Haier-Chef Zhang Ruimin „Die Firma der Zukunft hat keine Angestellten mehr“

Zhang Ruimin, Chairman des chinesischen Konzerns Haier, machte aus einer maroden Kühlschrankfabrik ein Weltunternehmen. Jetzt führt er die Firma mit radikalen Managementideen ins digitale Zeitalter.

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Haier-Chef Ruimin Zhang. Quelle: Eric Leleu für WirtschaftsWoche

Der Vorschlaghammer hat Zhang Ruimin zur Legende gemacht. Kurz nachdem der unternehmerische Autodidakt 1984 die Leitung einer fast bankrotten staatlichen Kühlschrankfabrik übernommen hatte, beschwerten sich Kunden über die miese Qualität.

Zhang griff zum Hammer, zertrümmerte das gescholtene Gerät und forderte seine Leute auf, das Gleiche zu tun. 76 mangelhafte Kühlschränke wurden demoliert – das waren damals die Ergebnisse von drei Tagen harter Produktionsarbeit.

Nicht nur dieser drastische Einstieg hatte Folgen: Die Qualität stieg auch, weil die Chinesen unter Zhangs Führung ein Joint Venture mit dem deutschen Unternehmen Liebherr eingingen. Auf Chinesisch heißen die Deutschen Li-Bo-Hai-Er, der Name des Gemeinschaftsunternehmens lautete „Qingdao Refrigerator Libohaier“. 1992 beschloss Zhang den Namen radikal auf Haier zu verkürzen. Heute ist der Konzern Weltmarktführer für Haushaltsgroßgeräte.

Der Reformator

Die Haier-Stadt

Wie kein anderes Unternehmen hat Haier die ostchinesische Hafenstadt Qingdao geprägt. Wo von 1897 bis 1914 der deutsche Gouverneur von Tsingtao wohnte, wie die Stadt damals hieß, ist heute ein Hotel, in dem junge chinesische Paare ihre Hochzeit feiern.

Unten im „Ratskeller“ gibt es Käsekrainer mit Sauerkraut, und vor allem das beliebteste Bier Chinas, Tsingtao. Die Brauerei wurde 1903 von Deutschen gegründet. Das Gebäude liegt auf einem Hügel, von dem der Blick auf die Bucht von Jiaozhou fällt, auf Häuser aus der Gründerzeit und schließlich auf die Skyline der modernen Neun-Millionen-Stadt Qingdao. Von hier aus sind es eine Stunde Autofahrt zum Haier-Hauptquartier.

Man fährt auf einem „Haier-Highway“ zu einem gewaltigen Haier-Fabrikgelände, und besichtigt dort schließlich ein Haier-Museum. Eine Frau in grauer Uniform und lila Halstuch zeigt eben jenen Hammer, mit dem Chef Zhang vor 30 Jahren einen Kühlschrank zertrümmerte, und stellt ein voll-digitalisiertes „Haier Apartment“ vor, die Wohnung der Zukunft.

Der Haier-Macher

Zhangs Karriere ist ungewöhnlich: Als er die Leitung von Haier im Alter von 35 Jahren übernahm, hatte er weder studiert noch sonst irgendwelche Führungsqualitäten erworben. Während seiner Jugend tobte die Kulturrevolution. Das Geistesleben Chinas stand für mehrere Jahre still, Schulen und Universitäten waren geschlossen, die Menschen zur Fabrik- und Feldarbeit verdonnert.

Als eine seiner ersten Amtshandlungen erließ Zhang eine Liste von 13 Regeln, die heute im Haier-Museum hängen. Eine davon untersagt das Urinieren und Defäkieren innerhalb der Fabrik.

1999 ist die Firma Marktführer für Kühlschränke China. Dann beginnt Haiers Expansion: Ende der 1990er Jahre produziert das Unternehmen auch Computer und Telefone. Haier baut Werke in Indonesien, Malaysia und den Philippinen. In den USA konzentriert sich Zhang anfangs auf zwei Nischen: elektronische Weinkühler und Mini-Kühlschränke, um die Marke bekannt zu machen. Im Jahr 2000 dringt Haier auf den klassischen US-Kühlschrankmarkt vor. 2008 sind die Chinesen der größte Kühlschrank-Fabrikant der Welt.

Heute beschäftigt das Unternehmen mehr als 70.000 Mitarbeiter in mehreren Dutzend Ländern. Der Umsatz der Gruppe lag 2014 bei 32 Milliarden Dollar, der Gewinn bei 2,4 Milliarden Dollar. Trotzdem ist Haier noch immer in staatlicher Hand. Die genaue Eigentümerstruktur ist nicht transparent. Nur zwei Tochterunternehmen sind an der Börse in Shanghai und Hongkong notiert.

Industrial Internet, Advanced Manufacturing und Vernetzung sind die Faktoren, die die Zukunft der Arbeit bestimmen.

Der als Philosoph unter den CEOs geltende Arbeitersohn Zhang setzt bei Mitarbeitern seit Jahren auf eigenständiges Denken, Kreativität und Freiheit – ungewöhnlich für Chinas streng hierarchisch organisierte Unternehmenswelt. Mit sich selbst steuernden Einheiten, den Zi Zhu Jing Ying Ti-Teams, will der 66-jährige Zhang das Unternehmen nun für die digitalen Umwälzungen fit machen. Die ZZJYI sind für Gewinn und Verlust verantwortlich und funktionieren wie Inkubatoren für Startups. Mitarbeiter sollen auf Kunden, nicht auf Chefs hören. Wer eine gute Idee hat, kann schnell aufsteigen und eine Firma in der Firma gründen.

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