Nach einigen turbulenten Wochen zum Jahresbeginn, als Henkel-Chef Kasper Rorsted verkündete er werde seinen bis Ende 2017 datierten Vertrag beim Persil-Hersteller nicht verlängern und sich kurz darauf schon Richtung Adidas verabschiedete, schippert das traditionsreiche Konsumgüterschiff aus Düsseldorf wieder in ruhigem Fahrwasser.
Kaum im Amt, konnte Rorsteds Nachfolger, der bisherige Kosmetik-Chef und Henkel-Eigengewächs Hans Van Bylen, schon frohe Botschaften verkünden: Henkel werde in diesem Jahr etwas mehr Gewinn machen als erwartet. Im zweiten Quartal seien die Geschäfte gut gelaufen. Besonders bei den Waschmitteln. „Für die bereinigte Ebit-Marge rechnen wir nun mit einer Steigerung auf über 16,5 Prozent“, sagte der Belgier. Zuvor war der Konzern von „etwa 16,5 Prozent“ ausgegangen.
An der Börse kamen die Zahlen sowie die Anhebung der Gewinnprognose gut an. Vor allem dieser Kurssprung dürfte Van Bylen ein innerer Vorbeimarsch gewesen sein. Denn gerade die Börse war es, die dem Belgier offenbar weit weniger zugetraut hatte als seinem Vorgänger, dem Dänen. Als Rorsted seinen Wechsel zu Adidas verkündete, da rauschte die Henkel-Aktie in den Keller und legte den größten Kursrutsch seit den Börsenturbulenzen vom Sommer 2015 auf das Parkett. Mit knapp 88 Euro waren die Titel so billig wie zuletzt vor Monaten. In die andere Richtung ging es bei Adidas, die den größten Kurssprung seit mehr als sieben Jahren machte. Heute, gut ein halbes Jahr später, rangiert die Henkel-Aktie auf einem 52-Wochen-Hoch bei knapp 120 Euro.
Waschmittel halten Aktionäre bei Laune
Wenige Wochen bevor Van Bylen die positiven Halbjahreszahlen vorlegen konnte, exakt am historischen Brexit-Tag, hatte er schon einmal für Aufmerksamkeit gesorgt. Henkel kaufte für 3,6 Milliarden Euro den amerikanischen Waschmittelhersteller Sun Products. Damit rücken die Düsseldorfer zur Nummer zwei im nordamerikanischen Waschmittelmarkt auf und erreichen dort endlich den flächendeckenden Zugang in die Regale der großen US-Ketten. Zugleich verschieben sich die Gewichte, indem Henkel seine Abhängigkeit vom konjunkturanfälligen Klebstoff-Geschäft verringert.
Die fünf Erfolgsfaktoren der Henkels (09.2016)
Alle Familienmitglieder können sich von Kindheit an mit dem Unternehmen vertraut machen.
Es gibt feste Institutionen, in denen Entscheidungen vorbereitet und getroffen werden.
Nach außen spricht die Familie nur mit einer Stimme.
Kein Familienmitglied gelangt ins operative Topmanagement.
Alle Familienmitglieder haben ihre Aktien über Jahrzehnte ans Unternehmen gebunden.
Laut Henkel verfüge Sun Products über führende Waschmittelmarken wie „all“ und „Sun“ sowie den Weichspüler „Snuggle“. Das Unternehmen entwickele und produziere zudem Waschmittelmarken für führende Handelsketten in Nordamerika. Das übernommene Unternehmen erzielte 2015 nach Angaben von Henkel in den USA und Kanada einen Umsatz von rund 1,4 Milliarden Euro. Sun Products beschäftigt rund 2000 Mitarbeiter und hat zwei Produktionsstätten und einen Forschungs- und Entwicklungsstandort in den USA.
Doch damit scheint der Übernahmehunger der Düsseldorfer noch nicht gestillt: „Wenn ein Unternehmen strategisch zu unseren Geschäften passt und zu einem angemessenen Preis verfügbar ist, sind auch weitere, gezielte Akquisitionen möglich“, sagte van Bylen der „Rheinischen Post“. „Wir haben eine starke Bilanz und verfügen über die erforderliche finanzielle Flexibilität.“
Henkel leiht sich Geld - und verdient daran
Was Van Bylen damit meinte, zeigte sich in dieser Woche: Um den Sun-Kauf zu finanzieren, begab Henkel eine Anleihe im Volumen von 2,2 Milliarden Euro und einer Laufzeit bis 2018. Das Besondere daran: Die Rendite liegt bei minus 0,05 Prozent. Damit müssen Anleger Henkel dafür bezahlen, ihnen Geld leihen zu dürfen. Ein bisher undenkbarer Vorgang.
Aber in so unsicheren Zeiten wie diesen geht offenbar Sicherheit vor Rendite. Und Henkel gilt als sehr stabiler Konzern. Zudem können die Investoren die Anleihen jederzeit an der Börse wieder losschlagen und dabei im Fall steigender Renditen sogar auf einen kleinen Gewinn spekulieren. Probleme, die Papiere am Markt unterzubringen, hatte Henkel jedenfalls nicht. Die Anleihen seien deutlich überzeichnet gewesen und bei internationalen Investoren auf großes Interesse gestoßen, hieß es aus dem Unternehmen. Damit kassierte Henkel als eines der zwei ersten privaten Unternehmen Europas Geld dafür, sich Geld zu leihen.
„Die erfolgreiche Platzierung der Anleihen bestätigt Henkels hohe Kreditwürdigkeit und unseren hervorragenden Zugang zu den Kapitalmärkten", kommentierte Henkel-Finanzvorstand Carsten Knobel. „Bei der Platzierung konnten wir von dem aktuell günstigen Marktumfeld für Unternehmensanleihen profitieren. So stellen wir die erforderliche Finanzierung zu attraktiven Konditionen sicher.“
Reibungsloser Übergang
Natürlich ist die Weste bei Henkel nicht makellos rein. Ein kleines Fleckchen hier, ein kleines Fleckchen da, lässt sich immer finden. Das sich abschwächende Wirtschaftswachstum in China trifft Henkel durch seine starke Industrieklebstoffsparte stärker als andere Konsumgüterhersteller.
Auch der Umsatzanteil der Schwellenländer konnte nicht wie angekündigt ausgeweitet werden. Das allerdings geht ausschließlich auf das Konto negativer Währungseffekte. Zudem stellte jüngst eine Analystin in einer Verkaufsempfehlung in Aussicht, Henkel sei zwar durch die Sun-Übernahme zur Nummer 2 im US-Waschmittelmarkt aufgestiegen, werde aber den Gewinn der Waschmittelsparte verdoppeln müssen, um die Eigenkapitalkosten zu verdienen.
All das ist Jammern auf hohem, sehr hohem Niveau. Auch ist es müßig zu diskutieren, ob Henkel-Chef Van Bylen Protagonist des imposanten Zwischenspurts ist oder ob Henkel vom jahrelangen, teils knüppelharten Training des Dänen profitiert. Eines ist klar: Den Transfer vom talentierten Rorsted zum tatkräftigen Van Bylen haben die Henkel-Erben unter Clan-Chefin Simone Bagel-Trah schnell und reibungslos hinbekommen.