Die Österreicher haben jetzt jedenfalls eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft in Rostock gestellt. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft bestätigte der WirtschaftsWoche, dass „gegen verantwortliche Mitarbeiter von German Pellets eine Strafanzeige wegen des Verdachts auf veruntreuende Unterschlagung eingegangen“ ist.
Der Schaden soll laut Anzeige bei 27 Millionen Euro liegen. Die Behörde prüfe derzeit allerdings noch, ob es überhaupt einen Anfangsverdacht gebe. Mehr wollte der Sprecher zum jetzigen Zeitpunkt nicht dazu sagen.
Genussscheine: Die wichtigsten Merkmale im Überblick
Für ein Renditeplus müssen Käufer von Genussscheinen einige Risiken übernehmen. Um einen Blick in den Prospekt kommen Käufer nicht herum. Genussscheine gibt es entweder mit fester oder mit unbegrenzter Laufzeit. Die Ausschüttung ist selten fix, sondern fast immer erfolgsabhängig; dabei gibt es Papiere mit und ohne Mindestverzinsung sowie mit variabler Verzinsung. Einige können später in Aktien gewandelt werden.
Die Ausschüttung auf einen Genussschein hängt vom Jahresergebnis des Unternehmens ab. Der Zins wird nach der Hauptversammlung oder der Sitzung, in der Gewinn und Dividende festgestellt werden, ausgezahlt. Ausgeschüttet wird nur, wenn das Unternehmen einen ausreichenden Jahresüberschuss oder Bilanzgewinn erwirtschaftet. Maßgeblich dafür sind die Bilanzen nach dem deutschen Handelsgesetzbuch (HGB), nicht solche nach internationalen Rechnungslegungsregeln. Bei einem Verlust nach HGB kann die Ausschüttung ausfallen.
Anders als bei Anleihen bezahlen Anleger keine Stückzinsen, in denen anteilig kommende Zinszahlungen des laufenden Jahres vorweggenommen werden. Denn der Ausschüttungsanspruch ist ja, anders als bei festverzinslichen Anleihen, nicht fix. Bei börsengehandelten Papieren spiegelt der Kurs die Erwartungen an die Ausschüttung zeitanteilig wider. Deutet sich etwa wegen Verlusten zum Halbjahr ein Ausfall der Ausschüttung an, fällt der Kurs. Am Ausschüttungstag reduziert sich der Kurs um die ausgezahlte Summe.
Renditeberechnungen analog zu denen von Anleihen sind nur bei Papieren mit festgelegter Ausschüttung und vorab fester Laufzeit möglich – und nur, wenn kein Ausfall des Zinses unterstellt wird. Zinsausfälle oder -reduzierungen sollten Investoren aber ins Kalkül ziehen. Anleger lassen sich also auf eine Wette ein. Die Rückzahlung eines Genussscheins erfolgt meist zum Nennwert. Genussscheine sind meist mit Kündigungsrechten zugunsten der Unternehmen und häufig zusätzlich mit solchen zugunsten der Inhaber ausgestattet. Zudem gibt es Sonderkündigungsrechte der Unternehmen, etwa für den Fall, dass sich steuerliche Rahmenbedingungen ändern.
Wegen ihrer komplexen Konstruktion und größerer Risiken versprechen Genüsse höhere Renditen als Spargelder und viele Anleihen. Ähnlich wie bei Anleihen tragen Anleger ein Bonitätsrisiko: Verschlechtert sich die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens, fallen die Kurse. Hinzu kommt das Zinsänderungsrisiko: Steigen die Zinsen deutlich, werden neue Anleihen mit guter Bonität attraktiver. Ältere Genussscheine verlieren dagegen an Attraktivität. Je stärker das Zinsniveau steigt und je länger die Restlaufzeit des Genussscheins ist, desto mehr verliert er an Wert.
Da die Ausschüttung von Genussscheinen direkt an Gewinne des Emittenten gebunden ist, droht ein Ausfall der Zahlung bei Verlusten. Erreicht das Unternehmen nach Verlusten wieder die Gewinnzone gibt es bei vielen Scheinen einen Anspruch auf Nachzahlung. Dieser gilt allerdings nur während der Laufzeit. Kehrt ein Unternehmen erst in die Gewinnzone zurück, nachdem ein Genussschein bereits wieder zurückgezahlt worden ist, besteht kein Anspruch auf Nachzahlung. Verluste des Unternehmens können bei einigen Scheinen sogar zu einer Aussetzung oder Reduzierung der Rückzahlung führen. Bei Pleiten haben Genussscheininhaber mehr Ansprüche als Aktionäre, stehen aber in der Schlange der Anspruchsberechtigten hinter allen anderen Gläubigern. Oft bekommen sie gar nichts.
Auch börsennotierte Genussscheine werden seltener gehandelt als viele Aktien. Dementsprechend lassen sie sich nicht immer im Handumdrehen verkaufen. Bei nicht börsennotierten ist der vorzeitige Verkauf nahezu unmöglich.
Recherchen der Redaktion legen allerdings den Verdacht nahe, dass durchaus etwas an der Darstellung der Österreicher dran sein könnte.
Ein Informant aus dem Umfeld von German Pellets bestätigte „erhebliche Differenzen der Lagerbestände“. Es sei außerdem richtig, dass MFC diverse Lager mit Rohstoffen und Holzpellets als Sicherheit übereignet gewesen seien. Konkret dürfte es in der Anzeige also darum gehen, dass MFC nun offenbar sein Recht nicht mehr ausüben kann, die Waren selber zu verkaufen und das Geld einzustreichen.
Anleger haben ebenfalls Strafanzeige erstattet
Unklar ist bislang noch, warum MFC die Waren nicht (mehr) vorgefunden haben soll. Wurden die Lager bei German Pellets etwa gar nicht so befüllt, wie nach Wien gemeldet? Oder hat German Pellets das fremde Holz benutzt, um eigene Pellets zu produzieren? Hat German Pellets die fremden Pellets gar im eigenen Namen verkauft und das Geld kassiert? Eine Antwort auf Fragen der Redaktion waren dazu nicht zu bekommen.
Die Anzeige aus Wien ist jedenfalls nicht die einzige. Drei Anleger haben ebenso Strafanzeige wegen des Verdachts auf Betrug erstattet. German Pellets schuldet Sparern mehr als 224 Millionen Euro aus börsennotierten Anleihen und Genussrechten. Die Ermittler aus Rostock haben noch viel Arbeit vor sich.