Schlohweißes, straff nach hinten gekämmtes Haar, das sich über dem Hemdkragen kräuselt. Ein stechender Blick unter buschigen Augenbrauen. Ein Faible für figurbetonte Nadelstreifenanzüge und bunte Hemden mit weiß abgesetzten Manschetten.
Rein äußerlich verkörpert Sir John Reginald Hartnell Bond eine Mischung aus Chicago-Gangster und aalglattem City-Banker. Zwar hat er weder Studium noch Diplom. Doch 45 Jahre bei der britischen Großbank HSBC, wo er sich vom Lehrling nach ganz oben arbeitete, haben ihn geprägt. „HSBC verdanke ich alles“, sagte er einmal stolz.
Jetzt startet der 71-jährige Aufsichtsratschef des Minengiganten Xstrata noch einmal durch. In einem Alter, in dem andere längst Golf spielen, steht der Brite an der Schwelle zu einer neuen Mega-Aufgabe. Denn wenn die geplante Übernahme des viertgrößten Bergbaukonzerns der Welt durch den ebenfalls in der Schweiz ansässigen Rohstoffgiganten Glencore wie erwartet über die Bühne gegangen ist, soll Bond Aufsichtsratschef des globalen Konzerns mit einem kombinierten Umsatz von gut 220 Milliarden Dollar werden.
Die größten Rohstoffkonzerne der Welt
Mit einem Umsatz von 110,3 Milliarden Euro ist Glencore schon heute einer der größten Rohstoffkonzerne der Welt. Durch die Fusion mit dem zweitgrößten Schweizer Rohstoffkonzern Xstrata erreicht der neue Konzern einen Börsenwert von rund 80 Milliarden Dollar. Damit entsteht ein neuer Rohstoffriese.
Der multinationale Konzern gehört nicht nur zu den weltweit führenden Unternehmen beim Abbau von Kohle, Diamanten und Kupfer - auch in der Aluminiumproduktion ist der Konzern Weltmarktführer. Der Börsenwert wird auf 93,7 Milliarden Dollar geschätzt.
Der brasilianische Rohstoffriese kontrolliert 35 Prozent des Eisenerz-Marktes, vor allem mit Exporten aus dem Heimatland. Der Börsenwert wird auf 105,9 Milliarden Euro taxiert. Neben dem Rohstoffgeschäft gehört das Unternehmen zu den führenden Logistikkonzernen Brasiliens.
Der australische-britische Rohstoffriese ist ein begehrtes Übernahmeziel der Konkurrenz. Rio Tinto und Chinalco waren an einer Übernahme interessiert, doch das Geschäft platzte. Mit einem Börsenwert von 153,9 Milliarden Euro ist BHP Billiton heute der wertvollste Rohstoffkonzern der Welt.
Der chinesische Rohstoffkonzern ist der zweitgrößte Kohleproduzent der Welt. Durch Übernahmen im Energiesektor ist der Börsenwert des größten asiatischen Rohstoffunternehmens auf 65,5 Milliarden Dollar angewachsen.
Gold, Diamanten, Platin - der britisch-südafrikanische Rohstoffkonzern hat sich vor allem auf edle Rohstoffe spezialisiert. Aber auch Kohle, Eisen und weitere Industriemetalle gehören zum Portfolio des Konzerns. Der Börsenwert beträgt rund 45 Milliarden Euro.
Durch die Mega-Fusion entstünde ein Branchenriese mit einer Marktkapitalisierung von mehr als 80 Milliarden Dollar. Gemeinsam könnten die Konzerne Handel und Förderung aus einer Hand anbieten. Das Unternehmen würde vom Rohstoffabbau über den Transport bis zum Verkauf von Bodenschätzen alles vereinen und über gewaltige Marktmacht verfügen.
Bond würde Chefkontrolleur und Sparringspartner des hartgesottenen Glencore-Chefs Ivan Glasenberg. Der südafrikanische Rohstoffhändler will in spätestens sechs Monaten die Leitung des neuen Konzernriesen mit Sitz im schweizerischen Zug übernehmen.
Ob Bond, der seinen Nachnamen mit dem berühmten Leinwandagenten teilt, gegenüber dem Mann vom Kap die nötige Härte zeigt, wird von Investoren allerdings bezweifelt: „Bond hat sich beim bisherigen Übernahmeprozess weder als besonders robust noch als besonders unabhängig erwiesen“, mäkelt David Trenchard, Vizechef der Fondsgesellschaft Knight Vinke, die zu den wichtigen Xstrata-Aktionären zählt.
Trümpfe in der Hinterhand
Kritische Investoren werfen Bond in wichtigen Punkten vor, nicht im Interesse der Anteilseigner gehandelt zu haben. So habe er bereits das erste, viel zu niedrige Übernahmeangebot von Glencore im Februar zur Annahme empfohlen. Erst massiver Druck des Xstrata-Großaktionärs Katar, der mit seinem Anteil von zwölf Prozent die Übernahme blockieren kann, brachte eine Aufbesserung. Mittlerweile bietet Glencore 3,05 eigene Aktien statt wie vorher 2,8 Anteilsscheine. Die Offerte ist damit rund 36 Milliarden US-Dollar wert.
Außerdem muss sich Bond vorwerfen lassen, großzügige Halteprämien für das Xstrata-Management in Gesamthöhe von 226 Millionen Dollar abgesegnet zu haben. Wäre es nach dem ursprünglichen Plan gegangen, hätte zum Beispiel der bisherige Xstrata-Chef Mick Davis zusätzlich 47 Millionen Dollar kassiert. Das ist nun vom Tisch, weil Glasenberg den Xstrata-Boss ablösen will.
Doch Sir John, wie Bond in Großbritannien respektvoll genannt wird, besitzt auch einige Trümpfe. Er hat viel Erfahrung im Umgang mit der Finanzszene der City und mit rebellischen Aktionären. Und er ist äußerst geschickt, wenn es gilt, hinter den Kulissen die Strippen zu ziehen. Von 2006 bis 2011 war er Aufsichtsratschef beim Mobilfunker Vodafone, wo es ihm gelang, mehrere heftige Aktionärsrevolten gegen den damaligen Vorstandsvorsitzenden Arun Sarin niederzuschlagen. Auch jetzt fand er eine pragmatische Lösung: Wenn die Xstrata-Aktionäre voraussichtlich im November über das Glencore-Angebot abstimmen, können sie unabhängig davon für oder gegen das üppige Prämienpaket votieren. Bond und seine Aufsichtsratskollegen haben den Anteilseignern in der vergangenen Woche empfohlen, der Übernahme zuzustimmen.
Legendenbildung
Bond bevorzugt leise Töne: „Megaphon-Diplomatie bringt nichts“, sagte er als HSBC-Chef zu Menschenrechtsverletzungen in China. Bei HSBC war er dafür berühmt, dass er sogar die Empfangsdamen beim Namen kannte. Als HSBC-Aufsichtsratschef ließ er einen Gebäudereiniger bei der Hauptversammlung zu Wort kommen und sorgte dafür, dass dieser und seine Kollegen später einen höheren Stundenlohn erhielten.
Gleichwohl ist Bond berüchtigt für seine Knausrigkeit. Bei HSBC pflegte er mit der U-Bahn ins Büro zu fahren und Economy zu fliegen. Bei großen Entscheidungen dagegen ging er in die Vollen. Bond war es, der aus HSBC durch Zukäufe im Wert von etwa 60 Milliarden Dollar einen der größten Finanzkonzerne der Welt schmiedete. Als Fehlinvestition gilt heute jedoch der Erwerb der US-Bank Households, die HSBC eine Menge Schrotthypotheken bescherte.
Nicht nur Bonds Karriere bei der HSBC, damals noch „Hongkong and Shanghai Banking Corporation“, wo er als 19-jähriger Lehrling in Großbritannien anfing, taugt zur Legendenbildung. Der Brite ist auch sonst durch und durch Abenteurer. Als Sohn eines Offiziers hatte er zwar ein teures privates Internat in Südengland besucht. Doch scheiterte er nach dem Abitur mit dem Versuch, einen Studienplatz an der Eliteuniversität Oxford zu ergattern.
Die Geschichte von Glencore
Marc Rich wurde 1934 als Marcell David Reich in Antwerpen geboren. 1974 gründete Rich im schweizerischen Zug seine Firma „Rich & Co.“, aus der später der Rohstoffriese Glencore hervorgeht. Das Rohstoffunternehmen konzentriert sich zunächst auf den Handel mit Eisen, Nicht-Eisen-Metallen und Erdöl.
Im Jahr 1983 wurde Marc Rich in den USA wegen Steuerhinterziehung, Falschaussage und Handel mit dem Iran angeklagt. Zu einem Prozess kam es allerdings nicht, weil Rich bereits vor der Anklageerhebung auf seine amerikanische Staatsbürgerschaft verzichtete und sich in Spanien einbürgern ließ.
Indem Rich - trotz eines internationalen Embargos - das südafrikanische Apartheid-Regime zwischen 1979 und 1993 mit mehr als 400 Milliarden Barrel Öl belieferte, hielt er es an der Macht. Der Profit für Richs Firmen wird auf zwei Milliarden Dollar geschätzt.
Mit der Zeit war Rich als Firmenchef untragbar geworden. Er stand unter anderem jahrelang auf der Liste der „Most Wanted“ des FBI. 1993 verkaufte Rich den Großteil der Firma an seine Manager und wurde damit indirekt aus dem Unternehmen gedrängt.
1994 wurde die Firma vom neuen Management umbenannt. Seit dem firmiert der Rohstoffhändler unter dem Namen Glencore (Global Energy Commodity and Resources).
Bereits 1982 war das Unternehmen in die Agrarwirtschaft eingestiegen. Nach und nach wurden die Geschäftsfelder durch Akquisitionen in Produktion, Verarbeitung und Handel mit Aluminium, Aluminiomoxid, Bauxit, Eisenlegierungen, Nickel, Zink, Kupfer, Blei, Kohle, Öl und Agrarprodukten ausgeweitet.
Seit dem Ausscheiden von Marc Rich befand sich das Unternehmen im Besitz des Managements. Die zwölf Personen der obersten Führungsetage waren zugleich die größten Anteilseigner.
Im Mai 2011 fand der IPO von Glencore statt. Der Börsengang in London und Hongkong brachte dem Unternehmen bis zu zwölf Milliarden Dollar ein. Damit war der IPO der größte Börsengang des Jahres 2011 sowie der größte Börsengang der London Stock Exchange aller Zeiten.
Glencore hält unter anderem Anteile an dem australischen Bergbaukonzern Minara Resources (Nickel) und Century Aluminium aus den USA. Auch an Xstrata hielt Glencore jahrelang 34,5 Prozent. Seit 2007 ist Glencore auch mit dem russischen Aluminium-Konzern Rusal verwoben.
Der Abenteurer
Stattdessen ging Bond ein Jahr als Austauschschüler nach Kalifornien. Weiter ging es nach Hongkong. Auf einem Hochseedampfer heuerte er als Schiffsjunge an und schrubbte das Deck, um sich die Reise zu finanzieren. Auf der Rückreise nach London auf einem anderen Luxusschiff verdingte er sich als Discjockey. Das ist über 50 Jahre her, aber auch heute hat sich Sir John einen Funken Abenteuerlust erhalten. Er liebt schwere Motorräder und träumt davon, mit seiner Frau auf einer Harley-Davidson die USA zu durchqueren.
Auch im knallharten Geschäft scherzt Sir John gerne. „Betreff: Everest“ waren seine vertraulichen internen E-Mails überschrieben, in denen es um die Glencore-Offerte für Xstrata ging. Er spielte damit auf das Jahr 2007 an, als er gemeinsam mit seinem Kumpel Simon Murray den Mount Everest bestiegen hatte.
Murray ist heute ebenfalls über 70 Jahre alt. Der Brite und Ex-Fremdenlegionär, der einst für die Franzosen in Algerien kämpfte und später als Banker und Unternehmer viele Jahre in Hongkong verbrachte, war kurz vor dem Börsengang im April 2011 Aufsichtsratschef von Glencore geworden. Vier Wochen zuvor hatte Bond seinen neuen Posten als Verwaltungsratschef bei Xstrata angetreten.
Beide Männer waren Nachfolger des Deutschen Willy Strothotte aus Borken im Münsterland, der vorher Chairman von Xstrata und Glencore gewesen war, aber aufgrund seiner hohen Glencore-Beteiligung vor dem Börsengang abtreten musste. Das Duo galt vergangenen Jahres wegen des hohen Alters als Übergangslösung.
Doch wenn, dann trifft das jetzt nur noch für einen zu. Wenn Glencore Xstrata schluckt, wird Murray seinen Job verlieren. Bond dagegen soll bleiben – um bei dem Weltmarktführer als eine Art Übervater für Kontinuität zu sorgen.