in der Apotheke auf. Für die Kriminellen sind die Gewinne höher als im Drogenhandel.

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Quelle: Marcel Stahn

Der Oberarm schwoll an und begann zu schmerzen. Theresa Müller, Mitte 50, wohnhaft in einer Kreisstadt im südlichen Sauerland, spritzt sich seit Jahren das Mittel Pegasys gegen Hepatitis C, eine Virusinfektion der Leber. Doch dieses Mal schlägt das Präparat des Schweizer Pharmakonzerns Roche nicht so an wie sonst. „Lokale Reaktion an der Einstichstelle mit Eibildung“, vermerkt ihr Apotheker in einem Meldebogen. Ursache unbekannt.

Einen Tag später, am 7. November 2013, bringt Müller die Spritze in die Apotheke. Der Pharmazeut stutzt. Statt einer Glasspritze, wie sie Roche normalerweise verwendet, enthält die Packung Pegasys Plastikspritzen; nicht wie üblich mit grauen, sondern mit schwarzen Schutzkappen und mit weißen statt mit roten Kolben. Zudem fehlt auf der Faltschachtel der Barcode. Der Apotheker fotografiert das ungewohnte Set, schickt die Spritze sowie das Präparat an Roche.

Wenig später kommt das Ergebnis: Die Packung Pegasys, 180 Mikrogramm/0,5 Milliliter, enthielt statt des Wirkstoffs gegen Hepatitis nur schnödes Wasser mit Kochsalz.

Horror für Patienten und Pharmaunternehmen

Theresa Müller aus Westfalen, die in Wirklichkeit anders heißt, ihren Namen aber nicht in der Presse lesen möchte, ist das Opfer krimineller Machenschaften, die für Patienten wie für Pharmaunternehmen den Horror bedeuten: gefälschte Arzneimittel, nicht aus dunklen Kanälen im anonymen unkontrollierbaren Internet, sondern aus dem Herzen des Gesundheitssystems, der Apotheke.

Originalmedikamente und Fälschungen
Pegasys Quelle: PR, Montage: WirtschaftsWoche
Viagra Quelle: Jiri Rezac für WirtschaftsWoche
Herceptin Quelle: PR, Montage: WirtschaftsWoche
Lipitor Quelle: PR, Montage: WirtschaftsWoche

Nahezu jeden Monat werden neue Fälle bekannt, in denen Verdünntes und Verfälschtes in den Verkauf kommt – unter dem Siegel des Arzneikelches mit der Schlange, das für die Apotheken hierzulande steht. Die meisten Fälschungen dürften überhaupt niemandem auffallen. Viele Patienten und Ärzte kommen gar nicht auf die Idee, dass die Verschlechterung des Gesundheitszustandes von einer gefälschten Medizin herrühren könnte, die sie am Ort ihres Vertrauens, in der Apotheke, erstanden haben.

„Dass gefälschte Medikamente vermehrt in Apotheken gelangen, ist der pharmazeutische Super-GAU“, sagt der Essener Zollermittler Jürgen R., „das ist Körperverletzung mit Todesgefahr.“

Zahlen zu gefälschten Medikamenten

Alarmierte Behörden

Deutschlands Behörden sind alarmiert. Auf „noch unter ein Prozent“ schätzt Walter Schwerdtfeger, bis Ende Juli Deutschlands oberster Arzneiprüfer beim Bonner Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), den Anteil gefälschter Präparate in deutschen Apotheken und Kliniken. Im Klartext: Nahezu jedes 100. Medikament von hier könnte manipuliert sein. Und die Liste der bisher erkannten Fälle wird immer länger:

  • Im August und September 2013 tauchten Fälschungen des Pfizer-Krebsmittels Sutent in deutschen Apotheken auf. Das Präparat enthielt keinen Wirkstoff; es war ursprünglich für den rumänischen Markt produziert und vom Importeur CC Pharma aus der Eifel auf den Markt gebracht worden. Einem Patienten war aufgefallen, dass Kapseln und Pulver eine andere Farbe hatten als sonst.
  • Im April 2014 wurde offenbar, dass Unbekannte Zehntausende Medikamente aus italienischen Kliniken gestohlen haben. Über dubiose Zwischenhändler in Osteuropa gelangten die Arzneimittel teilweise manipuliert überwiegend nach Deutschland. Insgesamt 82 verschiedene Präparate waren betroffen, darunter 2049 Packungen des Brustkrebsmittels Herceptin sowie 1670 Packungen des Darmkrebs-Präparats Avastin, beide von Roche. Auch Rheumapräparate sowie das Lungenmittel Spiriva von Boehringer Ingelheim und die Krebsarznei Erbitux von Merck gehörten dazu.
  • Im Mai 2014 lieferte in Berlin ein Patient, der sich nicht zu erkennen gab, eine Fälschung des Wachstumshormons Norditropin des dänischen Herstellers Novo Nordisk in einer Apotheke ab.
  • Im Juni 2014 warnte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte vor Fälschungen des Krebsmittels Sutent des US-Pharmakonzerns Pfizer.
  • Im Oktober 2014 schließlich schlug das Paul-Ehrlich-Institut, das in Deutschland für die Kontrolle der Impfstoffe und Biopräparate zuständig ist, wegen möglicher Manipulationen einer Charge des Darmkrebsmittels Avastin „rumänischen Ursprungs“ Alarm. Hersteller von Avastin ist Roche. Die Fläschchen hatte ein deutscher Importeur von einem rumänischen Großhändler bezogen. Auffällig war unter anderem, dass die Packungen fester verklebt waren als üblich.

Die Zahl von Fälschungen nimmt zu

Die zunehmende Zahl von Fälschungen – in Apotheken und ebenso bei dubiosen Versandhändlern im Internet – hat inzwischen auch die Politik wachgerüttelt.

Bei der Justizministerkonferenz der Länder am 6. November will die Hamburger Justizsenatorin Jana Schiedek (SPD) eine Bundesratsinitiative gegen Produktpiraterie vorstellen, bei der gefälschte Arzneimittel im Mittelpunkt stehen. „Wir müssen die abschreckende Wirkung des Strafrechts erhöhen und die Ermittlungsmöglichkeiten der Staatsanwaltschaften verbessern“, fordert Schiedek. So sollen Fahnder auch bei Arzneimittelfälschern die Möglichkeit bekommen, Telefone anzuzapfen.

Arzneihersteller in Aufruhr

Die gefälschten Arzneien in Apotheken haben die Hersteller in helle Aufregung versetzt. Global ist keine der Branchengrößen vor den Fakes gefeit. „An einer gefälschten Handtasche ist noch niemand gestorben, an gefälschten Medikamenten jedoch schon“, wettert Karl-Ludwig Kley, Vorsitzender der Geschäftsleitung von Merck. Produkte des Darmstädter Pharma- und Chemiekonzerns wurden ebenso gefälscht wie Mittel von Bayer, Boehringer Ingelheim oder Pfizer.

Spricht sich herum, dass Patienten oder Ärzte bei einem Präparat nicht sicher sein können, dass es echt ist, drohen den Unternehmen Imageschäden und Umsatzverluste. „Ich habe schon Anrufe von Ärzten und Apothekern bekommen, die nach Bekanntwerden der Fälle lieber auf Präparate anderer Hersteller ausweichen wollten“, sagt der Chef eines großen Pharmaunternehmens.

Zwar gaben die Behörden kürzlich eine teilweise Entwarnung. Nach den Arzneimitteldiebstählen in italienischen Kliniken im Frühjahr seien Medikamente, die nach dem 1. Juli nach Deutschland exportiert wurden, vor Fälschungen sicher, erklärte die italienische Arzneimittelbehörde AIFA kürzlich.

Zahl der beschlagnahmten Tabletten und Ampullen am Frankfurter Flughafen

Mafia und osteuropäische Banden

Doch beruhigend klingt das nicht. Für viele Krebsmittel, die an die Krankenhäuser der Apennin-Halbinsel geliefert wurden, empfiehlt die AIFA weiterhin die „Abklärung der Legalität“. Und das Paul-Ehrlich-Institut in Langen bei Frankfurt rät, Ärzte, Apotheker und Patienten sollten weiterhin auf mögliche Manipulationen, etwa an der Verpackung, achten.

Für Fahnder ist klar, dass die Mafia und osteuropäische Banden den Handel mit gefälschten Arzneimitteln für sich entdeckt haben. Denn die Profite, die sich daraus schlagen lassen, sind gigantisch. „Die Gewinnspannen im Handel mit illegalen Arzneimitteln liegen häufig bei mehreren Hundert bis über Tausend Prozent. Sie sind ein lukratives Geschäft, das die Gewinne aus der Rauschgiftkriminalität bei Weitem übertrifft“, sagt Norbert Drude, der Präsident des Zollkriminalamtes in Köln.

Anteil der Medikamenten-Fälschungen am Gesamtmarkt nach Regionen, Zahl der Medikamenten-Diebstähle in italienischen Krankenhäusern

Feld für das organisierte Verbrechen

„Medikamente sind leicht, sauber, gut zu transportieren und bringen eine Menge Geld“, sagt Michele Riccardi, Projektmanager bei Transcrime, einem Institut für Kriminalitätsforschung in Mailand. So kostet eine Packung mit 150 Milligramm des Brustkrebsmittels Herceptin von Roche, das in Italien gestohlen wurde und in deutschen Apotheken auftauchte, hierzulande rund 850 Euro.

Die Wirkung des verschobenen Mittels ist beeinträchtigt, weil die Hehler kaum die erforderliche Temperatur beim Transport von minus 20 Grad eingehalten haben dürften.

Dass gefälschte Arzneimittel mit dem Bestimmungsort Apotheke zum Feld für das organisierte Verbrechen geworden sind, schließen Ermittler aus Erkenntnissen über diese und andere unsaubere Importe aus Italien. Die haben eine gewaltige Dimension und liefern tiefe Einblicke in die Methoden der Verbrecher.

"Einschüchterung, Gewalt und politische Einflussnahme"

So wurden nach einer Untersuchung von Transcrime zwischen 2006 und 2013 in jedem zehnten Krankenhaus Italiens Medikamente entwendet – hauptsächlich in Regionen, in denen die Mafia stark ist. Der Großteil der Diebstähle, 51 Fälle, ereignete sich im vergangenen Jahr. Der wirtschaftliche Schaden belief sich auf knapp 19 Millionen Euro. Ermittler befürchten, dass dabei auch Medikamente manipuliert und Wirkstoffe gestreckt wurden.

Hinter den Dieben und Fälschern steht ein weitverzweigtes System. „Die kriminellen Netzwerke“, schreibt Transcrime, besäßen eine „straffe Organisation“, Kontakte zu legalen und illegalen Zwischenhändlern, über Geld, um Klinikangestellte zu bestechen, und ein hohes Potenzial, um „Einschüchterung, Gewalt und politische Einflussnahme durchzusetzen“.

Wer die Pharmawelt beherrscht
Aufsteiger 1: Valeant (Kanada)Der kanadische Pharmariese wächst und wächst – hauptsächlich durch Zukäufe. Im Jahr 2013 kaufte Valeant den Kontaktlinsen-Hersteller Bausch & Lomb aus den USA für 8,7 Milliarden Dollar. Im Bereich Augengesundheit wollen die Kanadier ganz vorne mitmischen. Beim Umsatz hat es der Konzern zumindest schon einmal in die Top 30 der Welt geschafft. Die Pharma-Erlöse stiegen um 62,4 Prozent auf 5,8 Milliarden Dollar.Quellen: Unternehmen, HB-Schätzungen Quelle: AP
Aufsteiger 2: Biogen Idec (USA)Erst Ende März 2013 wurde das Multiple-Sklerose-Mittel Tecfidera in den USA zugelassen. Doch die Tablette ist eine Goldgrube für das aufstrebende US-Biotech-Unternehmen Biogen Idec. Im Jahr 2013 steigerte es dank Tecfidera den Umsatz um gut ein Viertel auf 6,9 Milliarden Dollar. Quelle: AP
Aufsteiger 3: Actavis (Irland/USA)Das Unternehmen ist der weltweit zweitgrößte Hersteller von Nachahmerpräparaten. Doch allzu großes Wachstum verspricht dieses Geschäftsfeld nicht unbedingt, da der Preisverfall oft das Mengenwachstum aufzehrt. Actavis wächst daher vor allem mit Übernahmen: In den vergangenen drei Jahren steckte der Konzern mehr als 14 Milliarden Dollar in Zukäufe. Der Konkurrent Forest Laboratories soll nun für 25 Milliarden Dollar ebenfalls geschluckt werden. Im Jahr 2013 legte der Umsatz um 46,7 Prozent auf 8,7 Milliarden Dollar zu. Quelle: PR
Deutsche Unternehmen: MerckDer Darmstädter Pharma- und Chemiekonzern wächst im Jahr 2013 moderat. Der Umsatz legt um 2,6 Prozent auf umgerechnet 7,9 Milliarden Dollar zu (Schätzung). In der Rangliste der größten Pharmaunternehmen der Welt schafft es Merck damit auf Platz 23. Das könnte sich aber ändern, denn das Unternehmen plant einen Zukauf: Die Darmstädter bieten rund zwei Milliarden Dollar für die britische Spezialchemiefirma AZ Electronic Materials – eine ehemalige Hoechst-Tochter, die unter anderem Komponenten für Apples iPad liefert. Quelle: dpa
Deutsche Unternehmen: Boehringer IngelheimDas Familienunternehmen ist der zweitgrößte deutsche Pharmakonzern. Im Jahr 2013 hielt Boehringer Ingelheim die Umsätze stabil und landet mit umgerechnet 14,7 Milliarden Dollar (Schätzung) auf Platz 17 der Rangliste. Aktuell ist Boehringer in den USA mit einer Klagewelle konfrontiert. Mehr als 2000 Kläger werfen dem Unternehmen vor, für schwere und zum Teil tödliche Blutungen nach einer Behandlung mit dem Gerinnungshemmer Pradaxa verantwortlich zu sein. Quelle: dpa
Deutsche Unternehmen: BayerBayers Pharma-Umsätze wachsen, die Leverkusener legen zum sieben Prozent zu und rücken in der Rangliste mit umgerechnet 14,9 Milliarden Dollar Umsatz auf Platz 16 vor. Gerade Bayers neue Medikamente wie das Schlaganfallmittel Xarelto laufen prächtig. Die Umsatzziele für die fünf stärksten Medikamente wurden erhöht. Quelle: REUTERS
Platz 10: Teva (Israel)Der weltgrößte Generika-Hersteller kommt aus Israel: Teva. Im Jahr 2013 stagnierte der Umsatz des Konzern allerdings bei gut 20 Milliarden Dollar. Große Hoffnungen ruhen auf dem neuen Chef Erez Vigodman. Teva ist auch in Deutschland aktiv – so gehört seit 2009 die Ulmer Ratiopharm zum Konzern. Quelle: Presse

Täuschend echte Lieferpapiere

So listete der italienische Pharmaverband AIFA im August ein Dutzend Scheinfirmen auf, vorwiegend aus Osteuropa, die illegale Medikamente in die Apotheken nach Westeuropa schleusten, vorzugsweise nach Deutschland. Sie tragen Namen wie Carnela Limited auf Zypern, Avimax Health and Trade KFT in Ungarn oder Piramid D.O.O in Slowenien. Die gefälschten Lieferpapiere sähen täuschend echt aus, berichtet ein Insider.

Von diesen Schleuserfirmen gelangen die gefälschten Arzneien oft zu sogenannten Parallelimporteuren, die diese dann unbeabsichtigt an deutsche Apotheken lieferten. Das Geschäft solcher Parallelimporteure beruht darauf, dass sie mit Medikamenten aus Südeuropa handeln, wo diese teilweise deutlich weniger kosten als hier. Die Apotheker in Deutschland sind per Gesetz verpflichtet, Arzneien im Wert von fünf Prozent ihres Einkaufsvolumens von solchen Parallelimporteuren zu beziehen.

Was gegen Erkältung hilft - und was nicht
Fast jedes dritte von rund 2000 überprüften rezeptfreien Medikamenten ist laut Stiftung Warentest wenig gegen Erkältungen geeignet. Darunter fallen bekannte Mittel gegen Erkältung, Schnupfen, Halsentzündung, Verstopfung, Durchfall oder Insektenstiche. Oft schneiden die Kombinationen verschiedener Wirkstoffe schlecht ab, etwa von Schmerzmitteln und anregenden Mitteln in Erkältungsmedikamenten. In anderen Fällen bemängeln die Tester hohen Alkoholgehalt etwa bei einem Erkältungsmittel für die Nacht oder ungeeignete Zusammenstellungen bei Tabletten gegen Halsinfektionen. Die 2000 rezeptfreien Medikamente sind Teil einer umfassenderen Datenbank von Stiftung Warentest mit Arzneimitteln. Quelle: dpa
Bei Erkältung und Grippe hat die Apotheke so einiges an rezeptfreien Mitteln zu bieten. Doch viele halten nicht, was sie versprechen.Aspirin Complex Granulat: Nicht sinnvolle Kombination aus einem Schmerzmittel und einem anregenden Mittel, das über die Blutbahn im ganzen Körper verteilt wird.Doregrippin Tabletten: Wie beim Aspirin Complex Granulat stuft die Stiftung Warentest die Kombination der Mittel als nicht sinnvoll ein. Grippostad C Kapseln: Enthält ein müde machendes Antihistaminikum, das über die Blutbahn im ganzen Körper verteilt wird.WICK DayMed und MediNait (Kapseln und Getränke): Nicht sinnvolle Kombination unter anderem aus einem Schmerzmittel, einem Hustenmittel und einem anregenden Mittel.Alternative: Die einzelnen Erkältungssymptome sollten besser getrennt behandelt werden. Gegen Schmerzen und Fieber reicht Parazetamol allein. Bei Schnupfen ist die kurzzeitige Anwendung von abschwellenden Nasentropfen verträglicher. Quelle: Fotolia
Schnupfen und AllergienRhinopront Kombi Tabletten: Wenig geeignet bei Schnupfen. Nicht sinnvolle Kombination an Mitteln.Reactine duo Retardtabletten: Hilft kaum bei allergischem Schnupfen. Wenig sinnvolle Kombination aus einem Antihistaminikum und einem anregenden Stoff, der über die Blutbahn im ganzen Körper verteilt wird und dabei auch die Schleimhäute abschwillt. Bei Daueranwendung kann es zu schwerwiegenden Nebenwirkungen kommen.Alternative: Tabletten, Tropfen oder Saft mit Cetirizin oder Loratadin sollen bei akuten Allergie-Beschwerden helfen. Cromoglizinsäure als Nasenspray zur Vorbeugung (früh genug mit der Behandlung beginnen, unkonservierte Präparate bevorzugen). Bei einem normalen Schnupfen ist die kurzzeitige Anwendung von abschwellenden Nasentropfen verträglicher. Quelle: dpa
Nahrungsergänzungsmittel mit Zink und Vitamin C sollen das Immunsystem unterstützen. Natürlich braucht der Körper bestimmte Nährstoffe, damit das Abwehrsystem gegen Bazillen und Viren funktioniert. Doch Vitamin C- und Zinktabletten können Erkältungen nicht heilen oder gar verhindern. Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) gibt es keine wissenschaftlichen Beweise für den Nutzen der bunten Pillen. Die Zufuhr ist normalerweise über die Ernährung sichergestellt, Mangelzustände an Vitamin C und Zink kommen in Deutschland nur selten vor. Gute Vitamin C-Lieferanten sind zum Beispiel Orangensaft, Brokkoli, Kiwi oder rote Paprika. Zink ist zum Beispiel in Fleisch, Ei, Vollkorn- und Milchprodukten enthalten. Die empfohlene Tagesdosis wird etwa bereits durch ein Stück Rindfleisch (150 Gramm) und ein Glas Milch gedeckt. Quelle: dpa
Doch nicht nur gegen Erkältungssymptome gibt es rezeptfreie Mittelchen, die leider nichts bewirken. Auch gegen andere Wehwehchen ist nutzloses Kraut gewachsen... Quelle: dpa
SchürfwundenBrand- und Wundgel Medice: Das Gel ist laut Stiftung Warentest wenig zur Wundpflege geeignet. Die therapeutische Wirksamkeit ist nicht ausreichend nachgewiesen. Zudem kann der Inhaltsstoff Benzethonium leicht Allergien auslösen.Alternative: Leichten Verbrennungen mit unverletzter Haut unter fließendem Wasser schnell kühlen. Offene Wunden sollten aber nicht selbst behandelt werden.Pyolysin Salbe: Auch diese Salbe für oberflächliche Wunden verfehlt ihre Wirkung.Alternative: Povidon-Jod-Lösung eignet sich zum Desinfizieren, Dexpanthenol-Salbe zur Pflege bei oberflächlichen Schürfwunden. Quelle: Fotolia
HalsschmerzenDobendan Strepsils Dolo bzw. Dolo-Dobendan Lutschtabletten: Die Kombination der Inhaltsstoffe ist nicht sinnvoll: Antiseptika wie Cetylpyridiniumchlorid sind gegen Viren nur lückenhaft oder gar nicht wirksam. Bakterien in tieferen Schleimhautschichten werden zudem nicht erreicht. Das schmerzstillende Benzokain kann leicht Allergien hervorrufen.Dorithricin Lutschtabletten/ Lemocin Lutschtabletten: Auch diese Tabletten helfen nicht wirklich gegen Entzündungen im Hals. Das Antibiotikum Tyrothrizin wirkt nur oberflächlich und erreicht Bakterien in tieferen Gewebeschichten nicht. Auch hier ist das schmerzstillende Benzokain enthalten, das leicht Allergien auslösen kann.Locabiosol 0,125 mg Spray: Die therapeutische Wirksamkeit des Antibiotikums Fusafungin bei Halsinfektionen ist nicht ausreichend nachgewiesen. Die Anwendung als Spray kann bei empfindlichen Personen zu Asthmaanfällen führen.Alternative: Halsentzündungen werden häufig durch Viren verursacht, bei denen Antibiotika nicht wirken. Zuckerfreie Halsbonbons befeuchten die Schleimhäute und  können Schluckbeschwerden lindern. Lutschtabletten mit Ambroxol oder Lidokain wirken schmerzstillend. Quelle: Fotolia

Pillen-Banden

In jüngster Zeit fallen diese Unternehmen aber immer häufiger im Zusammenhang mit Medikamenten-Fälschungen auf. Einer der betroffenen Importeure, CC Pharma aus der Eifel, erklärt dazu, verdächtige Arzneien sofort zurückgerufen zu haben. Zudem sei Ware aus Italien unter Quarantäne gestellt worden, sobald Warnhinweise von Behörden vorlagen.

„Natürlich ist der Parallelhandel ein mögliches Einfallstor für Fälschungen“, sagt David Shore, Sicherheitsmanager bei Pfizer. Das sei bei allen bekannten Fälschungen von Pfizer-Medikamenten in der legalen Lieferkette in Großbritannien der Fall gewesen, so der frühere Ermittler von Scotland Yard, der nun für den US-Konzern die Spuren der Pillen-Banden verfolgt.

Die umsatzstärksten Medikamente der Welt
Platz 10: MabTheraDer Wirkstoff nennt sich Rituximab. Das Medikament wird für die Behandlung von Lymphomen eingesetzt. In der EU vertreibt Roche es unter dem Handelsnamen MabThera, in den USA heißt es Rituxan. 2013 brachte es rund 6,26 Milliarden Dollar ein. Das waren 5,7 Prozent mehr als im Vorjahr.Bild: Roche Pharma AGDatenquelle: IMS Health Quelle: Presse
Platz 9: CymbaltaDer Wirkstoff dieses Medikaments heißt Duloxetin. Dabei handelt es sich um ein Mittel, das bei Depressionen und Angststörungen eingesetzt wird. Vermarktet wird es von Eli Lilly; der Firma spülte es im Jahr 2013 6,46 Milliarden Dollar in die Kassen - eine Steigerung um 13,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.Bild: Lilly Deutschland GmbH Quelle: Presse
Platz 8: RemicadeRemicade ist der Handelsname von Infliximab. Dabei handelt es sich um einen Antikörper, der das Immunsystem vielfach beeinflusst. Eingesetzt wird das Medikament vor allem gegen Rheuma-Erkrankungen. In Deutschland wird es von MSD vertrieben. 2013 erzielte es einen Umsatz von rund 7,68 Milliarden Dollar - 7,8 Prozent mehr als im Vorjahr.Bild: MSD Sharp & Dohme GmbH Quelle: Presse
Platz 7: AbilifyOtsuka Pharmaceuticals vertreibt das Arzneimittel Aripiprazol unter dem Namen Abilify. Es wird zur Behandlung von Schizophrenie eingesetzt. Mit 7,83 Milliarden Dollar in 2013 landet es auf Rang sieben. Das entspricht einem um 14,6 Prozent höherer Umsatz als noch im Vorjahr.Foto: "Abilify bottle" by Eric Gingras, via Wikipedia Quelle: Creative Commons
Platz 6: NexiumDas Magenmittel von AstraZeneca mit dem Wirkstoff Esomeprazol  liegt im Mittelfeld bei den Top-Ten-Präparaten. Der Umsatz 2013 lag bei 7,86 Milliarden Dollar - ein Plus von 7,0 Prozent.Bild: AstraZeneca Quelle: Presse
Platz 5: Lantus Lantus wird von Sanofi-Aventis hergestellt. Es enthält "Insulin glargin" und wird zur Behandlung von Diabetes eingesetzt. Mit einem Zuwachs von 23,3 Prozent legte es die stärkste Steigerung innerhalb der Top Ten hin. Umsatz 2013: 7,94 Milliarden Dollar. Quelle: dpa
Platz 4: Enbrel7,95 Milliarden Dollar Umsatz (plus 8,7 Prozent) machte dieses Medikament von Pfizer. Der Wirkstoff Etanercept wird zur Behandlung von Rheuma und der entzündlichen Hautkrankheit Psoriasis eingesetzt. Quelle: AP

100.000 gefälschte Viagra-Tabletten

Die Pharmabranche sieht in dem Einfallstor für Fälscher einen willkommenen Anlass, die Vorschrift zu kippen, dass deutsche Apotheker einen Teil ihrer Medikamente im preiswerteren Ausland kaufen müssen. „Diese Importförderklausel schafft mittlerweile einen Absatzmarkt für kriminelle Machenschaften“, ärgert sich Hagen Pfundner, Deutschland-Chef von Roche und Vorstandsvorsitzender des Pharma-Verbandes VFA. Pfundner fordert die Abschaffung der Importvorschrift – bislang ohne Erfolg. Deswegen hat er auch bereits an Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) geschrieben.

Den Pharmaherstellern bleibt im Grunde nur, selbst etwas zum Kampf gegen die Fälscher beizutragen. Wohl keiner weiß das so gut wie der US-Pharmariese Pfizer aus New York. Dessen Potenzpille Viagra ist das am häufigsten gefälschte Medikament der Welt. Allein 2012 konfiszierten die Ermittlungsbehörden weltweit über vier Millionen unechter Erektionshelfer. Im vergangenen Sommer entdeckten Fahnder in einem Container im Hamburger Hafen 100.000 gefälschte Viagra-Tabletten, versteckt in Polstermöbeln. Den Amerikanern bleibt gar nicht viel anderes übrig, als alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um den Schaden durch Fälscher zu minimieren.

Auf Echtheit überprüft

4500 Einwohner zählt der südostenglische Küstenort Sandwich – angeblich wurde dort tatsächlich vor gut 250 Jahren die gleichnamige belegte Stulle aus zwei Brotscheiben erfunden. Zuletzt berühmt geworden ist der Ort aber durch die flachen, braunen Laborgebäude ein wenig außerhalb des Ortskerns. Vor gut 20 Jahren entdeckten dort Pfizer-Forscher die wundersame Wirkung einer Substanz, mit der sie eigentlich ein Herzmittel gefunden zu haben glaubten. Doch als die männlichen Probe-Patienten aus dem Queen Victoria Memorial Hospital im nahe gelegenen Herne Bay die überzähligen Pillen nicht mehr zurückgeben wollten, ahnten sie, dass sie einen Coup gelandet hatten. Ein Potenzmittel war entdeckt, das später als Viagra um die Welt gehen sollte.

Die Viagra-Pillen, die heute in Sandwich durch die Labors 2–09 gehen, sind nicht für Patienten bestimmt, sondern werden auf ihre Echtheit überprüft. Wendy Greenall und ihre drei Mitarbeiterinnen überprüfen hier, im Gebäude 510, jährlich gut 1600 Pakete mit Viagra und anderen gängigen Medikamenten, die Ermittler, Zollbeamte oder hauseigene Sicherheitsexperten als verdächtig einstuften. Die Pillen stammen aus Deutschland, anderen europäischen Ländern, Afrika und dem Nahen Osten, aus Apotheken und von Online-Versendern.

„Etwa 90 Prozent der von uns untersuchten Pillen sind gefälscht“, sagt Greenall. Manchmal reicht der Chemikerin, die seit etwa zehn Jahren für Pfizer arbeitet, nur ein Blick, um eine Fälschung zu erkennen: Auf einer der Packungen des Cholesterinsenkers Lipitor – ebenfalls ein beliebtes Mittel für Fälscher – ist die Schrift verkehrt herum aufgedruckt, die Falz ist beschädigt und eine Codenummer falsch.

Meist ist jedoch eine aufwendigere Untersuchung nötig. Eine Mitarbeiterin Greenalls hat eben eine Lipitor-Pille pulverisiert. Ein Lasergerät untersucht die Substanz. Auf dem Monitor entstehen zwei Kurven, die an Aktiencharts erinnern. Die schwarze Kurve zeigt die Zusammensetzung des Originalpräparats, die rote die Mixtur der untersuchten Pille. Beide Kurven decken sich nicht, die Tablette scheint gefälscht zu sein. Genauere Ergebnisse liefern die beiden Chromatographen im Gang gegenüber. Das kühlschrankgroße Gerät kann die Bestandteile der verflüssigten Substanz erkennen. Das Ergebnis ist klar: Der vermeintliche Wirkstoff besteht aus weißem Puder.

Die Hits in der Hausapotheke
Platz 10: Grippostad von Stada Quelle: dpa
Platz 9: Aspirin plus C Quelle: dpa
Platz 8: Dolormin Quelle: PR
Platz 7: ACC Quelle: dpa
Platz 6: Aspirin Quelle: dpa
Platz 5: Thomapyrin Quelle: dpa
Platz 4: Bepanthen Wund- und Heilsalbe Quelle: dpa

9,4 Millionen gefälschte Medikamente

Chemikerin Greenall sitzt auf einem Podium zum Thema Medikamenten-Fälschungen in einem Londoner Hotel und zieht ein bitteres Fazit: „In den vergangenen Jahren scheint sich bei der Bekämpfung der Arzneimittelkriminalität nichts getan zu haben“, sagt sie an die Adresse der anwesenden Sicherheitsexperten. Besonders die Strafverfolger zeigten keine wirkliche Härte gegenüber den Kriminellen.

Beispiel: die „Operation Pangea“ (altgriechisch etwa für „ganze Erde“), die vom 13. bis zum 20. Mai dieses Jahres lief. Zoll- und Polizeibehörden aus über 100 Staaten fielen, koordiniert von Interpol, bei organisierten Pillenfälschern ein. Der Erfolg der Razzien war beeindruckend: 9,4 Millionen gefälschte Medikamente und 20.000 verdächtige Sendungen wurden sichergestellt. In Deutschland konfiszierten die Strafverfolger an den Zoll-Stützpunkten Frankfurt und Niederaula in Hessen 816 fragwürdige Briefe und Pakete.

Fälschungssichere Technik hilft nur bedingt

Doch den Unternehmen reicht das nicht. In Zeiten zunehmender Bedrohung durch gefälschte Medikamente müssten die Kapazitäten der Strafverfolger eigentlich ausgebaut werden. In der Praxis klagten die Ermittlungsbehörden jedoch über zu wenig Personal. „Pangea müsste eigentlich das ganze Jahr laufen“, so ein Insider.

Auch fälschungssichere Technik hilft nur bedingt im Kampf gegen die Pillen-Mafia. Zwar soll es von 2017 an europaweit möglich sein, auf jede Packung eine eigene Seriennummer und einen eigenen Code aufzudrucken. Das Verfahren heißt „Secur Pharm“. Mit seiner Hilfe kann ein Apotheker, bevor er dem Patienten die Ware aushändigt, den Code auf der Packung einscannen und blitzschnell überprüfen, ob das Medikament tatsächlich vom angegebenen Hersteller stammt.

50 Prozent der online erworbenen Arzneimittel gefälscht

Die Idee stammt von Pharma- und Apothekenverbänden, ist aber kein Allheilmittel. Denn Manipulationen am Medikament selbst lassen sich mit „Secur Pharm“ nicht bekämpfen. Hinzu kommt, dass jeder Hersteller an eigenen technischen Lösungen arbeitet. Und gegen dubiose Pillen aus dem Internet hilft das Verfahren erst recht nicht, da niemand vor den Augen des Patienten den Code einscannt.

Pfizer versucht deshalb mit Schockvideos, die Verbraucher zumindest von dubiosen Internet-Apotheken abzuhalten. Denn nach einer Analyse der Weltgesundheitsorganisation WHO sind 50 Prozent der online erworbenen Arzneimittel gefälscht. So hat der US-Pharmariese ein Filmchen auf YouTube gestellt, dass Patienten mithilfe einer Ratte von dem Online-Erwerb von Medikamenten abschrecken soll: Gerade aufgestanden, schluckt ein attraktiver Mann, vielleicht Mitte 30, ein paar Pillen aus einer Schachtel ohne Aufdruck des Herstellers. Kurz darauf muss er würgen. Aus seinem Mund quillt eine Ratte – zuerst der Schwanz, ganz am Ende der Kopf. Grund für den Ekel-Spot: Gefälschte Medikamente enthielten laut Pfizer auch schon Rattengift.

Die Tricks der Arzneifälscher

Marcus Redanz, 42 Jahre alt, Kurzhaarschnitt, ist Spezialist für Arzneimittel beim Frankfurter Zollamt. Deshalb surft er regelmäßig auf dubiosen Internet-Seiten mit Namen wie „Medikamente ohne Rezept“ oder „Cialis 20 mg kaufen“. Redanz ist seit 20 Jahren beim Zoll und kennt die Tricks der Arzneifälscher. „Derzeit ist etwa Oral Jelly sehr gefragt“, sagt er. „Das soll flüssiges Viagra sein, erhältlich etwa in den Geschmacksrichtungen Orange und Banane.“ Redanz weiß genau: Flüssiges Viagra gibt es in der Realität so wenig wie Viagra für Frauen, was ebenfalls häufig von fragwürdigen Internet-Apotheken angeboten wird.

Redanz hat die Aufgabe zu verhindern, dass illegale oder gefälschte Medikamente, die häufig aus asiatischen Ländern wie China, Indien, Pakistan, Singapur oder Thailand stammen, ihre Empfänger in Deutschland erreichen. Sein Büro liegt ganz in der Nähe des Frankfurter Flughafens, im Internationalen Postzentrum. Zwei Stockwerke höher treffen gerade Luftfrachtsendungen aus aller Welt ein.

Insgesamt 84 Zöllner in drei Schichten wachen gemeinsam mit Redanz darüber, dass keine illegalen Medikamente in Deutschland in Umlauf kommen. Keine leichte Aufgabe, mehr als Stichproben sind nicht drin bei täglich gut 10.000 Luftfracht-Sendungen.

Redanz verlässt sich auf seine Erfahrung – er weiß, wie verdächtige Päckchen aussehen und auf welche Herkunftsländer er achten muss. „Pillen werden gerne in Kohlepapier, Alufolien oder Dosen versteckt, bei Ampullen sind auch ausgehöhlte Bücher sehr beliebt.“ In Zweifelsfällen lässt Redanz, wie bei der Sicherheitskontrolle am Flughafen, verdächtige Päckchen durch ein Röntgengerät laufen. Etwa 150 illegale Sendungen spürt Redanz jede Woche auf – meist Potenz-, Schmerz- und Dopingmittel.

Schlankheitsmittel und Potenzpillen aus der "Männerapotheke"

400.000 Tabletten und Ampullen beschlagnahmten die Frankfurter Zöllner 2007 – inzwischen sind es jährlich mehr als eine Million.

Hinter den Empfängern der zweifelhaften Präparate aus Asien stecken häufig kriminelle Dealer, die hierzulande einen schwunghaften Handel mit den dubiosen Mitteln aufgezogen haben und sie über eigene Internet-Seiten weiterverkaufen. 2013 flog in Berlin etwa die „Männerapotheke“ auf – eine siebenköpfige Bande aus Berlin und Brandenburg mit Hunderten Helfern, die sich auf Schlankheitsmittel und Potenzpillen spezialisiert hatte.

„Das sind Netzwerke mit hoher OK-Relevanz“, sagt der Essener Zollfahnder R. OK steht für organisierte Kriminalität. Der Ermittler kennt die Mitglieder des Milieus: „Pfiffige Leute, Männer zwischen Anfang 20 und Anfang 50. Akademiker, die sich mit dem Internet auskennen. Betriebswirte sind darunter, auch mal ein Physiotherapeut.“ Die Arzneifälscher- und Schiebernetzwerke arbeiteten wie ein Konzern, so der Fahnder. Es gebe Spezialisten für Vertrieb, Logistik und Buchhaltung bis hin zu Kurieren und Grafikdesignern, die die Web-Seiten der dubiosen Anbieter gestalten. Häufig enthalten diese Internet-Seiten zu Unrecht Logos von TÜV und Stiftung Warentest, um bei den Kunden Vertrauen zu schaffen. Die Dreistigkeit, gefälschte Arzneien an die Frau und den Mann zu bringen, kennt keine Grenzen. Klaus Gritschneder ist Gründer des Internet-Versenders Europa Apotheek im holländischen Venlo, die lange Jahre mit der Drogeriekette dm kooperierte und über jeden Zweifel erhaben ist. Er fand schon eine dubiose Internet-Seite, die das Impressum seiner Europa Apotheek als ihr eigenes verwendete.

Positivliste für legale Versandapotheken gefordert

Gritschneder engagiert sich bei der europäischen Anti-Fälscher-Initiative Asop und fordert eine sogenannte Positivliste für legale Versandapotheken. Wer nicht auf der Liste steht, soll bei Google und anderen Suchmaschinen nicht mehr gefunden werden können. Über den Vorschlag wird gerade auf europäischer Ebene verhandelt. Frühestens Mitte 2015 könnte es so weit sein, hofft Gritschneder.

Um den Fälschern das Handwerk zu legen, hat sich Roche-Manager Pfundner für eine in der Branche noch eher unübliche Maßnahme entschieden. Im Fall mehrerer gefälschter Medikamente hat Pfundner Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt, direkt beim Bundeskriminalamt. „Das sind wir unseren Patienten schuldig“, sagt Pfundner, „die haben schließlich vor allem den Schaden.“

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