Paul und Hans Riegel waren zwei ungleiche Geschwister. Paul ein Familienmensch, zurückhaltend, öffentlichkeitsscheu. Der große Tüftler und Erfinder der Lakritzschnecken-Wickelmaschine. Hans immer im Mittelpunkt – und ewiger Junggeselle. Zu seinen Lebzeiten verantwortete Paul Riegel die Produktion, Hans Riegel den Rest: Finanzen, Vertrieb, Marketing. Und er war das Gesicht von Haribo, bei ihm liefen die Fäden zusammen. Hans, der knallharte Geschäftsmann mit einer kindlichen Freude am Experiment. Hatte er ein neues Produkt ausgeheckt, ließ er es im betriebseigenen Kindergarten testen.
Und Hans Riegel war stur. Mehr als 60 Jahre stand er an der Spitze des Unternehmens, entschied allein über Wohl und Weh. Ruhestand kam für ihn nicht infrage. Dabei drängte sich die Nachfolgefrage immer mehr auf. Schließlich war Hans kinderlos, anders als sein Bruder und Mitinhaber Paul, der seine Anteile gleich auf vier Kinder aufteilte.
Jahrelang schwelte zwischen den Familienstämmen ein Nachfolgestreit, der erst nach dem Tod von Paul Riegel und mit der Hilfe von Anwälten beigelegt werden konnte. Heute sorgen eine Stiftung und eine Holding dafür, dass Haribo in der Familie bleibt. „Für Unternehmen mit solch patriarchalischen Strukturen ist die Nachfolge ein heikles Thema“, sagt Arist von Schlippe, Professor für Unternehmensführung an der Uni Witten-Herdecke. Wo sich vorher die Entscheidungen auf einen Einzelnen konzentrierten, müssten auf einmal viele Verantwortung übernehmen. Oft herrsche in dieser postpatriarchalen Phase Orientierungslosigkeit.
Herr Phiesel, Sie sind seit 25 Jahren bei Haribo und haben sehr eng mit dem vor einem Jahr verstorbenen Hans Riegel zusammengearbeitet, der in der Öffentlichkeit als Mister Haribo bekannt war. Was für eine Persönlichkeit war er?
Phiesel: Herr Dr. Riegel war ein herausragender Unternehmer. Sein Leben und das Unternehmen, das war für ihn eins. Er hat alles dem Erfolg untergeordnet. Und er hatte Mut zu Entscheidungen, auch zu solchen, die man in keinem Lehrbuch findet.
Er soll sich zum Beispiel Anfang der Fünfzigerjahre bei der Sparkasse Bonn mit der Bedienung eines Kredits wenige Tage verspätet haben. Daraufhin marschierten Mitarbeiter der Sparkasse ins Werk und pfändeten Zuckersäcke. Ihr Onkel soll seitdem nie wieder einen Bankkredit aufgenommen haben?
Riegel: Ja, eine sehr weise Entscheidung.
Die noch heute gilt?
Riegel: Aber zu 100 Prozent.
Haribo hat also auch heute keine Kredite bei Banken?
Phiesel: Nein. Wir können unsere Investitionsentscheidungen am Geschäft orientiert selbst treffen. Das ist ein Riesenvorteil. Vor der Finanzkrise kamen ständig Banker auf uns zu und hielten uns vor, wir würden eine falsche Bilanzpolitik betreiben und sollten doch mehr Fremdkapital aufnehmen. Nach der Finanzkrise kam niemand mehr.
Riegel: Aber die Zeiten haben sich geändert. Heute nimmt man ja keine Kredite mehr auf, heute begibt man Anleihen...
So wie Ihr Konkurrent Katjes? Nachdem einige Papiere geplatzt sind, gilt das Segment der Mittelstandsanleihen eher als unseriös. Es wird also keine Haribo-Anleihe geben?
Riegel: Korrekt.
Bei Haribo stehen Investitionen für mehr als 500 Millionen Euro an: der Bau einer neuen Zentrale samt Produktion und Logistikzentrum im rheinland-pfälzischen Grafschaft und eine neue Fabrik in Großbritannien. Das bezahlen Sie alles aus der eigenen Kasse?