Hapag-Lloyd Wie geht es weiter nach der Bonanza?

Wie gefährlich wird es für Hapag? Quelle: imago images

Kaum ein anderes Unternehmen profitierte von der Pandemie so sehr wie Hapag-Lloyd. Jetzt brechen die Frachtraten ein und neue Schiffe sorgen für Überkapazitäten.

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Davon wird Rolf Habben Jansen noch seinen Enkeln erzählen. Wie der Chef von Hapag-Lloyd als Krisenprofiteur Milliarden verdiente: Umsätze wie bei Volkswagen, Steuerlast wie bei einem Mittelständler, weil Reeder wegen der umstrittenen Tonnageregel Abgaben nicht auf Gewinne, sondern auf Kapazitäten bezahlen. Zwei Gehälter gab es nach der abermaligen Verkündung der Ergebnis-Rekorde für jeden Mitarbeiter als Bonus. Das waren Zeiten, Kinder.

Und jetzt? „Die Party ist vorbei“, sagte Habben Jansen bei der Vorstellung der neuesten Zahlen vor einer Woche. Zum ersten Quartal fielen die Gewinne beim größten deutschen Reeder im Jahresvergleich um die Hälfte. Die Frachtraten für einen Standardcontainer sanken im gleichen Zeitraum um 80 Prozent. Und ausgerechnet jetzt kommen neue Schiffe und noch mehr Frachtraum in den Markt. 30 Prozent der aktuellen Containerkapazitäten stehen in den Auftragsbüchern der Werften und könnten die schon jetzt schwache Nachfrage fluten. „Eine riskante Gemengelage“, urteilt der Reedereiexperte Jan Tiedemann vom Branchendienst Alphaliner. Wie gefährlich wird es für Hapag wirklich?

„Den Reedern ging es zwei Jahre gut, aber wir vergessen die zehn schlechten Jahre vorher“, sagte Thorsten Meincke, Luft- und Seefrachtchef bei DB Schenker auf der vergangenen Transportlogistikmesse in München. Soll heißen: Krisen und Hochphasen gehören zum Container-Geschäft dazu. Kaum eine andere Branche ist so starken Zyklen ausgeliefert wie der Seehandel. Im Zuge der Lehman-Pleite musste Hapag von der Stadt Hamburg und dem Investor Klaus-Michael Kühne gerettet werden. Das Unternehmen verkaufte Hafenbeteiligungen, um zu überleben – das wird jetzt zum Nachteil gegenüber der Konkurrenz.

Hört man sich bei den Norddeutschen um, klingen die Klagen angesichts der Gewinnpolster dennoch milde. Man rechne für das laufende Jahr mit einem Ergebnis zwischen 2 und 4 Milliarden Euro. Ein Bruchteil der vergangenen Gewinne, gleichwohl das „drittbeste Ergebnis der Geschichte“, so Habben Jansen. Das Unternehmen befinde sich heute in einer besseren Verfassung als vorher. 

Terminalbeteiligungen lange eine Schwäche

Die Eigenkapitalquote liegt heute bei mehr als 70 Prozent. Zudem gelingt es dem Unternehmen immer noch besser als den Konkurrenten, Langzeitverträge mit Kunden zu erhalten. Knapp ein Fünftel aller Transportdeals gehen auf die lukrativen Individualverträge zurück, die noch aus der Coronazeit stammen und deutlich über den aktuellen Spotraten liegen. Doch Aufschläge für Treibstoff, gestiegene Hafengebühren und Löhne drücken schon jetzt die Gewinne. „Entscheidend wird sein, wie das Unternehmen ab dem nächsten Jahr mit einer schwachen Nachfrage, der Überkapazität und neuen Richtlinien für die Umwelt umgeht“, sagt auch Experte Tiedemann.

Um auf zukünftige Krisen besser zu reagieren, versuchen zahlreiche Reeder sich in ihrem Angebot breiter aufzustellen. Der dänische Primus Moller-Maersk und die Schweizer MSC investieren auch in Luftfracht und Speditionen. Hapag, weltweit die Nummer fünf, verschreibt sich hingegen alleine dem Seehandel. In der neuen „Vision 2030“ geht es trotzdem darum, wie man die Schwächephasen überbrücken kann. Aus dem Aufsichtsrat heißt es, man wolle die Qualitätsführerschaft übernehmen.

Die drohende Rezession dürfte die geldverwöhnten Reedereien teuer zu stehen kommen. Besonders Hapag-Lloyd mit seiner Konzentration aufs Kerngeschäft scheint nicht gut gewappnet. Das hat einen speziellen Grund.
von Artur Lebedew

Der Kundendienst soll aufgewertet, der Leistungskatalog erweitert werden. Digital will Hapag dazu kräftig aufrüsten, allein das IT-Zentrum in Indien soll von 3000 Kräften um ein Vielfaches wachsen. So könnten Aufträge automatisiert, teilweise stärker auf die Wünsche der Kunden angepasst werden. In der Vergangenheit waren hier andere weiter, jetzt will Hapag aufholen.

Das gilt auch für Hafenbeteiligungen. Allein Maersk verfügt über ein weltweites Netzwerk von 65 Terminals – ein Vorteil, wenn es darum geht, Ladungen schnell zu löschen und flexibel auf Engpässe und Hafenschließungen wie während Corona zu reagieren. „Die Terminalbeteiligungen waren lange unsere Schwäche. Aber wir haben aufgeholt“, sagt ein Hapag-Aufsichtsratsmitglied. 20 Beteiligungen zählt das Unternehmen heute zum Portfolio. Allein in den letzten Wochen kamen drei dazu: die Anteile am größten Terminal-Unternehmen in Italien, einer Gesellschaft in Südamerika und einer in Ost-Indien. Das Unternehmen will weiter in Häfen einkaufen, doch gerade in den Kernmärkten in Europa und Amerika sind die Preise hoch. „Der Zugang zu Schlüsselhäfen wird für Hapag schwierig bleiben“, sagt Experte Tiedemann.

Größtes Risiko ist die Überkapazität

Das größte Risiko jedoch könnte Hapag selbst anfachen. 14 neue Schiffe hat das Unternehmen in den Orderbüchern, zwölf davon Großfrachter mit Platz für über 23.000 Boxen. In Interviews spielt Chef Habben Jansen das Risiko der Überkapazitäten herunter. Zum einen werde „ein Teil“ der Hapag-Flotte altersbedingt verschrottet. Andererseits seien die Neuen eine Investition in die Zukunft. Die Frachter fahren mit sogenannter Dual-Fuel-Technologie, können also sowohl mit LNG als auch synthetischem Flüssiggas betrieben werden. Aus der Umweltperspektive nicht unproblematisch, weil immer noch klimaschädlich, bemängeln Experten. Die Wahl etwa für Grünes Methanol – ein Wasserstoffgemisch, das mit CO2 umgewandelt wird – könnte langfristig besser sein als die „Brückentechnologie“ LNG.

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Der Umgang mit den Überkapazitäten wäre für Hapag, aber auch für den Rest der Branche, mittelfristig ein Fingerzeig darüber, was man aus alten Krisen gelernt hat. Tiedemann sieht schon jetzt Anzeichen der Reeder, wie sie auf die Situation reagieren. Ein Teil der Schiffe hat seine Fahrtgeschwindigkeit deutlich reduziert, um Treibstoff zu sparen und Zeit zu schinden. Einen anderen Teil der Flotte haben die Reeder stillgelegt oder einfach nicht angemeldet. In allen Fällen sollen die Container-Kapazitäten künstlich reduziert werden. Strategien, die auch in Hamburg bekannt sind und dafür sorgen sollen, dass das Geld-Polster bis zum nächsten Aufschwung ausreicht.

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