Haselseiner geht, Birtel kommt Strabag-Chefs halten Boni für Bestechung

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"Wir brauchen eine kontrollierte Inflation"

In welchen Städten Baustellen den Verkehr lahm legen
Für Autofahrer ist Rostock ein Albtraum. Die Hansestadt zählt zu den acht „Stau-Cities“ Deutschlands. Im Durchschnitt steht pro 12,76 Kilometer eine Baustelle, jede 21. Straße wird durch einen Bau behindert. Damit liegt die Stadt 53,4 Prozent über dem Mittelwert. Die Betreiber der Internetseite www.travel24.com haben zwischen dem 30. Juli und dem 23. August die Stadtverwaltungen der 35 größten deutschen Städte nach der Anzahl der Baustellen, Straßen sowie Straßennetzlänge befragt. Bei einigen Städten gab es nur Schätzwerte der Baustellen. Insgesamt gibt es laut Umfrage 2.692 Straßenbaustellen in Deutschland. Die Platzierung berechnet sich aus dem Prozentanteil der Verkehrsbehinderungen im Straßennetz. Quelle: dpa
Münster gilt als Fahrradmetropole. Für Autos hingegen bergen die Straßen der Stadt einige Hindernisse. Alle 12,5 Kilometer müssen die Fahrer im Durchschnitt mit einer Baustelle rechnen. Münster baut an 100 Stellen gleichzeitig, auf jeder 20. Straße besteht daher Staugefahr. Quelle: dpa
Auch in Dresden macht Auto fahren nicht immer Spaß. Hier verhindern alle 7,1 Kilometer Baustellen den fließenden Verkehr. Dank insgesamt 200 Straßenbaustellen muss ein Autofahrer auf jeder 16. Straße mit einer Ausbesserung der Strecke rechnen. Möglicherweise macht ein Besuch der Frauenkirche das Verkehrschaos aber wieder wett. Quelle: dpa
In Krefeld warten ebenfalls Staus auf die Verkehrsteilnehmer. Obwohl die Stadt lediglich 89 Baustellen vermeldet, müssen Autofahrer alle 8,99 Kilometer eine einkalkulieren. Damit ist jede 15. Straße in Krefeld teilweise versperrt. Das bringt der Stadt deutschlandweit den fünften Platz bei den „Stau-Cities“. Quelle: dpa
Platz 4 der Städte mit den meisten Baustellen geht an Düsseldorf. Auch in der Landeshauptstadt behindert auf jeder 15. Straße ein Schlagloch oder ähnliches den Verkehr. Im Durchschnitt kommt nach 6,52 Kilometer das nächste Hindernis. Kein Wunder: Die Stadt baut an 184 Stellen gleichzeitig. Quelle: dpa
Auch im beschaulichen Breisgau stockt der Verkehr gelegentlich – besonders in Freiburg. Hier erwartet den Autofahrer auf jeder neunten Straße bzw. alle 9,14 Kilometer eine Baustelle. Mit 140 Beeinträchtigungen im Straßenverkehr kommt die baden-württembergische Stadt auf den dritten Platz im Ranking der „Stau-Cities“. Quelle: dpa
Besonders dramatisch ist die Verkehrslage im Ruhrgebiet. In Duisburg treffen Autofahrer durchschnittlich alle vier Kilometer auf eine Baustelle. Mit 300 Baustellen im Stadtgebiet ist das wohl nicht schwer. Jede neunte Straße ist teilweise blockiert. Das macht den zweiten Platz. Quelle: dpa

Was Deutschland nicht mehr hat, ist ein Vorzeige-Baukonzern. Philipp Holzmann und Walter-Bau gingen pleite, Bilfinger wird Dienstleister, Hochtief ist spanisch.

Birtel: Vergessen Sie nicht, dass kein deutsches Bauunternehmen in Deutschland je so viel umgesetzt hat wie Strabag, nämlich fünf Milliarden Euro im Jahr. Wer sagt, Strabag sei kein deutsches Bauunternehmen, weil der Großaktionär in Wien sitzt, übersieht, dass die Mehrheit aller Dax-Unternehmen in ausländischer Hand ist.

Kann der deutsche Anteil am Strabag-Umsatz - 40 Prozent - noch steigen?

Birtel: Wenn sich der Markt entsprechend entwickelt, kann er das. Der Markt für Wohnimmobilien profitiert nach wie vor von der Flucht ins Betongold. Und was den öffentlichen Bau angeht, wird schon aus Gründen der Sicherheit und um den Straßen- und Güterverkehr aufrechtzuerhalten, gebaut werden müssen - ob Budgets da sind oder nicht. Ähnlich beim Thema Energiewende: Egal, was politisch entschieden wird, es muss gebaut werden. Insofern ist mir für den eigentlich reifen deutschen Markt trotzdem nicht bange.

Sie setzen auf öffentliche Aufträge, während der Druck zum Sparen in Europa immer größer wird. Was müsste geschehen, um die Euro-Krise zu überwinden?

Haselsteiner: Welche Chance haben die Europäer denn, mit der Schuldenkrise fertig zu werden? Erstens Schuldenschnitt oder Staatspleite, zweitens Krieg und drittens Inflation! Ein vierter Weg wird nicht vom Himmel fallen.

Was schlagen Sie vor?

Haselsteiner: Lösung eins und zwei will keiner, also brauchen wir eine kontrollierte Inflation, und zwar eine saftige. Denn ich glaube nicht, dass Europa mit 30 Prozent Jugendarbeitslosigkeit leben kann und dass die 40 Prozent junger Arbeitsloser in Spanien noch lange stillhalten.

Keine Alternative?

Haselsteiner: Die Alternative wäre, dass wir weiter Deflation betreiben, weil wir die Geldsäcke und die Pensionsfonds schonen müssen, die in den letzten 70 Jahren Reichtümer angehäuft haben, und dass Deutschland und Österreich dem Süden Europas sagen: Ihr da unten könnt verhungern, ihr könnt euch euren Lebensabend in die Haare schmieren, ihr braucht keine ärztliche Versorgung mehr, Pensionen auch nicht, Strom und Wasser auch nicht - ab Rosenheim und ab dem Brenner aber, da ist die Welt heil und schön. Ich glaube nicht, dass das geht.

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