Freytags-Frage

Welche Zukunft hat der Welthandel?

Seite 2/2

Das Ende der regelbasierten Handelsbeziehungen?

Es wurde aber auch offenkundig, dass die WTO reformiert werden muss, wenn das regelbasierte System des Welthandels eine Zukunft haben soll. Nicht erst seit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten äußern die USA Unzufriedenheit mit dem gegenwärtigen System des Welthandels; Kritik daran begann bereits unter Präsident Bush und setzte sich unter der Obama-Administration fort. Dabei scheint das Streitschlichtungsverfahren ein wesentlicher, wenn nicht der zentrale Kritikpunkt zu sein. Die USA nutzen das System regelmäßig, zeigen sich aber unzufrieden mit den Ergebnissen, wenn sie selber verklagt werden und gar verlieren. Konsequenterweise blockieren die USA die Ernennung weiterer Mitglieder des zentralen Streitschlichtungsgremiums, des sogenannten Appellate Body, der eigentlich sieben Mitglieder umfasst, zur Zeit nur noch drei Mitglieder hat und bei Ausscheiden eines weiteren Mitglieds arbeitsunfähig wäre.

Dies wäre eine dramatische Abkehr vom regelbasierten System, denn wenn die Regeln nicht eingehalten beziehungsweise durchgesetzt werden, sind sie nutzlos! Aber nicht nur das Streitschlichtungsverfahren ist ein Streitpunkt. Eigentlich muss es auch nicht sehr stark reformiert werden, weil es im Grundsatz einer klaren Logik folgt und recht erfolgreich funktioniert hat.

Reformbedürftig ist vielmehr der Entscheidungsprozess. Denn sämtliche Initiativen zur weiteren Liberalisierung bzw. Durchsetzung der Regeln müssen von den Mitgliedstaaten ausgehen, das WTO-Sekretariat hat wenig Entscheidungsmöglichkeiten; der Prozess ist mitgliedergetrieben.

Außerdem gilt das Konsensprinzip, das fordert, dass alle Entscheidungen einstimmig getroffen werden und sämtliche Mitglieder nahezu sämtliche Verträge und Absprachen umsetzen („Single Undertaking“). Dieses Prinzip gibt jedem Mitgliedsland ein Vetorecht und hat so zum Stillstand zum Beispiel in der Doha-Runde geführt. Angesichts der Komplexität heutiger Handelsregeln und der Diversität der WTO-Mitglieder ist es heute nicht mehr zeitgemäß.

Nicht zuletzt deshalb haben Kanada und die Europäische Union (EU) Vorschläge zur Reform der WTO erarbeitet, die sich auch an der amerikanischen Kritik orientieren. Auch nicht-staatliche Akteure aus Zivilgesellschaft und Wissenschaft legen Reformvorschläge vor, so zum Beispiel die Bertelsmann-Stiftung.

Es wird jetzt notwendig sein, auf Basis solcher Vorschläge eine Reform der WTO zu erarbeiten. Es kann durchaus sein, dass einzelne Akteure wie Präsident Trump sich dagegenstellen, weil es innenpolitisch opportun erscheint. In diesem Fall droht sogar der Kollaps der WTO, der nur dadurch verhindert werden kann, dass im extremen Fall des Rückzugs der USA aus der WTO bzw. dem Reformprozess die anderen großen Länder wie Japan, die EU und China Rückgrat zeigen und den Reformprozess voranbringen. Die Bereitschaft dazu scheint vorhanden zu sein, auch und vor allem unter den Schwellen- und Entwicklungsländern.

Dies ist wichtig und notwendig. Denn die Welt kann sich das Ende der regelbasierten Handelsbeziehungen nicht leisten. Das gilt übrigens auch für die USA, die sehr stark in die Weltwirtschaft integriert sind und durch hohe Zölle und nicht-tarifäre Barrieren den Zugang zu globalen Wertschöpfungsketten riskieren würde. Das wissen viele Handelspolitiker der USA, was wiederum Hoffnung macht, dass sich auch im Weißen Haus am Ende Vernunft durchsetzen wird.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%