General Electric Hat der Mischkonzern ausgedient?

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Der Wert der Einzelteile ist niedriger als vor der Aufspaltung

Durch sie sind nun zwei sortenreine MDax-Gesellschaften entstanden, Investoren müssen sich nicht mehr an einem "Gemischtwarenladen" beteiligen. Das Management der Einzelfirmen soll nun ohne Rücksicht auf übergeordnete Konzerninteressen agieren und expandieren können. "Das Lebensmittel- und das Elektronikgeschäft hatten in Wahrheit nie viele Gemeinsamkeiten", sagte Ceconomy-Chef Pieter Haas kurz vor der Aufspaltung der WirtschaftsWoche. Mittelfristiges Ziel sei es, dass "die beiden Aktien zusammen wertvoller sind als vorher".

Davon sind die Unternehmen allerdings weit entfernt. Der Wert der Einzelteile liegt heute zusammen rund fünf Prozent niedriger als vor der Aufspaltung. Denn an den operativen Problemen der Händler ändert der organisatorische Reset kurzfristig kaum etwas. Die Warenhauskette Real schwächelt, bei Ceconomy sorgt der Wettbewerb mit Amazon für Gegenwind.

Auch wenn sich einzelne Erwartungen nicht erfüllen, ist ein Ende der Scheidungswelle nicht in Sicht - zumal sich in vielen Fällen der Wert der Konzernteile nach der Freilassung tatsächlich überdurchschnittlich entwickelt.  Mit einem Wertzuwachs von 24 Prozent hat in den USA ein eigener "Spin-off-Index" mehr als vier Prozentpunkte besser abgeschnitten als der Durchschnitt der Unternehmen. Entsprechend nervös sind die Investoren. Als etwa der Düngemittelkonzern K+S vor wenigen Wochen seine neue Strategie vorstellte und dabei nicht wie erwartet die Trennung vom Salzgeschäft ankündigte, brach prompt der Aktienkurs ein.

Besonders rabiat preschen derzeit aktivistische Investoren vor. "Sie sind ein wichtiger Treiber des Trends", sagt Banker Fürst. Die Fonds kaufen sich mit kleinen Anteilen bei Unternehmen ein, um dann oft lautstark radikale Schwenks zu fordern, die den Wert schnell nach oben treiben sollen. Die Abspaltung von Geschäftssparten steht oft ganz oben auf ihrer Agenda.

Aktuell verlangt der Investor RBR etwa, dass sich die Schweizer Großbank Credit Suisse in gleich drei Teile zerlegt. Bei der kanadischen Kaufhof-Mutter Hudson's Bay (siehe Seite 48) will Land & Buildings den Verkauf der Immobilien durchsetzen. Der Investor Cevian, der auch an Thyssenkrupp beteiligt ist, hat beim Mannheimer Industriedienstleister Bilfinger durchgesetzt, dass der mit dem Gebäudemanagement ausgerechnet seinen profitabelsten Geschäftszweig abgibt. Mit ähnlichen Vorschlägen ist Cevian beim Schweizer Mischkonzern ABB eingestiegen.  Und bei Nestlé fordert der Aktivist Third Point den Verkauf der Beteiligung am Kosmetikunternehmen L'Oréal. Die Trennung wäre jetzt attraktiv, weil die Bewertungen hoch sind.

Davon profitieren auch Konzerne, die Teile an die Börse bringen. Und wenn sie ihre vorhandenen Aktionäre über einen Spin-off an dem neuen Unternehmen beteiligen, ihnen also einfach Aktien zusätzlich ins Depot buchen, bringt ihnen das zwar erst mal keine zusätzlichen Mittel. Wenn sie aber später ihre übrigen Anteile verkaufen, profitieren sie von Wertsteigerungen. Als Siemens kürzlich seine restlichen Osram-Aktien abgab, hatte sich deren Kurs seit der Trennung 2013 fast verdreifacht.

 

Zudem stehen auch Finanzinvestoren Schlange, um Abspaltungen aufzusammeln.  Nachdem etwa die Private-Equity-Gesellschaft Advent bei der Parfümeriekette Douglas eingestiegen war, verkaufte sie nach und nach fast sämtliche Beteiligungen der früheren Holding an andere Fonds. Die namensgebende Parfümeriekette übernahm Finanzinvestor CVC, den Juwelier Christ kaufte 3i, die Süßwarenläden Hussel gingen an Emeram und die Modekette AppelrathCüpper an Opcapita. Nur die Buchhandelskette Thalia fand mit dem Herder-Verlag einen strategischen Käufer. Die Deutsche Telekom wurde die Mehrheit an Scout24 an den Investor Hellman & Friedman los, einen Teil von Bilfinger schnappte sich die schwedische Gesellschaft EQT.

Trotzdem bleibt hinter jeder Transaktion ein Fragezeichen. Genauso wie Manager oft die Synergien zwischen einzelnen Sparten überschätzen, unterschätzen sie, dass die Auflösung eines über die Jahre gewachsenen Verbunds "sehr aufwendig ist und viel Unruhe schafft", sagt Anwalt Wilsing. Der Aufwand sei ähnlich groß wie bei einer Übernahme, weniger als ein Jahr dauere eine Transaktion kaum. Und teuer ist sie auch noch. So veranschlagt Daimler für die ersten Schritte des Umbaus 100 Millionen Euro. Zudem gibt es viel Erklärungsbedarf bei Kunden, Steuerbehörden, Aktionären und vor allem auch den Arbeitnehmern.

Die hat Daimler auf seiner Seite. Betriebsrat Lümali verknüpft mit dem Umbau die Hoffnung, dass der Wandel hin zur Elektromobilität für ihn und seine Kollegen glimpflich ausgeht. "Wir wollen Arbeitsplätze sichern, indem wir Aufträge von Zulieferern wieder ins Haus holen", sagt er. Auch Entwicklungsdienstleistungen, die der Konzern teilweise einkaufe, sollen künftig wieder die eigenen Beschäftigten übernehmen. Und so den Umbau zum Aufbau machen.

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