Handelsblatt on Tour Statusdenken auf Chinesisch

Es stinkt in China. Die Regierung will E-Autos daher stärker fördern. Audi, BMW und Daimler müssen sich stärker auf die Wünsche der Kunden und der Regierung einstellen. Doch ein Auto dort ist heute längst ein Statussymbol.

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Immer öfter entscheidet in China das Image beim Autokauf. Quelle: dpa

Peking Der Ort könnte nicht besser gelegen sein. Das Forschungs- und Entwicklungszentrum des Ingolstädter Autobauers liegt mitten im angesagten Pekinger Künstlerviertel 798. „Wir sind die Pioniere bei Audi, wenn es um die asiatischen Kundenwünsche geht“, sagt der Chef des Entwicklungszentrums Saad Metz: „Und die werden immer wichtiger.“

Saad hat ein Team von 250 Mitarbeitern aus 15 Nationen an verschiedenen Standorten in Asien unter sich. Dabei setzt der 49-Jährige auf Kooperationen mit den führenden chinesischen Technologiefirmen wie Baidu, Alibaba und Tencent. Gemeinsam mit den Chinesen Technologien für Audis Fahrzeuge zu entwickeln, sieht Metz als große Chance.

Neue Ideen und frischer Elan sind nötig. Im Jahr 2015 ging der Audi-Absatz erstmals zurück. Die VW-Tochter verkaufte nur noch 571.000 Fahrzeuge, 8000 weniger als im Vorjahr. Bei allen anderen deutschen Autobauern hingegen stiegen die Verkaufszahlen. Mercedes hat einen enormen Anstieg in der Nachfrage seiner Autos in China verzeichnen können. Hatten die Stuttgarter 2014 noch 281.588 Fahrzeuge verkauft, waren es 2015 schon 373.500. Auch BMW legte leicht von 455.000 auf 464.000 zu.

Der Staat habe 2015 den Luxus im Land gedämpft, erklärt Audi-Manager Metz. Davon sei seine Marke besonders betroffen gewesen. Immerhin sei sie nun das Image los, die beliebteste Regierungskarosse zu sein. Der Staat bestellt keine Dienstfahrzeuge mehr bei den Deutschen.

Was die chinesischen Planer nun wollen, ist ein rapider Anstieg von Elektrofahrzeugen. Die Regierung will den Anteil von „grünen“ Fahrzeugen erhöhen. Denn Autoabgase sind laut Pekinger Umweltamt mit über 25 Prozent die Hauptursache der dicken Luft in den Metropolen. Schon 2011 hatte Peking daher große Pläne gemacht, die Elektromobilität zu revolutionieren. Damals wurden großzügige Subventionen auf den Kauf eines E-Autos eingeführt. Allein zwischen 2006–2016 nahm die Regierung 3,8 Milliarden Euro für die Entwicklung von besseren Batterien in die Hand.

Das Ziel: eine halbe Million E-Autos sollten bis 2015 auf den Straßen Chinas fahren. Doch das war zu ambitioniert: letztlich reichten alle Bemühungen und auch finanzielle Anreize nicht aus. Doch das hat sich mittlerweile drastisch geändert. 2015 zählt die Beratungsagentur Roland Berger 306 000 Elektrofahrzeuge in China, im ersten Halbjahr legte der Absatz um 123 Prozent zu. China ist damit der weltgrößte Markt für Stromer. Ein Grund: Elektroautos werden in den großen Metropolen bevorzugt zugelassen.


Wenn das Auto zum Symbol wird

Denn auch die Fahrzeugdichte ist in Chinas Städten mittlerweile ein Problem. Während man in München auf 32 km/h die Stunde kommt, sind es in Pekinger Stau gerademal 17 km/h. In Peking kommen auf 22 Millionen Einwohner 5,4 Millionen Autos. Die deutschen Autobauer sehen dieser Entwicklung gelassen entgegen, sie setzen weiter auf Wachstum. Zwar gab es in den vergangenen Jahren eine Konsolidierung auf Chinas Automarkt aufgrund des langsameren Wachstums. Doch die Beliebtheit deutscher Marken beim Autokauf ungebrochen.

Immer öfter entscheidet das Image beim Autokauf. Dabei spielt der zunehmende Digitalisierungstrend in China eine immer bedeutendere Rolle. Das Auto der Zukunft muss in China mehr können als navigieren und einen guten Sound über die Stereoanlage bieten können. Es sollte am besten gleich eine Software ausweisen, die mit den alltäglichen Apps wie WeChat (Chinas WhatsApp) ausgestattet kommt.

Gerade im Premiumsektor, in dem die deutschen Hersteller besonders stark sind, geht es bei einem Autokauf immer öfter darum, Nachbarn, Kollegen und der Verwandtschaft den eigenen Erfolg zu demonstrieren: Autos sind in China bei den Reichen immer mehr zu Statussymbolen geworden. Die drei großen Autobauer BMW, Daimler und Volkswagen dominieren den Premiumfahrzeugmarkt im Reich der Mitte.

Doch die Anforderungen an technischen Spielereien und Technologien sehr unterschiedlich zu denen der westlichen Autofahrer. Das hat auch damit zu tun, dass die chinesischen Autokäufer wesentlich jünger sind als ihre westlichen Pendants. In China ist der durchschnittliche Audi Fahrer 35 Jahre alt, in Deutschland dagegen 50. Auf dem ersten Blick scheint das junge Einstiegsalter der Chinesen ein Segen für die deutschen Autobauer zu sein. China ist mit knapp 21 Millionen Fahrzeugen der größte Automarkt der Welt.

Bereits 2016 soll China die EU als Hauptabsatzmarkt für deutsche Autobauer ersetzen. Die drei deutschen Hersteller VW, BMW und Mercedes sind immer stärker abhängig von diesem Markt, den der Staat mit vielen Einzelmaßnahmen beherrscht. Deutschlands Autobauer machten hier ein Jahrhundertgeschäft bis die Regierung aufgrund der Umwelt eingriff und die Zahl der Zulassungen beschränkte.

Fragt man Audi-Entwicklungschef Metz nach seinem größten Wunschprojekt, nennt er einen verbesserten SUV. Schon heute haben die Pseudo-Geländewagen einen Anteil im Premiummarkt von 40 Prozent und noch immer ist kein Ende des Booms in Sicht. Schon bald müssen die Audi-Entwickler konkretere Pläne für selbstfahrende Autos präsentieren. Peking erwartet schnelle Fortschritte, im Sommer gab es ein erstes Pilotprojekt in Schanghai. Audi befindet sich hier in „Harmonisierungsrunden“ mit BMW und Daimler, offenbart Metz im Handelsblattgespräch. Gemeinsam haben die drei Autokonzerne offenbar schon Gesetzesvorschläge erarbeitet.

Die Flaute von 2015 glaubt Audi auch schon hinter sich gelassen zu haben. Im Jahr 2016 hat die VW-Tochter bisher 3,5 Prozent mehr Autos verkauft.

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