Weiß spricht in großer Herzlichkeit von den Kaesers. Zur Sicherheit hat er am Vorabend noch mit Joe Kaeser persönlich geredet. „Antworte einfach auf die Fragen“, habe der ihm mitgegeben. Und das tut der ehemalige Dorfschulrektor also. Es seien ja nicht nur Kaesers großzügige Spenden für Heimatverein und Bauerntheater. Wer ich nach einer Anekdote fragt, die Kaeser gut beschreibt, der bekommt etwa die Geschichte vom Starkbierfest erzählt, das alle zwei Jahre stattfindet.
Wenn die Gemeinde da nach einem Ehrengast fahnde, dann sei es jedes Mal Kaeser, der die politische Prominenz besorge: Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner war schon da, CSU-Grande Theo Waigel und Innenminister Joachim Herrmann. Kaeser kennt sie alle – und Joe Kaeser bringt sie gerne mit in sein Dorf. „Die kämen ja normalerweise nie hierher“, sagt Weiß, „aber durch Joe Kaeser eben schon.“
In welchen Sparten Stellen wegfallen
Die Kraftwerkssparte „Power and Gas“ gehört zu den umsatzträchtigsten Geschäftsfeldern von Siemens und soll nun den Löwenanteil der Stellenstreichungen tragen. 6100 Jobs sollen hier wegfallen. Im Schlussquartal des abgelaufenen Geschäftsjahres steuerte die Sparte 3,65 Milliarden Euro zum Konzernumsatz von 22,3 Milliarden Euro bei. Weltweit arbeiteten dort Ende September 46.800 Beschäftigte, in Deutschland waren es 16.100. Die Zahlen an deutschen Standorten mit über 200 Mitarbeitern verteilten sich gerundet wie folgt: Mülheim 4500, Berlin 3700, Erlangen 2800, Duisburg 1800, Görlitz 700, Offenbach 700, Erfurt 600, Leipzig 200.
Im Geschäftsfeld Prozessindustrie und Antriebe beschäftigte Siemens zum Stichtag Ende September weltweit rund 44.800 Leute, davon 15.400 in Deutschland. Dieses Geschäft schwächelt seit einiger Zeit. Im Schlussquartal 2017 konnte Siemens erste Erfolge jüngster Einsparungen erzielen: Der Bereich kehrte im Vergleich zum Vorjahr wieder in die schwarzen Zahlen zurück. Mit 2,39 Milliarden Euro war der Umsatz im Schlussquartal zwei Prozent geringer als im Vorjahreszeitraum. Die Beschäftigungszahlen an deutschen Standorten mit über 200 Mitarbeitern verteilten sich gerundet wie folgt: Nürnberg 3400, Karlsruhe 2600, Erlangen 1700, Bocholt 1500, Voerde 1400, Ruhstorf 1000, Berlin 800, Penig 600.
Oder der Tag, als Kaeser 2013 vom Finanzvorstand zum Siemens-Direktor wurde. Da habe man spontan zu seinen Ehren einen Empfang vor Kaesers Haus ausgerichtet. Alle Vereine und Gesellschaften seien bei der Familie mit großem Pomp vorbeigezogen. „Der Kontakt zu den Leuten“, sagt Weiß, das sei Kaeser schon wichtig. Nie, glaubt der Freund, würde er hier weggehen. „Diese einfache, klar strukturierte Welt hier ist das wo er sich wohlfühlt. Er schätzt, dass man sich hier respektiert und einander in Ruhe lässt.“ Siemens jedenfalls, das sagt Weiß noch, sei hier eigentlich nie ein Thema. Auch der angekündigte Jobabbau nicht. „Die Menschen hier nehmen ihm schon ab, dass er das alles nur zum Besten des Unternehmens macht.“
Diese Sicht bekommt öfters geboten, wer sich ein bisschen in der Gegend umhört. Das Dorf dankt Kaeser seinen Einsatz für die Region mit Schweigen. Siemens und die große Weltpolitik sind hier selten Thema. Vielmehr versucht man, die berühmte Familie in Ruhe zu lassen und gewogen zu halten.
Kaesers Frau Rosemarie sitzt seit Jahren für die CSU im Gemeinderat, engagiert sich ehrenamtlich als Lesepatin. Immer wieder wird das Paar bei örtlichen Veranstaltungen gesichtet – kräftig unterstützt von den Lokalzeitungen die jeden dieser Auftritte des berühmtesten Arnbrucker-Paares registrieren. „Frau Kaeser gefällt sich in der Rolle der Charity-Lady“, sagt einer, der die Region seit langem beobachtet. „Aber ich glaube nicht, dass die Menschen in Arnbruck Joe Kaeser als einen der ihren betrachten. Er spielt doch in einer ganz anderen Liga.“
Er meint das nicht negativ. Vielmehr sei es doch ganz normal, dass jemand mit sieben Millionen Euro Jahreseinkommen eine andere Lebenswirklichkeit habe als ein Landwirt oder Förster. Dafür sorge allein schon die Sicherheitsstufe: mehrmals am Tag schaut die Polizei bei Kaesers nach dem rechten. Da sei es schwer, auf dem Boden zu bleiben. Dennoch nehme man im Ort Kaeser seine Heimatliebe und Verbundenheit zur Region ab. „Irgendwoher muss man ja schließlich kommen, auch als Siemens-Chef“, sagt er. Und in Arnbruck lasse es sich doch nun wirklich hundertmal besser zur Ruhe kommen, als in München.
Damit trifft er womöglich genau den Punkt. Es geht Kaeser womöglich gar nicht nur um Bodenhaftung, wenn er nach Arnbruck kommt – es geht um Abstand. Und den gewinnt man tatsächlich recht schnell, hier am Ende der Welt, wo alles Hektische weit weg ist.