Trumps Wirtschaftsbilanz Ist Amerika wirklich „great again“?

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Gewinner und Verlierer

Abzusehen war dies für viele Beobachter nicht. Mit welchem „Zauberstab“ Trump Industriearbeitsplätze zurück in die USA bringen wolle, spottete der damalige US-Präsident Barack Obama im Wahlkampf. Eine Antwort erhielt er nicht. Heute spielen konservative Medien den zwei Jahre alten Clip in ihren Sendungen rauf und runter. Auch der Präsident selbst schaltete sich ein. „Vermutlich habe ich doch einen Zauberstab“, lobte er sich auf Twitter.

Für Unternehmer Moretti hat der Aufschwung nichts Magisches. Es sei schlicht die Deregulierungspolitik in Washington, die seiner Firma neuen Schwung verleihe. Seit Jahren litt die Wirtschaft in West Virginia unter dem Siechtum der für den Bundesstaat wichtigen Kohleindustrie. Unter Obama verhängte die Umweltbehörde EPA strenge Grenzwerte und Auflagen – im Namen des Klimaschutzes. Das machte Kohle als Energieträger zunehmend unattraktiv, viele Förderbetriebe schrumpften oder schlossen. Trump nahm die Regelungen zurück. Gleichzeitig stieg der Weltmarktpreis für Kohle aufgrund von Lieferengpässen in China. Plötzlich stellen die Minen in West Virginia wieder Arbeiter ein.

Für Moretti eine gute Nachricht: „Nach zehn Jahren der Krise und der Sorgen geht es für uns endlich nach oben.“ Statt leerer Auftragsbücher hat er jetzt ein anderes Problem: Er muss qualifizierte Arbeitskräfte finden. „Die Löhne haben zuletzt stark angezogen. Das macht es mir nicht leichter.“ Für die Region sei das natürlich gut. Schließlich ist es lange her, dass im strukturschwachen West Virginia, wo Trump 2016 fast 70 Prozent der Stimmen holte, die Arbeitskräfte knapp wurden – und nicht die Arbeit.

Gewinner und Verlierer

Neben der Deregulierungspolitik der Regierung beflügeln auch die Strafzölle des Präsidenten auf Aluminium- und Stahlimporte, zumindest in Teilen der Industrie, die Laune. So steigerte der Stahlriese US Steel seinen Gewinn im zweiten Quartal um 38 Prozent. Aufs Jahr gerechnet, will das Unternehmen ihn sogar verdreifachen. Die Firma eröffnete daher neue Standorte.

Doch Trumps Kurs produziert auch Verlierer. Zwar schützen die Stahl- und Aluminiumzölle die heimischen Produzenten dieser Metalle. Den Firmen, die sie verarbeiten, machen die Abgaben das Leben hingegen schwerer: Ihre Kosten steigen.

Mittelfristig könnte das für Trump zu einem gravierenden Problem werden. Denn während Stahl- und Aluminiumproduzenten nur etwas mehr als 300.000 Arbeitsplätze in den USA stellen, hängen rund 6,5 Millionen Jobs an Unternehmen, die Metalle verarbeiten. Diese seien durch die Zölle akut gefährdet, warnt die Coalition of American Metal Manufacturers and Users, ein Zusammenschluss von Industrieunternehmen und Verbänden.

Die ersten negativen Auswirkungen von Trumps Handelspolitik sind bereits sichtbar. Im US-Bundesstaat Missouri etwa kämpft der größte Nagelhersteller der Vereinigten Staaten, Mid Continent Nail, ums Überleben. Durch die Zölle kann der mexikanische Mutterkonzern die Fabrik nicht mehr mit preiswertem Stahl versorgen, so Chris Pratt, der Geschäftsführer der Firma. Das Unternehmen sei nicht in der Lage, die Zusatzkosten auszugleichen. Bereits im Juni mussten 150 der ursprünglich 500 Mitarbeiter gehen. Auch für den Rest könnte es bald ernst werden. „Wenn wir jetzt nicht schnell entlastet werden, könnte es sein, dass wir vor Ende des Monats die Fabrik schließen müssen“, so Pratt.

Landwirtschaft leidet unter Zöllen

Auch für die Landwirtschaft werden die Zölle zum Problem. Seitdem China amerikanische Sojabohnen als Vergeltung für US-Zölle mit einer Einfuhrabgabe von 25 Prozent belegte, geht auf den Bauernhöfen im Mittleren Westen die Angst um. Der Sojaexport werde im kommenden Jahr um rund elf Prozent niedriger ausfallen als erwartet, prognostiziert das US-Landwirtschaftsministerium. Die Ausfuhr von Weizen brach im ersten Halbjahr 2018 um mehr als 20 Prozent ein. Die Lage ist so schlecht, dass die Regierung jüngst ein Notprogramm in Höhe von zwölf Milliarden US-Dollar auflegte, um die Folgen des Handelskriegs für die US-Bauern abzufedern.

Das Risiko, dass Stützungsaktionen auch in anderen Bereichen nötig werden, wächst in dem Maße, in dem sich die Protektionismusspirale weiterdreht. Seit Anfang der Woche gelten für Importe aus China im Wert von weiteren 200 Milliarden Dollar Strafzölle von 10 Prozent, Anfang nächsten Jahres soll der Satz auf 25 Prozent steigen. Im Gegenzug verteuert China Einfuhren aus Amerika im Wert von 60 Milliarden Dollar mit eigenen Strafzöllen.

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