Handelsblatt-Tagung „Zukunft Stahl“ Stahlbranche fordert EU-Maßnahmen gegen Strafzölle

Auf der Handelsblatt-Stahltagung wartet die Branche auf klare Ansagen aus den USA. Und hofft auf eine starke Antwort aus Europa.

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Die Ankündigung von Strafzöllen durch die USA verunsichert die Branche. Quelle: dpa

Düsseldorf Eigentlich wollten sich die Vertreter die Stahlindustrie am Mittwoch mit der Zukunft ihres Geschäfts beschäftigen: Hightech-Stahl, E-Mobilität, Klimaschutz standen als Themen bei der Handelsblatt-Tagung „Zukunft Stahl“ auf dem Programm. Doch dann holte die Branche die Gegenwart schnell wieder ein.

Auf die Frage von Moderator Martin Wocher, wer von den Anwesenden in den USA Geschäfte macht, hebt gut die Hälfte der Anwesenden die Hand. Angst vor einem Handelskrieg hat immer noch ein gutes Drittel. Der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, Hans Jürgen Kerkhoff, fasst die Lage der Branche in seinem Eröffnungsvortrag zusammen: „Die Stahlzölle in den USA werden drastische Folgen für Unternehmen in Deutschland und Europa haben.“

Doch nach der Ankündigung des US-Präsidenten in der vergangenen Woche, künftig Strafzölle auf Stahl- und Aluminium-Importe zu erheben, sind Europas Stahlkonzerne zunächst in Wartestellung. Die meisten wollen zunächst schauen, wie die Regulierung am Ende ausgestaltet ist.

Doch um ihr US-Geschäft fürchten dabei die wenigsten. „Wir wissen nicht genau, welche Maßnahmen kommen werden“, sagt Peter Schwab, Vorstandsmitglied beim österreichischen Hersteller Voestalpine. Sein Konzern prüfe derzeit, inwieweit er betroffen ist. „Das ist nicht trivial.“

Vielmehr geht in der Branche die Sorge um, dass der weltweite Stahlhandel aus dem Gleichgewicht gerät – und Hersteller aus Ländern wie China, Indien und der Türkei ihren überschüssigen Stahl künftig in Europa absetzen könnten. „Die Maßnahmen der USA treffen uns in einer Zeit, in der die weltweite Importkrise auf dem Stahlmarkt überwunden schien“, so Kerkhoff. Nun drohe eine Rückkehr der alten Probleme. „Europa darf sich nicht wehrlos zeigen.“

Seine Forderung: Die EU müsse den heimischen Markt vor Handelsumlenkungen schützen. „Die Welthandelsorganisation stellt entsprechende Instrumente bereit. Wir sind keine Protektionisten.“

Ähnlich äußert sich Jörg Fuhrmann, Vorstandsvorsitzender der Salzgitter AG, gegenüber dem Handelsblatt: „Sorgen machen uns die möglichen indirekten Effekte.“ Fuhrmann tritt am Donnerstag bei der Stahltagung auf. „Wir erwarten deshalb, dass die EU-Kommission rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen ergreift, um die Umlenkung von internationalen Stahlströmen in den EU-Markt zu verhindern.“

Zwar haben es gerade chinesische Hersteller derzeit schwer, ihren Stahl auf den Märkten in den USA und der EU zu verkaufen: Beide haben in den vergangenen Jahren mehrere Anti-Dumping-Maßnahmen verhängt, die größere Konkurrenz aus China verhindern.

Doch die fast 35 Millionen Tonnen Stahl, die die USA jedes Jahr importieren, müssen irgendwohin. Landen sie nicht in Europa, sorgt das in anderen Ländern für Konkurrenz. Deren angestammte Hersteller könnten dann wiederum doch den europäischen Markt ansteuern.

Stahlpräsident Kerkhoff rechnet daher damit, dass die US-Zölle die Branche zwar für eine längere Zeit beschäftigen dürften. „Doch das Hauptproblem liegt in China.“ Noch immer produziere das Land rund 280 Millionen Tonnen Stahl mehr pro Jahr, als es verbrauche.


„Was passiert nach Trump?“

Nicole Voigt, Stahlexpertin und Managing Partner bei der Beratungsfirma Boston Consulting Group, zeigte sich auf der Handelsblatt-Tagung allerdings überzeugt, dass sich das Handelsgefüge auf dem Stahlmarkt „nur langsam“ verändert.

Denn die US-Stahlproduktion ist derzeit ausgelastet. Die Hersteller könnten also im Falle zügig eingeführter Zölle, wie sie Trump in Aussicht stellte, wohl nur zeitverzögert reagieren. Das verringerte Angebot dürfte im ersten Schritt zu deutlich steigenden Preisen führen.

Daher können die europäischen Stahlfirmen den Zöllen also erst einmal gelassen entgegensehen: Steigen die Preise um mehr als 25 Prozent, lohnt es sich für US-Firmen trotzdem noch, Stahl zu importieren. In dieser Höhe will Trump den ausländischen Stahl verzollen.

Hinzu kommt: „Die europäischen und zum Teil auch asiatischen Hersteller haben in der Regel Stahl höherer Güte im Angebot.“ Viele US-Käufer wollen oder können aber nicht auf geringere Güteklassen ausweichen – und bleiben daher im Zweifel auf ausländische Produzenten angewiesen.

Die Frage lautet jetzt, ob die US-Unternehmen zu größeren Investitionen bereit sind, um ihre Produktion auch qualitativ auf diese Nachfrage einzustellen. Stahlexpertin Voigt hält das für fraglich. „Wenn ein Unternehmen beschließt, ein Stahlwerk zu bauen, gibt es einen Planungshorizont von zehn bis 15 Jahren“, so Voigt. Trump ist allerdings noch höchstens sieben Jahre im Amt. Das macht größere Investitionen zu einem unkalkulierbaren Risiko.

„Was passiert nach Trump?“, fragt denn auch die Stahlexpertin. Fallen die Zölle irgendwann weg, wird der Stahlimport für den US-Markt plötzlich wieder attraktiv – und die heimische Herstellung unrentabel.

„Die USA schaden sich selbst“, so lautete auch das Urteil von Stahlpräsident Kerkhoff. In seiner Rede betonte er, Europa müsse sich jetzt darauf konzentrieren, was es jetzt selbst tun könne. „Die EU muss sich handlungsfähig zeigen.“

Ob Zölle auf Blue Jeans, Whiskey und Harley Davidson die richtige Antwort seien, wie derzeit in der EU-Kommission diskutiert, bezweifelte Kerkhoff. Aber: „Wir brauchen Regeln, die uns vor den Handelsumlenkungen schützen.“

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