




Hochtief überrascht mal wieder. Zum einen mit guten Zahlen. Die beruhen aber allein auf den Geschäften der australischen und amerikanischen Auslandstöchter – die operativen Verluste im Europageschäft werden nur von einmaligen Verkaufserlösen überdeckt. Zum anderen mit neuen Namen für den Hochtief-Vorstand. Die aber passen allzu gut ins Bild der vergangenen Jahre seit der feindlichen Übernahme von Hochtief durch die spanische ACS-Gruppe 2011. Mit der Berufung von José Ignacio Legorburo und Nikolaus Graf von Matuschka ins oberste Hochtief-Gremium wird nicht die Eigenständigkeit des Essener Konzerns gestärkt, sondern seine Abhängigkeit.
Bei Legorburo, 48, ist das offensichtlich. Der Spanier kommt von ACS und leitete die ACS-Bautochter Dragados –also das Unternehmen, das auch Hochtief-Vorstandschef Marcelino Fernandez schon führte. Alle Schachzüge von ACS und dessen Chef Florentino Perez laufen darauf hinaus, Hochtief und Dragados zusammenzuführen – zu einem großen europäischen Baukonzern mit womöglich deutschem Etikett, aber spanischem Inhalt.
Fernandez' Geheimnis
Die Berufung von Legorburos ist ein weiterer Zug in diesem Plan. Er ermöglicht es Fernandez, bald nach Spanien zurückzukehren und den von Perez bereits angekündigten Wechsel an der ACS-Spitze umzusetzen. Perez gibt dabei die operative Führung ab und Fernandez übernimmt sie. Legorburo würde dann als Nachfolger von Fernandez Chef in Essen und führt Hochtief einstweilen weiter als Kolonie von ACS.
Wer Hochtief bereits verlassen hat
Nach Informationen der WirtschaftsWoche hat Vorstandschef Marcelino Fernández den Geschäftsführer der Hochtief-Solutions-Sparte Energie und Infrastruktur, Stephan Hebgen, von seinen Aufgaben freigestellt. Ende Oktober 2013 verabschiedete sich Hebgen, der zudem Mitglied im Solutions-Aufsichtsrat war und dort die Leitenden Angestellten vertrat, in einer E-Mail von den Mitarbeitern.
Die spanische Mutter ACS setzt Hochtief-Chef Frank Stieler Ende November 2011 vor die Tür. Er hatte sein Amt erst im Mai 2011 angetreten. Insider vermuten, Stieler haben den Spaniern die Probleme der Tochter nicht schnell genug gelöst und Verkaufspläne nicht entschieden genug vorangetrieben.
Schränkler, 48, leitet als Vorstandsvorsitzender die Sparte Concessions und war Chef der Flughafensparte. Die Sparte hat Chef Stieler zum Teil schon auf andere Manager übertragen, die Flughafensparte steht zum Verkauf. Schränkler muss sich "neuen beruflichen Herausforderungen stellen". Seine Aufgaben übernehmen die beiden verbliebenen Geschäftsführer Holger Linkweiler und Gerhard Schroeder.
Im September 2011 wird Personalchef Gerhard Peters entmachtet. Brisant ist die Entmachtung, weil Peters im Hochtief-Aufsichtsrat sitzt und dort zu den Gegnern der Übernahme durch den spanischen Baukonzern ACS zählte.
Auch Bernward Kulle, Vorstand der Tochter Concessions und Spezialist fürs Geschäft mit Öffentlich-Privaten Partnerschaften (ÖPP), reichte kurz nach der Übernahme die Kündigung ein.
Rocksien, 49, Cheflobbyist in Berlin und Leiter der Abteilung Politik und Verbände der Hochtief AG, verkündete Mitte Dezember 2011 seinen Abschied. Rocksien hatte seit September 2010 vergebens versucht, Bundesregierung und Abgeordnete zu einer schnellen Änderung des Wertpapierübernahmegesetzes zu bewegen, um die feindliche Übernahme von Hochtief durch ACS zu verhindern.
Rohr verlässt den Konzern Ende Dezember 2011. Er war 15 Jahre im Konzern und leitete das Amerika-Geschäft und die Flughafensparte. Rohr war der letzte Konzernvorstands der Lütkestratkötter-Ära und zu diesem Zeitpunkt der achte Top-Abgang seit Stielers Amtsantritt.
Die Leiterin der Konzernkommunikation, Jutta Hobbiebrunken, verlässt ebenfalls nach der verlorenen Übernahmeschlacht Mitte Mai 2011 das Unternehmen. Hobbiebrunken galt als enge Vertraute des früheren Vorstandschefs Herbert Lütkestratkötter. Sie war seit 1994 bei Hochtief und baute die Konzernkommunikation im In- und Ausland auf.
Vorstandsmitglied Peter Noé wollte nach dem Einstieg der Spanier nicht länger für Hochtief tätig sein, er verabschiedete sich kurz nach der feindlichen Übernahme im Mai 2011.
Finanzvorstand Burkhard Lohr tritt kurz nach der Übernahme durch ACS ab. Lohr mochte sich nicht mit dem neuen Mehrheitseigner abfinden. Er wird durch vom ehemaligen Ferrostaal-Manager Peter Sassenfeld ersetzt.
Ende Oktober 2011 wirft der Vorstandschef der Bausparte Hochtief Solutions, Henner Mahlstedt, den Bettel hin.
Der Finanzvorstand der Sparte Solutions, Heiner Helbig, 54, wirft im Herbst 2011 das Handtuch, gemeinsam mit seinem Kollegen Henner Mahlstedt.
Die Berufung von Matuschka widerspricht dem Szenario nur scheinbar. Tatsächlich passt sie bestens dazu. Als Vertreter der Leitenden Angestellten im Aufsichtsrat der Hochtief AG hat Matuschka seit 2011 „immer geschmeidig die Position von ACS vertreten“, erinnert sich einer der vielen von Fernandez geschassten Hochtief-Manager. Dafür sei er belohnt worden – erst mit der Führung von Hochtief Solutions, nun mit dem Vorstandssitz im obersten Gremium. Zuständig soll der 50-Jährige dort für das europäische Baugeschäft sein, dessen Mannschaft Fernandez durch Verkäufe und Personalabbau gerade von rund 10.000 auf 3000 Beschäftigte marginalisiert.
Warum Matuschka der richtige Mann für eine bessere Zukunft der Europa-Bausparte sein soll, bleibt Fernandez´ Geheimnis. Denn Matuschka kommt nicht aus der Baubranche, sondern aus dem Bereich Facility Management, den Fernandez gerade verkauft hat. Die meisten der hervorragenden Bau-Manager hingegen, die Hochtief mal hatte, hat Fernandez vor die Tür gesetzt, oder sie wandern halb freiwillig, halb unfreiwillig zur Konkurrenz ab.
Der Brain-drain und die Demontage von Hochtief im Europa-Geschäft sind offensichtlich. Das frühere Flaggschiff der deutschen Bauwirtschaft segelt ja seit nun schon drei Jahren unter spanischer Flagge und macht keinen guten Eindruck mehr.
Seine Führungsmannschaft meint es mit dem einstigen deutschen Vorzeigeunternehmen so gut wie einst die Conquistadores mit den Indianern. Sie verfolgen auch denselben Zweck: alle auffindbaren Werte – damals Gold, heute Euro und Aktien – transportabel zu machen und nach Spanien zu bringen. Zerstört wurde bei Hochtief wie vor Jahrhunderten in Südamerika: eine stolze Kultur.