Erst auf richtig unwegsamem Gelände ist das blaue Gefährt in seinem Element: In den tiefen Pfützen, auf den schlammigen Anstiegen und schräg hängenden Kurven des Motocross-Parcours in der Nähe des Münchner Flughafens bewegt es sich fast so sicher wie auf ebener Asphaltpiste. Es furcht durch knietiefen Morast und erklimmt selbst steilste Hügel. Das muss auch so sein: Das aCar, ein rein batteriebetriebenes Auto, ist speziell für den afrikanischen Markt konzipiert. Und in Afrika ähneln oft selbst Hauptstraßen dem Münchner Schlamm-Parcours mehr als der nahen A 92.
Während Autokonzerne wie Tesla, BMW oder Daimler sich einen milliardenteuren Wettlauf um die innovativste Technologie im Elektroauto liefern, setzen die beiden Entwickler Sascha Koberstaedt und Martin Šoltés, Doktoranden der Technischen Universität München (TUM), auf das exakte Gegenteil: einfachste, günstige Technik. Vor fünf Jahren fassten sie den ehrgeizigen Plan, ein eigenes Auto für Entwicklungs- und Schwellenländer zu entwickeln. Bisher setzen die Menschen dort abseits der stau- und abgasgeplagten Metropolen fast nur auf ausgemusterte, oft schrottreife Diesel und Benziner aus Europa und den USA. Oft sind diese Altautos wegen hoher Zölle auch noch exorbitant teuer.
Mangelnde Mobilität ist in Afrika ein Entwicklungshemmnis: Weil Menschen und Waren auf dem Land nicht schnell genug von A nach B kommen, vergammeln etwa Früchte auf dem Weg zum Markt, lassen Arbeiterinnen ihre Familie des Jobs wegen im Dorf zurück. Schon bald war den Ingenieuren klar: Es muss ein Elektroauto sein. Gut 40 Fahrzeugtypen testeten die Bayern auf ihre Afrikatauglichkeit. Und das Kleinlasterkonzept, das nun im aCar verwirklicht wurde, stellte sich bald als die beste Variante heraus, „weil es den Warenfluss in den Dörfern südlich der Sahara am besten in Bewegung bringt und helfen kann, die Landflucht einzudämmen“, sagt Koberstaedt.
Elektrisches Multitalent
Beim aCar handelt es sich um einen zweisitzigen Pritschenwagen, der extrem geländegängig ist und – trotz relativ kleiner Batterie – schwere Lasten transportieren kann. Der Pick-up kann in Minuten mit wenigen Handgriffen und ohne teures Spezialwerkzeug zum Beispiel zur Wasseraufbereitungsstation oder zur mobilen Arztpraxis umgebaut werden. Eine externe Stromversorgung kann eine Pumpe antreiben oder Impfstoffe kühlen. „In Afrika gibt es bei Weitem mehr zugängliche Steckdosen als Tankstellen“, sagt Markus Lienkamp, leitender Professor für Fahrzeugtechnik an der TUM.
Um die lokale Wirtschaft zu stärken, sollen zudem möglichst alle Komponenten des aCar in Afrika gefertigt werden. „Gussknoten und eine einfache geschraubte Bauweise ermöglichen eine simple Produktion mit niedrigen Investitionskosten“, erläutert Wolfram Volk, Leiter des Lehrstuhls für Umformtechnik und Gießereiwesen an der TUM. Das gesamte Auto besteht aus nur 200 Teilen und kommt in der Montage mit zwei Fertigungsschritten aus: schweißen und schrauben.
Viel wird beim aCar in Handarbeit gefertigt. Das soll, anders als bei den Elektroautos von Tesla, Daimler oder BMW, auch unbedingt so bleiben: Es erspart zum einen teure Fertigungsmaschinen und bringt zum anderen viele Menschen in Afrika in Arbeit. Die dortigen niedrigen Arbeitskosten machen es möglich. Bevor das aCar aber in Afrika produziert werden kann, müssen die technischen Abläufe in einer Modellfabrik in Niederbayern optimiert werden. „Dann können wir Menschen aus Afrika hier schulen, die wiederum ihr Wissen dann später vor Ort weitergeben“, sagt Koberstaedt.