Brexit Tories suchen verzweifelt nach neuem Wirtschaftsmodell

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Theresa Mays Worten folgten keine Taten

Ihre eigene Zerstrittenheit beim Brexit versucht die Arbeiterpartei damit zu überspielen. Die Sozialisten unter Parteichef Jeremy Corbyn und Schatten-Finanzminister John McDonnell streben einen klaren Paradigmenwechsel an, vom wirtschaftsfreundlichen Kurs New Labours unter Tony Blair haben sie sich völlig losgesagt.

Erstmals seit Beginn der Thatcher-Ära im Jahr 1979 würde es unter einer Labour-Regierung eine radikale Neuorientierung in Großbritannien geben. McDonnell versucht zwar, durch ein betont seriöses Auftreten die verschreckten Unternehmen zu besänftigen. Doch politisch liegt er klar auf sozialistischem Linkskurs. So propagiert er die Verstaatlichung von Wasser, Strom- und Energiekonzernen, ebenso die privaten Eisenbahngesellschaften und die Post Royal Mail.

Die Partei verspricht zudem, den Mindestlohn branchenübergreifend auf zehn Pfund pro Stunde anzuheben. Unter Labour ginge ein Drittel aller Sitze im Aufsichtsrat an Arbeitnehmervertreter – erstmals gäbe es damit in Großbritannien eine echte betriebliche Mitbestimmung. Alle Firmen mit mehr als 250 Mitarbeitern würden ferner verpflichtet, zehn Prozent ihrer Anteile auf einen Belegschaftsfonds zu übertragen, aus dem dann die Belegschaft jedes Jahr eine Dividende von bis zu 500 Pfund je Mitarbeiter erhalten würden.

Alles was von dem zehn-Prozent-Anteil darüber hinaus an Dividendenausschüttung anfiele, ginge als Steuerzahlung an den Staat. Die zusätzlichen Mittel sollen ins staatliche Gesundheitswesen und in die Kommunen fließen und zur Finanzierung von Kindergartenplätzen verwendet werden. Letzteres dürfte bei den jüngeren Wählern ebenso populär sein wie der Vorschlag, die hohen Studiengebühren von 9250 Pfund im Jahr zu streichen.

Selbst Tory-Politiker räumen inzwischen ein, dass Labour mit seinen kontroversen Vorschlägen zur Reform des Kapitalismus wenigstens Initiative zeige. Die Konservativen dagegen wirken wie gelähmt. Dabei hatte Premierministerin Theresa May bei ihrem Amtsantritt im Juli 2016 versprochen, sie werde die Lehren aus dem Brexit-Referendum ziehen und ihre Politik künftig nicht mehr an den Eliten sondern an den Sorgen und Nöten der Briten ausrichten, die „gerade mal soeben über die Runden“ kämen.

Doch ihren Worten folgten keine Taten. So wurde einer ihrer Vorschläge, künftig Arbeitnehmervertreter und Verbraucher in die Aufsichtsräte zu schicken, stillschweigend kassiert, nachdem die Unternehmerverbände aufbegehrt hatten. Die meisten Banker und Unternehmer fürchten noch mehr als den Brexit, dass die Labour Party an die Macht kommen könnte. Zwar liegt die Arbeiterpartei in den Umfragen ein paar Prozentpunkte hinter den Tories zurück, was vermutlich an ihrem eigenen parteiinternen Streit um Antisemitismus liegt, der den ganzen Sommer tobte. Sollte May aber nach dem Parteitag gestürzt oder der Brexit-Schlamassel noch größer werden, dann sind Neuwahlen nicht ausgeschlossen.

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