Hidden Champions aus China Die neuen Angreifer aus Fernost

Züge, Flugzeuge und Smartphones: China will seine Industrie modernisieren und weltweit neue Märkte besetzen. Welche Unternehmen Siemens, Airbus und Co. künftig Konkurrenz machen sollen.

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Chinas Exportschlager CNR, Comac und Xiaomi Quelle: Marcel Stahn

In der Werkhalle sind nur noch wenige Arbeiter. Ruhig ist es deshalb aber nicht, die Produktion läuft auf Hochtouren – mit intelligenten Maschinen. Alles in der Fabrik ist vernetzt, überall in der Produktion werden Daten gesammelt. Der Computer weiß stets, wo sich welches Werkstück in welchem Zustand befindet. So kann er die Prozesse kontinuierlich optimieren.

Es klingt nach dem Traum vieler deutscher Industriemanager. Die intelligente Fabrik, die sich selbst organisiert und optimiert. Gelebte Industrie 4.0. Es gibt nur einen Haken: Das beschriebene Werk steht nicht in Deutschland, nicht einmal in Europa. Es ist die Halle 18 von Sany im zentralchinesischen Changsha. Chinas größter Maschinenbauer stellt hier Asphaltiermaschinen und Betonmischer her.

Die fünf großen Gefahren für Chinas Wirtschaftswachstum

Sany ist nicht das einzige Unternehmen mit einer hochmodernen Fertigung: China treibt den Umbau der Wirtschaft mit einer Modernisierungsoffensive voran. Binnen zehn Jahren soll sich das Land von einem Billigproduzenten zu einem High-Tech-Standort wandeln – so will es die jüngst vorgestellte „Made in China 2025“-Kampagne der Regierung. So sollen künftig etwa Raumfahrt, Mobilfunk, Datenverarbeitung, Internethandel, Biotechnologie, erneuerbare Energien und der Bau von Hochgeschwindigkeitszügen verstärkt gefördert werden.

Züge bald aus China?

Die Kampagne ist eine Kampfansage an die westlichen Industriemächte. „China wird häufig unterschätzt“, sagt Jost Wübbeke vom Mercator Institute for China Studies (Merics). „In der Breite gibt es zwar noch eine große Lücke in der Produktionstechnologie, große Unternehmen investieren aber stark in fortschrittliche Fabriken und Maschinen.

Industrial Internet, Advanced Manufacturing und Vernetzung sind die Faktoren, die die Zukunft der Arbeit bestimmen.

Wie das aussehen kann, zeigt unter anderem die Zugbranche. Auf Druck der Regierung fusionieren die beiden chinesischen Bahnkonzerne CNR und CSR zu einem Gemeinschaftsunternehmen mit 170.000 Mitarbeitern. Die beiden Firmen – einst aus der Aufspaltung des Staatsmonopolisten hervorgegangen, um den Wettbewerb zu befeuern – sollen die Grabenkämpfe überwinden und ihre Kräfte bündeln, um auf dem Weltmarkt anzugreifen.

GE, Siemens, Alstom & Konkurrenz im Vergleich

Die Deutsche Bahn bezieht seit Jahren ihre Züge von Siemens, Alstom oder Bombardier aus Kanada. Künftig, so ließ das Unternehmen kürzlich wissen, wolle man Züge und Ersatzteile in China kaufen. „In drei bis fünf Jahren kann Asien und speziell China eine Schlüsselfunktion im Einkauf für die Deutsche Bahn erlangen“, sagte Vorstandsmitglied Heike Hanagarth der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Dazu will der Konzern im Herbst ein Einkaufsbüro in China eröffnen.

China hat Nachholbedarf bei Technologien

Für europäische Unternehmen wie Siemens heißt das: Bloß nicht ausruhen. „Wenn China technologisch aufholt, wird es mit hochwertigen Produkten konkurrieren. Und das zu sehr günstigen Preisen“, sagt Wübbeke. „Durch die großzügige staatliche Unterstützung können es sich große Staatsunternehmen und einige Privatunternehmen leisten, Qualität zu Dumpingpreisen anzubieten. Die Regierung will mithilfe einer umfassenden Industriepolitik gezielt internationale Märkte besetzen.“ Im Kampf um die Märkte nehme sie auch einen Preiskampf in Kauf.

Der Preis bleibt wichtig, soll aber nicht mehr der alleinige Kaufgrund für ein chinesisches Produkt sein. Moderne Produktionsanlagen werden helfen, auch die Qualität zu steigern. Das Potenzial bei Effizienz und Produktivität ist enorm, weil heute bei der Produktionstechnologie noch Nachholbedarf besteht. Bislang kommen auf 10.000 chinesische Industriearbeiter nur 14 Industrieroboter. In Deutschland sind es schon 282.

„Industrie 4.0 ist noch in weiter Ferne. Bis flächendeckend fortschrittliche Produktionsanlagen zum Einsatz kommen, wird es noch dauern“, schätzt der Merics-Experte. „Es kommt aber auf die führenden chinesischen Konzerne an. Durch Verbesserungen bei Qualität und Effizienz werden sie international immer wettbewerbsfähiger.“

Chinas Billig-Strategie ist am Ende

China hat inzwischen die größte verarbeitende Industrie der Welt aufgebaut. Im Jahr 2013 setzte sie 2,74 Billionen Dollar um – im selben Zeitraum waren es in den USA 2,03 Billionen, in Deutschland 745 Milliarden Dollar. Doch zuletzt hat das Wachstum einen starken Dämpfer erlitten. Die chinesische Konjunktur verliert an Fahrt. Die Industrie muss in Zukunft mehr Geld im Ausland verdienen, um die Einbrüche aufzufangen. Ein Vorhaben, das die Regierung ausdrücklich unterstützt.

Der Wandel von der Werkbank der Welt zu einem Anbieter hochwertiger Produkte wird noch von einem anderen Faktor beschleunigt: den steigenden Löhnen. „Die Zeit der unbegrenzten, billigen Arbeitskraft ist vorbei. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen die Unternehmen mehr in Maschinen investieren“, sagt Wübbeke. „Das zeigt sich gerade im Süden Chinas, wo zahlreiche Unternehmen nach Südostasien abwandern, weil die Löhne in China sehr stark gestiegen sind.“

China setzt falsche Anreize

Vom Trend zu moderneren Fabriken wird vor allem der Maschinen- und Anlagenbau profitieren. Digitalisierte Produktionsanlagen wie in Sanys Werkhalle Nummer 18 sind die absolute Ausnahme, dennoch ist China inzwischen der wichtigste Markt für Industrieroboter. Unter der im vergangenen Herbst von der Accountancy Futures Academy (Acca) aufgestellten Liste „China’s next 100 global giants“ sind allein acht Maschinenbauer und elf metallverarbeitende Betriebe.

Das alte Modell billiger Massenproduktion funktioniert nicht mehr. China braucht Effizienz- und Qualitätsgewinne durch technologischen Fortschritt, um wirtschaftlich erfolgreich zu bleiben.

Die nächsten 15 Giganten aus China

Zwar investieren die chinesischen Unternehmen inzwischen mehr in Forschung und Entwicklung. Doch das reicht noch nicht. „Chinas Staatsunternehmen sind nicht innovativ. Ihre Strategie ist es, Wachstum auf Niedrigpreis-Exporte zu stützen, die technisch hinterherhinken. Das hat keine Zukunft“, sagte Professor Hu Xingdou vom Technischen Institut Peking der „Süddeutschen Zeitung“.

Revolution in der Smartphone-Branche

Der Staat setzt zwar Anreize, so gibt es zum Beispiel für innovative Unternehmen Steuererleichterungen. Gemessen wird die Innovationskraft dabei an der Anzahl der Patente. Doch das hat nicht den gewünschten Effekt gebracht: Statt zu intensiverer Forschung führte die Regelung nur zu technologisch zweifelhaften Patenten. „Trotz staatlicher Anreize ist die Innovationsfähigkeit der Unternehmen unter den Erwartungen geblieben“, sagt Wübbeke. „Es gibt Ausnahmen, gerade Hightech-Unternehmen wie Huawei und ZTE geben viel in diesem Bereich aus.“

Doch selbst diese beiden Unternehmen wurden im vergangenen Jahr von einem weiteren Emporkömmling übertroffen. Der größte Smartphone-Hersteller in China heißt inzwischen Xiaomi. Laut den Zahlen des Marktforschers IDC kam das erst 2010 gegründete Unternehmen im vergangenen Jahr auf einen Marktanteil von 12,5 Prozent aller Smartphone-Verkäufe in China. Der bisherige Führer Samsung fiel von 18,7 auf 12,1 Prozent.

Global betrachtet ist Xiaomi von Samsung und Apple noch ein Stück entfernt, hat sich aber dennoch als ernstzunehmende Kraft auf dem Smartphone-Markt etabliert. 61 Millionen Geräte hat Xiaomi nach eigenen Angaben 2014 weltweit verkauft. Bei Samsung waren es 318 Millionen Stück.

Nicht in allen Branchen klappt der Angriff

Was Xiaomi geschafft hat, können auch Onlinehändler aus dem Reich der Mitte erreichen. Der Internethandel boomt, das größte Geschäft machen die chinesischen Anbieter derzeit aber noch auf dem Heimatmarkt. „In anderen Ländern ist eCommerce ein Weg einzukaufen“, sagt Alibaba-Gründer Jack Ma. „In China ist es ein Lebensstil.“

In der internationalen Wahrnehmung dominiert Alibaba - nicht nur wegen des größten Börsengangs aller Zeiten im vergangenen Herbst. Im Schatten von Jack Mas Riesenkonzern konnten sich mit Daminwang und Jingdong weitere Anbieter etablieren, die auch den Sprung aus China schaffen können. Einkaufen bei Alibaba statt Amazon.

China

In einigen Branchen haben es Unternehmen aus China in kürzester Zeit unter die besten der Welt geschafft. In anderen Gebieten dürfte es laut Experte Wübbeke weniger schnell gehen. Zwar ist China der größte Automarkt der Welt, chinesische Hersteller haben es aber noch nicht geschafft, sich im Ausland als echte Konkurrenz zu etablieren.

Starke Chancen bei Elektroautos

„Das technologische Niveau der chinesischen Autoindustrie reicht derzeit bei weitem nicht aus, um auf dem Weltmarkt gegen westliche Autobauer antreten zu können“, erläutert Wübbeke. „China fördert aber gezielt Zukunftstechnologien wie die Elektromobilität. Wenn es China hier gelingt, den Technologierückstand zu verkürzen, könnten starke Wettbewerber entstehen.“

Fahrzeugproduktion und -absatz in China seit 2008

Gute Karten hat da BYD (Build your dreams). Im Gegensatz zu anderen chinesischen Autobauern wie FAW (First Automotive Works) oder SAIC (Shanghai Automotive Industry Corporation) hat BYD nicht auf die Auftragsfertigung gesetzt, sondern konsequent Eigenentwicklungen produziert und verkauft.

Während FAW und SAIC stark von der Technologie ihrer Joint-Venture-Partner wie Volkswagen abhängig sind, hat sich BYD hier einen Vorteil verschafft. Als Tochter des weltweit größten Akku-Herstellers mit gleichem Namen hat BYD vor allem in der Batterietechnik einen Vorsprung. Da die Regierung derzeit nur in China produzierte Elektroautos fördert, haben internationale Größen wie zum Beispiel Tesla auf dem chinesischen Markt das Nachsehen.

Manchmal steht China sich selbst im Weg

In der Luftfahrt will China mit einem eigenen Unternehmen die Weltmarktführer Airbus und Boeing angreifen. Doch nach den Einschätzungen der meisten Experten dürfte diese Attacke ins Leere laufen – weil die Chinesen den Zeitplan nicht einhalten.

In diesem Jahr soll zwar die erste Passagiermaschine aus eigener Entwicklung an eine lokale Fluglinie ausgeliefert werden, die ARJ21 der Commercial Aircraft Corporation of China (Comac). Um in der Liga von Boeing und Airbus mitspielen zu können, reicht die ARJ21 mit höchstens 90 Sitzplätzen nicht aus. Ein eigenes Modell als Konkurrenz zu den Bestsellern Airbus A320 und Boeing 737 sollte längst in der Luft sein. Sollte. Die kleine ARJ21, die höchstens 90 Passagieren Platz bietet, reicht für die angekündigte neue Ära des Flugzeugsbaus kaum aus.

Die größten Business-Jet-Bauer

Bereits 2016 sollten die ersten Exemplare der Comac C919 ausgeliefert werden, offenbar liegen 450 Bestellungen von vornehmlich chinesischen Airlines vor. Doch noch ist die C919 nicht einmal zu Testflügen abgehoben.

Chinesische Medien gehen inzwischen von einer Premiere im Jahr 2020 aus – vier Jahre nach Plan. Chinesische Luftfahrtingenieure haben bislang ausschließlich Kampfjets gebaut – für das erste große Passagierflugzeug fehlt den Technikern schlichtweg die Erfahrung. In der Folge müssen zahlreiche Entwicklungsschritte bei der Konstruktion an internationale Partner ausgelagert werden. Der Aufwand ist höher als gedacht.

Damit könnten sich die Chinesen selbst ein Bein gestellt haben. Der angekündigte Vorteil – der geringe Spritverbrauch – wäre 2020 nämlich dahin: Sowohl Airbus als aus Boeing wollen bis dahin technisch verbesserte Versionen von A320 und 737 verkaufen. Die technischen Argumente für die C919 wären auf einen Schlag dahin. Bleiben noch die ökonomischen Argumente: der Preis.

Ein Image, das China eigentlich loswerden wollte.

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