Heidelberg Cement Beton-Protest gegen den Zementkonzern

Trotz enttäuschender Zahlen gibt es bei der Hauptversammlung von Heidelberg Cement kaum Kritik von den Aktionären. Für Aufregung sorgt aber ein Protest mit einbetonierten Füßen – und ein indonesisches Zwischenspiel.

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„Wir blicken weiterhin verhalten zuversichtlich auf das Jahr 2017.“ Quelle: dpa

Heidelberg Hauptversammlungen beim Dax-Konzern Heidelberg Cement sind in der Regel eher ruhigere Angelegenheiten, zumal sich der Konzern in den vergangenen Jahren stabilisiert hat und seine Aktionäre mit deutlich steigenden Ausschüttungen verwöhnt. Für 2016 stieg die Dividende um 23 Prozent auf 1,60 Euro.

Im Publikum in der Heidelberger Stadthalle begrüßte Vorstandschef Bernd Scheifele dann auch vor allem ehemalige Beschäftigte des größten deutschen Baustoffkonzerns. Die Aktionärsvertreter hielten sich trotz der etwa enttäuschenden Zahlen des ersten Quartals mit Kritik zurück.

Der größte Aufreger fand jedoch vor den Toren des am Neckar gelegenen roten Backsteinbaus statt. Mehrere Umweltaktivisten ließen sich die Füße einbetonieren. Sie protestierten so gegen den Bau eines Zementwerkes und den Abbau von Rohstoffen im indonesischen Kendeng-Gebirge. Das Einbetonieren sollte die Ohnmacht der Bauern in der ländlichen Region verdeutlichen.

Eine Vertreterin der indonesischen Umweltaktivisten, die sich als Gunarti vorstellte, sprach auf der Hauptversammlung und forderte den Stopp des Zementwerkprojektes von Indocement, an der der Heidelcement mit 51 Prozent beteiligt ist. Dieses entziehe den Bauern die Lebensgrundlage. Es geht unter anderem um die Wasserversorgung aus einem Karstgebiet.

Die Aktivistin übergab Vorstandschef Scheifele eine Unterschriftensammlung mit einem Bild der Bauern, die sich bei einer ähnlichen Aktion wie in Heidelberg ihre Füße vor dem Präsidentenpalast in Jakarta hatten einbetonieren lassen. Bei einem dieser Proteste war eine Frau ums Leben gekommen. Überraschend lang anhaltenden Applaus erhielt sie von den Kleinaktionären, zumindest von denen, die im Saal geblieben waren. Die andere Hälfte hielt sich da bereits an den Würstchen mit Kartoffelsalat schadlos. Im Saal sang unterdessen Gunarti nach der Unterschriftenübergabe noch ein Lied, das zum Widerstand gegen das Projekt aufforderte. Am Schluss hob die zierliche Indonesierin kämpferisch die rechte Faust.

Versammlungsleiter und Aufsichtsratschef Fritz-Jürgen Heckmann ließ die ungewöhnliche Einlage gewähren, verwies aber darauf, dass man diesen Gesangsbeitrag nur ausnahmsweise zugelassen habe. Der Konzern hatte Ende Oktober eine Pressemitteilung veröffentlicht, in der er den Vorwurf, die Lebensgrundlage der Bevölkerung zu zerstören, zurückweist.

„Wir wissen, dass wir eingreifen. Wir wissen, dass wir Löcher in die Landschaft reißen“, sagte der Aufsichtsratschef später. Der Konzern investiere viel in die Rekultivierung stillgelegter Steinbrüche. Nach den Beobachtungen des Managements sei danach meist die Biodiversität höher als zuvor. Grundsätzlich sehe sich der Konzern der Nachhaltigkeit voll und ganz verpflichtet.

Vorstandschef Scheifele ging intensiv auf den Fall in Indonesien ein. Der Konzern hatte ursprünglich die Kapazitäten in Indonesien aufbauen wollen, zwischenzeitlich entstanden im Land aber große Überkapazitäten. Scheifele verwies darauf, dass bei Indocement noch kein Spatenstich erfolgt sei. Derzeit gebe es insgesamt hohe Überkapazitäten in Indonesien, sodass derzeit ein Baubeginn nicht absehbar sei. Eine Entscheidung, ob das Projekt endgültig fallen gelassen werde, gebe es aber nicht.


Diskussion um die Managergehälter

Indocement halte sich an das geltende Gesetz vor Ort, betonte Scheifele. Der Fall sei durchaus typisch. „Wir versuchen die Belange der Bevölkerung zu berücksichtigen. Wir haben mit den Menschen vor Ort gesprochen“, sagte der Vorstandschef. Die Planungsphase von sieben Jahren zeige, dass ein intensiver Austausch beim Genehmigungsverfahren stattgefunden habe. Indocement habe die Genehmigung erhalten, während der Bau eines Konkurrenzwerkes gestoppt wurde. Entschieden wehrte sich Scheifele gegen den Vorwurf, dass Indocement für den Tod einer Frau verantwortlich sei, die bei den Protesten in Indonesien einen Herzinfarkt erlitten hatte.

Bei der Versammlung wurde auch über die Managementgehälter diskutiert. Ein ehemaliger Beschäftigte vermisste den alten „Heidelberger Geist“. Einer der Gründe sei die extrem hohe Vorstandsvergütung im Verhältnis zum einfachen Facharbeiter. Scheifele hatte 2016 fast zehn Millionen Euro verdient und war damit unter die Topverdiener bei den Dax-Konzernen vorgestoßen. Der Aufsichtsratschef verteidigte das Vergütungssystem auf der Versammlung. „Wir haben eine sehr hohe erfolgsabhängige Komponente“, betonte Heckmann.

Trotz der etwas enttäuschenden Zahlen des ersten Quartals hielten sich kritische Äußerungen zum Geschäftsverlauf in sehr engem Rahmen. Dabei hatte Heidelberg Cement im ersten Quartal wegen Preisrückgängen in Schwellenländern entgegen der Markterwartung operativ weniger verdient. Auf vergleichbarer Basis, also einschließlich des Mitte 2016 übernommenen italienischen Produzenten Italcementi, sank der Gewinn vor Steuern und Abschreibungen um drei Prozent auf 383 Millionen Euro, wie der Hersteller von Zement, Sand und Beton am Mittwoch mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Analysten hatten dagegen mit einem Anstieg auf 405 Millionen Euro gerechnet.

Das Ergebnis in Europa und Nordamerika sei zwar trotz der wetterbedingt flauen Baukonjunktur deutlich gestiegen. Doch Preisrückgänge in den wichtigen Märkten Indonesien und Ghana sowie leicht höhere Energiekosen belasten das Ergebnis. Zudem war das Auftaktquartal vor Jahresfrist wegen der lebhaften Baukonjunktur und niedrigerer Energiekosten ungewöhnlich stark ausgefallen.

Der Dax-Konzern bekräftigte seinen Ausblick auf das Gesamtjahr: Der operative, um Sonderfaktoren bereinigte Gewinn soll moderat und damit um rund fünf bis zehn Prozent steigen. Der Jahresüberschuss soll vor Sondereffekten deutlich, also zweistellig, verbessert werden. „Wir blicken weiterhin verhalten zuversichtlich auf das Jahr 2017“, erklärte Scheifele.

Der Umsatz stagnierte auf vergleichbarer Basis bei 3,78 Milliarden Euro, durch die Übernahme von Italcementi stieg er um ein Drittel. Die Integration des früheren Familienunternehmens aus Bergamo mache gute Fortschritte. Mehr als 2500 Stellen würden abgebaut, mehr als ursprünglich geplant, und die Anlagen auf Effizienz getrimmt. „Das Synergieziel von 470 Millionen Euro gilt unverändert“, ergänzte Scheifele.

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