Heinrich Hiesinger „Wir müssen die Transformation von Thyssen-Krupp fortsetzen"

Heinrich Hiesinger will Thyssen-Krupp neu ausrichten. Auf der Hauptversammlung bekommt er dabei kaum Widerspruch. Aktionäre verlangen aber mehr Mut zur Veränderung und eine Lösung für die kriselnde Stahlsparte.

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Der Thyssen-Krupp-Chef warb für mehr Zeit für eine Konsolidierung der Stahlsparte. Quelle: dpa

Bochum Es ist ein kleiner Trupp von Stahlarbeitern, der mit seinen knallroten T-Shirts für einen Farbtupfer auf der Hauptversammlung von Thyssen-Krupp sorgten: „Wir schaffen Werte“ prangt in großen weißen Lettern auf der Brust, „das Management vernichtet sie“. Es ist die Furcht vor Standortschließungen und Stellenabbau, die die zwei Dutzend Hüttenwerker vor die Bühne treibt.

Doch der Protest bleibt friedlich und verhalten – auch die Mitarbeiter an den Stahlstandorten von Thyssen-Krupp wissen, dass es Veränderungen geben muss. Dafür sind die Bedingungen auf den Stahlmärkten zu schwierig: Überkapazitäten drücken auf die Preise, Billigstahl vor allem aus Asien sorgt dafür, dass kein Konzern in Europa derzeit seine Kapitalkosten verdient.

Vor den gut 2000 Aktionären warb Konzernchef Heinrich Hiesinger an diesem Freitag in Bochum erneut für eine Konsolidierung der Branche: „Sparprogramme verschaffen uns nur eine kurze Atempause“, sagte er. „Ohne grundlegende Änderungen würden wir unweigerlich ein Restrukturierungsprogramm nach dem anderen anstoßen müssen.“

Wie dramatisch die Situation für Thyssen-Krupp im abgelaufenen Geschäftsjahr war, machte Hiesinger mit einem Blick auf die erste Hälfte deutlich: In den ersten sechs Monaten hatte das Werkstoffgeschäft des Konzerns mit Steel Europe, der Hütte in Brasilien und den Handel zwar Geschäfte im Umfang von zehn Milliarden Euro abgewickelt, aber keinen Gewinn erzielt. Obwohl die Mannschaft nach Aussage Hiesingers einen „fantastischen Job“ gemacht habe, sei ein solches Ergebnis „frustrierend."

Der Konzernchef ließ erneut offen, ob, wann und mit wem ein solcher Konsolidierungsschritt kommen werde. Er warb stattdessen für mehr Zeit. „Jedem möglichen Joint Venture muss ein überzeugendes industrielles Konzept mit entsprechenden Synergien zu Grunde liegen“, sagte Hiesinger. „Auch wir wünschen uns eine zügige Lösung, aber es muss eine gute Lösung sein.“ Für die Verhandlungen mit Tata Steel Europe heiße das, dass der Wettbewerber mit seinen Standorten in Großbritannien und den Niederlanden eine tragfähige Lösung für seine hohen Pensionsverpflichtungen finden müsse.


Investoren fordern mehr Mut zur Veränderung

Diese Botschaft Hiesingers kam bei den meisten Aktionären gut an – von kritischen Äußerungen in einzelnen Punkten mal abgesehen. Sie lobten die grundsätzliche Strategie des Konzernchefs, bemängelten aber das aus ihrer Sicht zu geringe Tempo beim Umbau von Thyssen-Krupp. „Die Zukunft des Konzerns liegt im Technologiegeschäft und nirgendwo anders“, sagte Ingo Speich von der Investmentgesellschaft Union Investment. „Die Marschrichtung stimmt, das Tempo nicht.“

Speich verlangte vom Management mehr Mut zur Veränderung. „Sie müssen, wo nötig, auch unbequeme Entscheidungen treffen, um den Konzern zukunftsfest und profitabel zu machen.“ Handlungsbedarf sieht Speich insbesondere bei der geringen Eigenkapitalquote, die auf 7,4 Prozent abgesunken ist. „Wenn Thyssen-Krupp schon im robusten Konjunkturumfeld Schwächen zeigt, wie will man sich dann bei konjunkturellem Gegenwind behaupten?“ Um die Bilanz zu stärken, warb Speich dafür, keine Dividende von 15 Cent je Anteilsschein und damit insgesamt 85 Millionen Euro an die Aktionäre auszuschütten.

Hans Martin Buhlmann von der Vereinigung institutioneller Privatanleger verlangte dagegen von der Konzernspitze endlich einen Zeitrahmen, wann die Geschäfte endlich besser laufen und Gewinn und Umsatz steigern. „Sie sollen nicht ankündigen, sondern sagen, wann!“

Hiesinger betonte in seinen Antworten an die Aktionäre mehrfach die Notwendigkeit, sich stärker auf das stabilere Industriegeschäft zu konzentrieren. Wenn es eines Beweises bedurft hätte, wie wichtig es für den Konzern ist, sich mittelfristig vom volatilen Stahlgeschäft zu verabschieden – das abgeschlossenen Geschäftsjahr hat es für den Konzernchef erbracht.

„Die großen Schwankungen auf den Werkstoffmärkten zeigen, dass wir die Transformation von Thyssen-Krupp zu einem starken Industriekonzern fortsetzen müssen", sagt er. „Unser Ziel ist es, den Anteil der Industriegüter- und Dienstleistungsgeschäfte auszubauen und profitabel zu wachsen. Das ermöglicht uns, in Zukunft stabilere Ergebnisse zu erzielen.“

Unabhängig davon muss die Stahlsparte weiter eigene Anstrengungen unternehmen, effizienter zu produzieren und die Leistungsfähigkeit zu verbessern. Dazu gehörten auch weitere Restrukturierungsmaßnahmen. So soll Stahlchef Andreas Goss allein in diesem Jahr weitere 200 Millionen Euro einsparen. Ergebnisse oder Entscheidungen im Hinblick auf Standorte oder Anlagen seien im Frühsommer zu erwarten. Es sei gut, dass Hiesinger die Stahlkonsolidierung voranbringe, hieß es im Umfeld eines Großaktionärs. „Es könnte aber durchaus auch schneller gehen.“

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