Wirtschaftswoche: Herr Zhang, wie sieht Ihre Strategie für das digitale Zeitalter aus?
Zhang: In der klassischen Produktion – Planung, Herstellung, Auslieferung – sind wir die Nummer eins. Jetzt aber beginnt eine neue Ära. Wir haben bereits „Online“-Fabriken, die praktisch voll automatisiert sind. Die Kunden können bald mit ihrem Smartphone den Prozess verfolgen und ihr Design auswählen. Und wir wollen sie von Anfang an in die Entwicklung neuer Produkte einbinden und so direkt auf Bedürfnisse reagieren.
Qualifizierte Mitarbeiter in China zu finden und zu halten ist schwierig. Wie gehen Sie damit um?
Die traditionelle Personalführung beinhaltet vier Schritte: Leute auswählen, trainieren und fördern, einsetzen und schließlich halten. Heute funktioniert das anders. Unsere Mitarbeiter der Zukunft arbeiten mit uns auf Vertragsbasis. In Zukunft gibt es nur noch Plattform-Inhaber, Unternehmer und Mikrounternehmer. Unsere fünf Forschungszentren weltweit funktionieren heute schon wie Plattformen, auf denen Unternehmer zusammenarbeiten. Die Firma der Zukunft hat keine Angestellten mehr.
Wie sieht das konkret aus?
Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Einigen unserer Mitarbeiter ist aufgefallen, dass schwangere Frauen am liebsten im Liegen fernsehen. Als sie ihre Idee vorstellten, haben wir sie freigestellt, damit sie sich diesem Projekt widmen konnten. Sie knüpften Kontakte zu einer chinesischen und einer amerikanischen Firma und fanden einen Weg, dieses Problem technisch zu lösen – das Bild wird mit einem Miniprojektor an die Decke gebeamt. Das nenne ich ein „Mikrounternehmen“, das einen Nischenmarkt besetzt hat. Wir wollen, dass unsere Mitarbeiter Unternehmen im Unternehmen gründen.
Nicht alle Menschen wollen ständig kreativ sein.
Ja, diese Umstrukturierung ist mit Hindernissen verbunden. Aber fehlender Unternehmergeist ist der Hauptgrund, weshalb Konzerne schließlich verfallen.
Wie ändern Sie das?
Die Leiter motivieren ihre Mitarbeiter, selbstständig und kreativ zu denken. Sie stellen ihnen die Ressourcen in Form von Zeit, Geld und Weiterbildung zur Verfügung. Wir haben dafür sogar eine Art Venture Capital im Unternehmen.
Diese „Unternehmer“ verdienen dann auch mehr?
Sie erhalten eine Gewinnbeteiligung, ja. Wenn ein Team dagegen nichts leistet, wird es nach einiger Zeit aufgelöst. Die Leute sollen Gelegenheiten im Markt erkennen können und diese nutzen. Das Management soll eigentlich nur noch die Möglichkeiten dafür bereitstellen. Der Philosoph Laotse sagte vor 2000 Jahren: „Gute Führung ist eine, die Menschen nicht spüren.“ Ehrlich gesagt, wissen wir noch nicht, ob es funktionieren wird. Das ist ein Experiment.
Was ist der Grund für solche Experimente?
Als ich vor 30 Jahren dieses Unternehmen übernahm, war es fast pleite. Bei der Sanierung habe ich festgestellt: Technik ist wichtig, aber den tatsächlichen Unterschied machen die Menschen. Deshalb stellen wir sie bei Haier in den Vordergrund. Der deutsche Philosoph Immanuel Kant sagte, dass Menschen nie bloße Mittel, sondern immer auch Zweck an sich sind.
Welche weiteren Denker schätzen Sie?
Managementguru Peter Drucker hat mich tief beeindruckt: Er sagt, dass ein Unternehmen Wert durch seine Kunden erhält und Mitarbeiter nicht Umsetzer, sondern Entscheider sind. Beim Thema Internet, und wie es die Wirtschaftsprozesse verändert, hat mich besonders Chris Anderson und seine Theorie über den „Long Tail“ geprägt, wonach durch das Web immer mehr Nischenprodukte Abnehmer finden. Aus Deutschland schätze ich Schopenhauer.
Warum?
Weil er die menschliche Natur so gut erkannt hat. Begierden werden befriedigt, ein Gefühl der Leere tritt auf, und so geht der Kreislauf weiter. Mitarbeiter wollen mehr Gehalt. Doch was passiert danach?
Sie wuchsen während der Kulturrevolution auf, einer der turbulentesten und grausamsten Perioden der chinesischen Geschichte. Wie hat Sie diese Zeit geprägt?
Alles, was ich lernen wollte, musste ich mir selbst beibringen. Dadurch kann ich mich in die Situation der Arbeiter hineinversetzen. Das fehlt vielen Managern.