Great Wall Motor Chinesen greifen nach Fiat Chrysler

Great Wall, der größte SUV-Hersteller Chinas, erwägt den Kauf von Fiat Chrysler. Auto-Milliardär Wei Jianjun will so Audi, BMW und Mercedes herausfordern. Doch seine internationale Expansion könnte ausgebremst werden.

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Wei Jianjun, Gründer und Vorstandschef von Great Wall Motors Quelle: AP

Der chinesische Autohersteller Great Wall Motors ist an einer Übernahme von Fiat Chrysler (FCA) interessiert. „Wir haben großes Interesse an Fiat Chrysler. Aber wir haben uns noch nicht entschieden, ob wir ein Kaufangebot für die gesamte Gruppe oder nur für die Marke Jeep machen werden“, sagte eine Sprecherin des chinesische Unternehmens am Montag dem Handelsblatt.

FCA ist seit längerer Zeit auf der Suche nach einem Partner oder Käufer. Der siebtgrößte Autobauer der Welt hat Probleme, bei der Entwicklung neuer Technologien in der Branche mitzuhalten. Volkswagen und General Motors hatten öffentliches Werben von FCA-Chef Sergio Marchionne jedoch zurückgewiesen. Fiat-Aktien legten an der Mailänder Börse um rund fünf Prozent auf den höchsten Stand seit 19 Jahren zu.

Great Wall genießt in China einen Sonderstatus. Seit 14 Jahren rangiert die Firma auf dem Spitzenplatz der SUV-Hersteller. Der Gründer und Chairman Wei Jianjun ist ein sehr selbstbewusster Unternehmer. Das Geschäft auf dem weltgrößten Automarkt in seinem Heimatland reicht ihm nicht mehr. Auf der Automesse in Schanghai kündigte er an, seine Firma werde bis zum Jahr 2020 zum weltweit führenden SUV-Hersteller aufsteigen – und an Jeep und Jaguar Land Rover vorbeiziehen. Dazu kreierte das Unternehmen eigens die für das internationale Geschäft geschaffene Marke Wey.

Auch in China boomen SUV

Doch die Aufholjagd stockt. Die neue Marke, die eigentlich zum Sprint ansetzen sollte, kommt bisher kaum aus dem Startblock. Zur Vorlage der Halbjahreszahlen konnte Great Wall nur den Absatz von 3166 Einheiten seines Wey-SUV VV7 bekanntgeben. Dabei hatte Wey den Absatzrückgang bei den führenden Great-Wall-Modellen in China ausgleichen sollen. Das Spitzenmodell Haval H6 macht immer noch rund die Hälfte des Absatzes der Firma aus. Doch in den ersten sieben Monaten dieses Jahres gingen die Verkäufe des einstigen Spitzenmodells um 5,5 Prozent auf rund 264.000 Einheiten zurück.

Schlimmer noch: Der Gewinn der Gruppe geht zurück. Im Laufe dieser Woche sollen die abschließenden Zahlen vorgelegt werden. Der Gewinnrückgang werde 79 Prozent im Jahresvergleich ausmachen, war die Erwartung von Bloomberg befragten Analysten. Wei braucht die internationale Expansion dringender denn je.

Daher könnte Great Wall großes Interesse haben, seinen internationalen Marktanteil insbesondere mit der Übernahme der Marke Jeep aufwerten zu wollen. „Eine erfolgreiche Übernahme ist dennoch sehr unwahrscheinlich“, sagte Zhong Shi, Chefredakteur des Fachmagazins AutorR. Wei Jianjun würde schlicht das Geld fehlen, sich eine so kostspiele Übernahme leisten zu können, vermutete Zhong.

Jeep wird als international erfolgreiche Marke von Morgan Stanley auf einen Wert von etwa 20,6 Milliarden Euro geschätzt. Mit einem Kauf von Jeep würde sich Great Wall daher übernehmen, warte Zhong.

Beim Mutterkonzern FCA sieht das anders aus: Trotz der jüngsten Kurszuwächse ist der weltweit siebtgrößte Autohersteller an der Börse ein Leichtgewicht – und kommt auf einen Marktwert von gerade einmal 16,8 Milliarden Euro. „FCA hat heute nicht die Dimension, um auf dem Automarkt, der einem großen Wandel unterworfen ist, präsent zu bleiben“, sagt Autoexperte Giuseppe Berta von der Mailänder Wirtschaftsuniversität Bocconi.

Lange flirtete FCA-Chef Marchionne darum öffentlich mit US-Konkurrent General Motors, doch GM-Chefin Mary Barra erteilte den italienischen Avancen eine Absage. Auch, Gerüchte eine Übernahme durch um Volkswagen wurden dementiert. Zu den chinesischen Übernahmegerüchten hüllt sich der sonst so redselige FCA-Chef Sergio Marchionne dagegen in Schweigen. Vor Analysten hatte er im April offen darüber nachgedacht, dass ein Spin-Off der FCA-Marke Jeep möglich sei, berichteten zuletzt italienische Medien.

„FCA ist in der Warteschleife“, so der italienische Branchenexperte Berta, „entweder kommt doch noch eine Fusion mit einem anderen Autokonzern zustande - oder es werden Konzernteile abgetrennt“. Im Markenreich der Italiener befinden sich international attraktive Marken – neben Jeep auch die US-Pickup-Marke Ram, sowie Alfa Romeo und Maserati.

Marchionne will Fünfjahresplan vorlegen

Fraglich ist aber, ob die Italiener Jeep abgeben. Denn die weltbekannte Geländewagenmarke aus den USA hat sich in den vergangenen Jahren als Lebensversicherung für den italienisch-amerikanischen Konzern erwiesen. Während die Premiumstrategie mit Maserati und Alfa Romeo bislang noch nicht aufgeht, steigt der Absatz von Jeep seit Jahren mit deutlich zweistelligen Raten – und erwirtschaften dabei große Teile des Gewinns von FCA. Ohne diesen Gewinnbringer wäre der Konzern krisenanfälliger.

Es gäbe darum überhaupt keine Eile, schreibt ein Analyst, schließlich sei bei der Marke Jeep im letzten Quartal die Rentabilität um 6,7 Prozent gestiegen. „Es scheint eher unwahrscheinlich, dass FCA auf ein Schlüsselprodukt für die Zukunft verzichten will.“ Die Marke Jeep sei sicher eine der bekanntesten und diejenige, die der Gruppe künftig am meisten Gewinn bringen könne, das sei die übereinstimmende Meinung vieler Experten. Nicht umsonst bemühte sich FCA, die Berichte über eine Übernahme durch Great Wall prompt zu dementieren.

Die offizielle Antwort an die Chinesen kam am Montag aus London, dem Firmensitz des italienisch-amerikanischen Autokonzerns FCA. „Fiat Chrysler Automobiles präzisiert heute, dass es nicht von Great Wall Motors angesprochen worden ist, was die Marke Jeep und andere Geschäftsfelder betrifft“, ließ der Konzern in einem sechszeiligen Kommuniqué mitteilen. Auch diesmal kein Kommentar von FCA, wie schon vor einer Woche, als zum ersten Mal Gerüchte von chinesischen Übernahmeplänen aufkamen.

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Internationale Automobil Ausstellung IAA Quelle: dpa
Internationale Automobil Ausstellung IAA Quelle: REUTERS
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Auch bei den Aufsichtsbehörden könnte eine Übernahme der amerikanischen Geländewagenmarke oder gar des Mutterkonzerns FCA auf Skepsis stoßen. Der Staatsrat in Peking hatte vergangene Woche einen strengen Katalog für Auslandsinvestitionen aufgelegt. Und der US-Ausschuss für Auslandsinvestitionen (CFIUS) hatte zuletzt einige Übernahmen amerikanischer Unternehmen durch chinesische Firmen verzögert oder untersagt.

Für Anfang 2018 wird der neue Fünfjahresplan von FCA erwartet. Ein Jahr später will Konzernlenker Marchionne die Italiener verlassen, wie FCA-Präsident John Elkann aus der Agnelli-Familie bestätigt hat. Die Presse in Italien bescheinigt seinem Management uneingeschränktes Lob: „Seine Stärke liegt darin, dass er die Schulden reduziert hat, die Marge erhöht hat, die Produktpalette erweitert und FCA auf alle Märkte von den USA über Europa bis Südamerika gebracht hat“, so Wirtschaftsjournalist Franco Locatelli.

Mit welchem Partner FCA in die Zukunft geht, dürfte Marchionne allerdings noch mitentscheiden. Neben den jüngsten Kaufgerüchten aus China wird in Industriekreisen auch eine Partnerschaft mit General Motors weiter heiß diskutiert.

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