Handelsblatt Auto-Gipfel in München Die Diesel-Affäre als Wendemanöver

Autos werden künftig autonom fahren, elektrisch angetrieben und auf Wunsch geteilt. Die Chefs von BMW, Daimler und VW beschwören auf dem „Auto-Gipfel“ den Wandel der Industrie. Jetzt müssen sie ihn nur noch umsetzen.

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Die Chefs von Daimler, BMW und VW im Gespräch (v.l.n.r.): Dieter Zetsche, Harald Krüger und Matthias Müller. Quelle: AFP

München Volkswagen-Chef Matthias Müller will sich nicht mehr in die Defensive drängen lassen. Zu lange hat der Wolfsburger Autobauer wegen des Betrugs bei Abgaswerten von Dieselautos harsche Kritik über sich ergehen lassen. Und zu lange haben aus seiner Sicht wohl Angreifer wie Google, Uber und Apple die deutschen Traditionskonzerne vor sich hergetrieben. Ihn eint mit seinen Kollegen Harald Krüger (BMW) und Zetsche (Daimler) der Wille, die Mobilität der Zukunft mitzugestalten, sagte Müller auf dem Auto-Gipfel in München. „Wir wollen künftig nicht zum automobilen Foxconn der IT-Welt degradiert werden.“

Foxconn ist mit einem Milliardenumsatz und hunderttausenden von Mitarbeitern ein Gigant, aber einer der für Apple und andere Firmen Produkte fertigt. Damit sich die drei Großen aus Deutschland nicht in der Rolle eines Zulieferers der Silicon-Valley-Firmen wiederfinden, werden sie sich gründlich umstellen müssen.

BMW-Vorstandschef Krüger ist vor dem Wandel nicht bange. Viele Entwicklungen hätten in Deutschland ihren Ausgang genommen, sagte er. Früher zählten Innovationen wie Flugzeuge, heute Neuheiten wie Laser dazu.

Nun ändert sich das Mobilitätsverhalten der Menschen, resümieren die drei Auto-Bosse: Autos werden künftig autonom fahren und elektrisch angetrieben sein. Außerdem werden sich Kunden künftig Autos nach Bedarf anmieten, letztlich also teilen und nicht mehr selbst besitzen. Diese Veränderung lockt neue Akteure an. Tesla hat sich als Anbieter von Elektroautos etabliert und Uber als Vermittler von Taxifahrten. Auf dem Weg ins Geschäft sind auch der Suchmaschinenbetreiber Google, der autonomes Fahren anbieten will, und Apple, der an einem eigenen Auto arbeitet.

Die Einstiegschancen waren seit der Entwicklung des Automobils vor bald 130 Jahren nicht so gut wie heute. Nach Einschätzung der Industrie werden bis zum Jahr 2025 rund ein Viertel aller verkauften Autos keinen Verbrennermotor mehr haben, womöglich werden es sogar mehr. BMW-Chef Krüger gab zu Bedenken, dass schon im Jahr 2020 die gesetzlichen Umweltrichtlinien ohne einen stärkeren Ausbau der Elektromobilität nicht zu erfüllen sein werden. Dies dürfte nicht nur für Europa gelten. Auch in den wichtigsten Märkten China und den USA hatte die Politik zuletzt strengere Grenzwerte angekündigt.


Wo BMW, Daimler und VW den Schalter umlegen

BMW hat sich von den Deutschen mit der Entwicklung des Elektroautos i3 am frühsten auf die Entwicklung eingestellt. Doch bislang haben nur ein Prozent aller verkauften BMW´s einen Elektromotor. Nun satteln die Münchener drauf, neben dem Mini soll auch der Geländewagen X3 einen Elektroantrieb bekommen, weitere Modelle werden folgen. Auch Daimler und VW legen jetzt den Schalter um. Die Schwaben entwickeln für jedes Segment – Pkw, Bus, Lieferwagen, Lkw – Elektromodelle, die zum Ende der Dekade auf den Markt kommen sollen. Bei VW sind es quer durch den Konzern 30 Elektrofahrzeuge, wie Müller bekräftigte.

Der VW-Chef will Daimler und BMW auch bei Carsharing folgen. Lange Zeit hatte sich Europas größter Industriekonzern gegen Mietmodelle ausgesprochen. „Perspektivisch könnte der Volkswagen Konzern auch eigene selbst fahrende Taxiflotten in Städten betreiben“, sagte Müller, der dafür eigens eine eigene Marke gründen will.

Zur Reformfreude bei den Niedersachsen trägt auch ein dunkles Kapitel bei: „Ich sehe die Diesel-Affäre als Wendepunkt, der Verkrustungen aufgebrochen hat und die ohnehin überfällige Transformation deutlich beschleunigen kann.“

Für Müller wie auch für Zetsche gehört dazu, nicht mehr alles zur Perfektion zu entwickeln. „Während wir nach der 110-prozentigen-Lösung suchten, um unsere Fahrzeuge technologisch auf den bestmöglichen Stand zu bringen, hat man auf der anderen Seite des Atlantiks bereits neue, revolutionäre Geschäftsmodelle ausprobiert“, sagte der VW-Chef. Abstriche würden aber nicht bei der Sicherheit gemacht.

In ihren Reden sprachen die drei Vorstandsvorsitzenden die gleichen Themen an, wie selbst Zetsche einräumte. „Jetzt geht es darum, die Pläne auch umzusetzen.“ Wer damit erfolgreicher sei, dies werde man in fünf oder zehn Jahren sehen.

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