Der Russland-Anteil am Strabag-Umsatz liegt inklusive der angrenzenden Länder bei vier Prozent. Was ist schiefgelaufen?
Haselsteiner: Die Krise 2009 hat Russland sowie die mittel- und osteuropäischen Länder deutlich stärker getroffen, als wir das zur Kenntnis nehmen wollten. Wir sind zu lange davon ausgegangen, dass der Bedarf an Baumaßnahmen etwa im Wohnungsbau und der Infrastruktur uns einen riesigen Markt bescheren würde. Hinzu kommt eine Renationalisierung in Russland in den Köpfen von Managern, Beamten und Politikern, die Investitionsentscheidungen treffen. Deren Haltung ist: Westliches Know-how brauchen wir nicht. Das Enttäuschendste in dieser Hinsicht sind die Olympischen Spiele: Von insgesamt 30 Milliarden Dollar Auftragsvolumen wurde nicht einmal eine Milliarde an nicht russische Unternehmen vergeben.
Und davon an Strabag?
Birtel: Rund 600 Millionen Dollar - beim Flughafen und beim Olympischen Dorf.
Ihr russischer Co-Aktionär Oleg Deripaska hat Ihnen nicht die Türen geöffnet?
Haselsteiner: Ohne ihn hätten wir nicht einmal diese Aufträge bekommen. Aber Ziel war nie, dass Deripaska uns in großem Umfang Aufträge ins Haus schiebt. Wir hatten uns mit ihm darauf geeinigt, eine Russian Construction Holding zu grün-den, in der Strabag Russland und zwei Bauunternehmen Deripaskas gebündelt werden sollten. Bei einer seiner Firmen - Transstroy - haben wir bereits mit der Prüfung begonnen. Die Russen haben aber selbst nicht genau gewusst, was sie da alles besitzen und wie es organisiert ist. Das Rechnungs- und Berichtswesen entsprach bisher nicht den Anforderungen eines börsennotierten, nach IFRS-Standard berichtenden Konzerns. Wir haben deshalb die Transstroy-Prüfung unterbrochen. Das war eine weitere Enttäuschung in Russland.
Wie geht es weiter?
Haselsteiner: In zwei Monaten legt Transstroy ihre neuen Bilanzen vor. Wir hoffen, dass wir dann eine für uns nachvollziehbare Struktur vorfinden. Verläuft die Prüfung erfolgreich, könnten wir das Joint Venture 2014 gründen. Noch haben wir aber von den Zahlen und der Lage der beiden Unternehmen keine Vorstellung.
Sie, Herr Birtel, haben die Verantwortung für das Russland-Geschäft. Wie können Sie die Probleme dort lösen?
Birtel: Die Möglichkeiten sind beschränkt. Wir hoffen auf Infrastrukturprojekte im Rahmen von PPP-Modellen. Eines über zwei Milliarden Euro Auftragsvolumen hatten wir 2008 zwar gewonnen, aber das fiel der Wirtschaftskrise zum Opfer.
Wie korruptionsanfällig sind Geschäfte in Russland? Sie, Herr Haselsteiner, haben gesagt, um dort an Aufträge zu kommen, müssten Sie Vermittler und "eine gewisse Subunternehmerstruktur" akzeptieren, sonst könnten Sie den Markt "vergessen".
Haselsteiner: Das ist eines unserer großen Themen in Russland. Die Frage ist, ob die Bearbeitung des Marktes öffentlicher Aufträge Compliance-kompatibel ist. Wenn wir Platzhirsch im russischen Baumarkt werden wollen, müssen wir in den öffentlichen Bereich, etwa mit privat finanzierten Infrastrukturprojekten. Was wir da umsetzen können unter Einhaltung unserer Compliance-Richtlinien, ist eine offene Frage. Wir sind nicht bereit, von diesen Richtlinien abzuweichen, nur weil es Russland ist. Derzeit haben wir keinen einzigen Auftrag der öffentlichen Hand.