Halbleitermangel Warum die Chipkrise vor allem die Zulieferer trifft

Wie der Chipmangel die Auto-Zulieferer trifft. Quelle: dpa Picture-Alliance

Die Chipkrise löst eine gefährliche Kettenreaktion in der Autoindustrie aus. Hersteller leiden unter dem Halbleitermangel, aber die größten Probleme laufen bei den Zulieferern auf. Droht eine handfeste Branchenkrise?

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Der Mangel an Halbleitern und anderer Bauteile weitet sich aus. So können etwa die Hersteller von LKWs nicht alle Fahrzeuge wie geplant ausliefern. Zuletzt verkündete etwa Traton, dass anhaltende Lieferengpässe bei Halbleitern und weiteren wichtigen Zulieferteilen seit Ende August zu einem verringerten Absatzvolumen führten. Zu Traton gehören große Marken wie Scania, MAN oder Volkswagen Caminhões e Ônibus. Traton gehört zu den weltweit führenden Nutzfahrzeugherstellern. 

Es ist schon extrem: Um lange Wartezeiten der Kunden zu vermeiden, werden zum Teil fehlende Steuergeräte aus fertig produzierten, aber noch nicht verkauften Fahrzeugen ausgebaut und in bestellte Fahrzeuge eingebaut. Den Mangel an Halbleitern verschärft hat zuletzt einmal mehr Corona. Denn der Anstieg der Infektionszahlen in Malaysia und der sich anschließende Lockdown führte zu weiteren Fabrikschließungen in der Chipindustrie. 

Auch die Autobauer weiten Gegenmaßnahmen wie Kurzarbeit aus. Die Berater von AlixPartners haben jetzt ausgerechnet, dass im Jahr 2021 weltweit insgesamt 7,7 Millionen Fahrzeuge weniger produziert werden dürften. Das entspricht Fahrzeugen im Wert von 210 Milliarden US-Dollar (179 Milliarden Euro). 

Zulieferer senken den Ausblick

Der Umsatz und damit auch der Gewinn geht jedoch vor allem den Zulieferern verloren. Während die Autobauer die Bauteile noch auf die margenstärkeren Autos umlenken und im ersten Halbjahr satte Gewinne einfuhren, schauen die Lieferanten in die Röhre. Denn wenn die Autowerke stehen, dann können selbst Zulieferer wie Schaeffler ihre Bauteile nicht liefern, obwohl sie kaum welche mit Halbleitern fertigen. „Uns betrifft der Halbleitermangel eher indirekt“, sagte Schaefflerchef Klaus Rosenfeld der WirtschaftsWoche dazu kürzlich. Denn Halbleiter spielten im Einkauf im Vergleich zu anderen Unternehmen „nur eine untergeordnete Rolle“. Aber es treffe Schaeffler „trotzdem, wenn die großen Autobauer nicht produzieren können, weil sie ihre Chips nicht kriegen. Dann setzen auch wir unsere Produkte nicht ab. Anfang des Jahres planten wir damit, dass weltweit 85 Millionen Autos produziert werden – jetzt sind es weniger als 80 Millionen.“ Das Problem Halbleitermangel ziehe sich „länger hin als gedacht“, sei ein globales Thema geworden. „Das ist schon kritisch.“

Nun geben die ersten Zulieferer Warnungen ab: Der Lichtspezialist Hella etwa senkte gerade erst seinen Ausblick – wegen „deutlich reduzierter Markterwartungen infolge sich weiter verschärfender Versorgungsengpässe insbesondere bei Elektronikkomponenten“. Man bekomme trotz „voller Auftragsbücher die Engpässe in den globalen Liefer- und Logistikketten insbesondere mit Blick auf bestimmte Elektronikkomponenten immer mehr zu spüren. Durch pandemiebedingte Produktionsstillstände bei einigen Chiplieferanten in Asien hat sich die Situation in den letzten Wochen weiter verschärft“, sagte Rolf Breidenbach, Vorsitzender der Geschäftsführung von Hella. Darüber hinaus stiegen auch die Belastungen auf der Kostenseite, unter anderem durch „weiter anziehende Material- und Rohstoffpreise“.

Und auch der französische Autozulieferer Faurecia musste wegen des globalen Halbleitermangels seine Jahresprognose nach unten schrauben. Faurecia erwartet nun für 2021 einen Umsatz von 15,5 Milliarden Euro nach bislang 16,5 Milliarden, wie der Konzern, der jüngst Hella übernommen hat, mitteilte. Auch die Marge soll nun nur noch zwischen 6,0 und 6,2 Prozent liegen - anstatt der zuvor erwarteten sieben Prozent. 

IHS: Globale Produktion nur noch bei 72 Millionen Autos statt 76,8 

Die Zulieferer dürften damit auch auf die revidierten Schätzungen für die weltweite Autoproduktion des Informationsanbieters IHS Markit reagiert haben, der in der Branche ein großes Gewicht hat. IHS prognostiziert nun aufgrund der Chip-Knappheit für 2021 eine globale Produktion von lediglich 72 Millionen Autos statt der bislang in Aussicht gestellten 76,8 Millionen Fahrzeuge. Das wäre noch weniger als das, womit Schaeffler rechnet. 

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Dabei dürften sich schon in den nächsten Tagen und Wochen weitere Zulieferer aus der Deckung trauen und ihre Prognosen senken. Die Autobauer müssen aufpassen, dass die Halbleiter- nicht zur Zuliefererkrise wird. Schließlich haben die Lieferanten keine Chance, ihre Produktion auf die margenstarken Teile umzulenken, so wie die OEMs. Und die Zulieferer sind immer betroffen - egal, ob sie Gussteile oder solche mit Halbleitern liefern. 

Mehr zum Thema: Der Mangel an Computerchips stürzt die Autoindustrie in eine Krise. An ausreichend Nachschub dürfte es mindestens noch bis nächstes Jahr fehlen. Autohersteller und Zulieferer suchen verzweifelt Wege aus der Misere – und müssen erkennen: An den Schalthebeln der Verhandlungsmacht sitzen inzwischen andere.

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