
„Ich habe das Gefühl, dass unser Geschäft nicht immer verstanden wird“, sagt Marcelino Fernandez am Donnerstagmorgen bei der diesjährigen Bilanzpressekonferenz im Tagungsbereich des Düsseldorfer Flughafens. Da hat er Recht: Weder Aktionäre von außen noch Mitarbeiter von innen verstehen derzeit, was mit Hochtief geschieht. Auch die drei Dutzend Journalisten, die Fernandez´ spanisch akzentuiertem Englisch gerade eine Stunde lang zugehört haben – beschleicht das Gefühl, dass die verbal mitgeteilten Neuigkeiten nicht die eigentlichen Botschaften sind.
So will Fernandez wie seit Wochen gemutmaßt ausgerechnet die solide-profitable Hochtief-Service-Sparte verkaufen und liefert dafür die abgedroschene Erklärung, Service passe „nicht zum Kerngeschäft“ von Hochtief. Eine willkürliche Logik. Die Strategie von Bilfinger, sich auf Servicedienstleistungen zu konzentrieren und das Baugeschäft nur noch als Glied in einer Kette von Dienstleistungen zurück zu fahren, war schon in den vergangenen Jahren weit erfolgreicher als es der baulastigere Hochtief-Konzern war. Fernandez zerstört durch den Total-Ausstieg aus dem in der Branche durchaus angesehenen Hochtief-Gebäudemanagement den bisher geltende Anspruch von Hochtief, Anbieter für den ganzen Lebenszyklus von Immobilien zu sein. Und nicht zuletzt erwirtschaftet die Hochtief-Service-Sparte immerhin eine wenigstens solide Umsatzrendite von knapp drei Prozent – im Gegensatz zum defizitär und hoch riskanten Baugeschäft, in dem nun allein die Zukunft liegen soll.
Interessenten stehen Schlange für die Hochtief-Servicesparte
120 bis 140 Millionen Euro könne Hochtief für die Servicebereiche mit fast 6000 Beschäftigten erlösen, schätzten Kenner des Unternehmens Anfang Februar. Potentielle Interessenten für die Sparte gibt es viele. Zu allererst ist das Hochtiefs alter Bau-Konkurrent Bilfinger aus Mannheim: Der vom Ex-Ministerpräsidenten Roland Koch geführte Konzern investiert entschlossen in Dienstleistungsbereiche von Kraftwerksservice über Industrieservice bis hin zur Gebäudetechnik und hatte Anfang des Jahres immer noch eine Milliarde Euro für Zukäufe in der Kasse. Davon ist erst ein Bruchteil ausgegeben. „Der Schwerpunkt der Hochtief-Dienstleistungen liegt in der Gebäudetechnik und würde prinzipiell gut zu Bilfinger passen“, sagt Jörg Hossenfelder von der Marktforschungs- und Beratungsgesellschaft Lünendonk.
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In Frage kommen auch deutsche Familienunternehmen wie Dussmann, Klüh oder Piepenbrock – wobei das Investitionsvolumen bei einem von Hochtief wohl präferierten Verkauf en bloc für sie eine beachtliche Hürde darstellt. Und der expansive Branchenfünfte Wisag ist noch dabei, die jüngsten Zukäufe zu verdauen: 2009 übernahm der in Frankfurt/Main sitzende heutige Branchenfünfte die mit 12.500 Mitarbeitern damals ungefähr gleich große Einheit ThyssenKrupp Industrieservice.
ACS könnte sich über Hochtief sanieren
Wer Hochtief bereits verlassen hat
Nach Informationen der WirtschaftsWoche hat Vorstandschef Marcelino Fernández den Geschäftsführer der Hochtief-Solutions-Sparte Energie und Infrastruktur, Stephan Hebgen, von seinen Aufgaben freigestellt. Ende Oktober 2013 verabschiedete sich Hebgen, der zudem Mitglied im Solutions-Aufsichtsrat war und dort die Leitenden Angestellten vertrat, in einer E-Mail von den Mitarbeitern.
Die spanische Mutter ACS setzt Hochtief-Chef Frank Stieler Ende November 2011 vor die Tür. Er hatte sein Amt erst im Mai 2011 angetreten. Insider vermuten, Stieler haben den Spaniern die Probleme der Tochter nicht schnell genug gelöst und Verkaufspläne nicht entschieden genug vorangetrieben.
Schränkler, 48, leitet als Vorstandsvorsitzender die Sparte Concessions und war Chef der Flughafensparte. Die Sparte hat Chef Stieler zum Teil schon auf andere Manager übertragen, die Flughafensparte steht zum Verkauf. Schränkler muss sich "neuen beruflichen Herausforderungen stellen". Seine Aufgaben übernehmen die beiden verbliebenen Geschäftsführer Holger Linkweiler und Gerhard Schroeder.
Im September 2011 wird Personalchef Gerhard Peters entmachtet. Brisant ist die Entmachtung, weil Peters im Hochtief-Aufsichtsrat sitzt und dort zu den Gegnern der Übernahme durch den spanischen Baukonzern ACS zählte.
Auch Bernward Kulle, Vorstand der Tochter Concessions und Spezialist fürs Geschäft mit Öffentlich-Privaten Partnerschaften (ÖPP), reichte kurz nach der Übernahme die Kündigung ein.
Rocksien, 49, Cheflobbyist in Berlin und Leiter der Abteilung Politik und Verbände der Hochtief AG, verkündete Mitte Dezember 2011 seinen Abschied. Rocksien hatte seit September 2010 vergebens versucht, Bundesregierung und Abgeordnete zu einer schnellen Änderung des Wertpapierübernahmegesetzes zu bewegen, um die feindliche Übernahme von Hochtief durch ACS zu verhindern.
Rohr verlässt den Konzern Ende Dezember 2011. Er war 15 Jahre im Konzern und leitete das Amerika-Geschäft und die Flughafensparte. Rohr war der letzte Konzernvorstands der Lütkestratkötter-Ära und zu diesem Zeitpunkt der achte Top-Abgang seit Stielers Amtsantritt.
Die Leiterin der Konzernkommunikation, Jutta Hobbiebrunken, verlässt ebenfalls nach der verlorenen Übernahmeschlacht Mitte Mai 2011 das Unternehmen. Hobbiebrunken galt als enge Vertraute des früheren Vorstandschefs Herbert Lütkestratkötter. Sie war seit 1994 bei Hochtief und baute die Konzernkommunikation im In- und Ausland auf.
Vorstandsmitglied Peter Noé wollte nach dem Einstieg der Spanier nicht länger für Hochtief tätig sein, er verabschiedete sich kurz nach der feindlichen Übernahme im Mai 2011.
Finanzvorstand Burkhard Lohr tritt kurz nach der Übernahme durch ACS ab. Lohr mochte sich nicht mit dem neuen Mehrheitseigner abfinden. Er wird durch vom ehemaligen Ferrostaal-Manager Peter Sassenfeld ersetzt.
Ende Oktober 2011 wirft der Vorstandschef der Bausparte Hochtief Solutions, Henner Mahlstedt, den Bettel hin.
Der Finanzvorstand der Sparte Solutions, Heiner Helbig, 54, wirft im Herbst 2011 das Handtuch, gemeinsam mit seinem Kollegen Henner Mahlstedt.
Blieben Private-Equitiy-Gesellschaften oder ausländische Wettbewerber als Mitbieter. Der österreichische Baukonzern Strabag könnte versuchen, verstärkt durch die Hochtief-Sparte an Bilfinger vorbei zur Nummer eins in der Gebäudedienstleistung in Deutschland zu werden. Berater Hossenfelder sieht aber auch ausländische Wettbewerber wie den finnischen Bau- und Dienstleistungskonzern YIT, die dänische ISS-Gruppe und den französischen Interessenten in den Startlöchern – den Bauriesen Vinci und den Dienstleister Cofely, der zum halbstaatlichen Energieriesen GDF Suez gehört. „Viele“, so Hossenfelder“, „könnten die Gelegenheit nutzen, um in Deutschland auf einen Schlag aus dem Mittelfeld der Gebäudedienstleistungs-Branche in die Spitzengruppe vorzudringen.“
Andere reiben sich also die Hände. Ob das Hochtief strategisch nutzt, ist fraglich. Es nutzt aber ganz sicher ACS, wenn die Verkaufserlöse von Hochtief-Services, Hochtief-Airports und der Hochtief-Projektentwicklung etwa über Sonderdividenden oder über Kreditgeschäfte zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft die ACS entlasten – ACS leidet unter maximaler Verschuldung und kämpft um seine Selbständigkeit.
Der Kuschelkurs der IG Bau rächt sich
Zum ersten Mal wird sichtbar, dass sich der Kuschelkurs der IG Bau gegenüber ACS in der heißen Übernahmephase Ende 2009 im Nachhinein nicht rentiert. Gewerkschaftschef und Hochtief-Aufsichtsrat Klaus Wiesehügel gehört zu den späten Verlierern der feindlichen Übernahme durch ACS. Die hat der bullige-bärtige Gewerkschafter zumindest erleichtert, als er den damals noch gegen ACS agierenden Hochtief-Betriebsräten in den Rücken fiel. Nun trafen sich die Betriebsräte aufgescheucht zu einer Klausurtagung, schrieben in dieser Woche einen offenen Brief an Fernandez und erinnern den Spanier daran, die Arbeitnehmervertretungen und die Gewerkschaft IG Bau „unverzüglich in den gesamten Prozess mit einzubinden“. „Die Hochtief-Mitarbeiter sind durch die Pläne beunruhigt“, sagt der Konzernbetriebsratsvorsitzende Ulrich Best und fordert Fernandez auf, „seine strategische Entscheidung, das profitable Segment „Service Solutions“ zu verkaufen, eingehend zu überprüfen“.
Warum reduziert Fernandez die Hochtief-Verschuldung auf Null?
Ebenso irritierend wie der Service-Verkauf ist, dass Fernandez plötzlich erklärt, er werde die Verschuldung von Hochtief auf Null reduzieren: „Wir wollen im ganzen Konzern eine positive Cash-Position haben.“ Wozu das gut sein soll, fragten die Journalisten am Donnerstagmorgen in Düsseldorf. Gemessen an Umsatz und Eigenkapitalausstattung ist die Verschuldung von Hochtief ja keineswegs hoch, gemessen an der Finanzlage von ACS ist sie luxuriös. Und die Zinsen sind derzeit so niedrig, dass andere Unternehmen derzeit eher fremdes Kapital aufnehmen. Fernandez erklärt, es würden dadurch Mittel für Investitionen in neue Geschäftsfelder frei. Doch dafür stehen – siehe oben - ja bald die Erlöse aus den Verkäufen großer Unternehmensteile bereit.
Kreditgeschäfte zu Lasten von Hochtief





Eher wird ein Schuh aus der Null-Verschuldungs-Politik, wenn man der Erklärung des Münchener Aktienrechtlers Oliver Maaß von der Kanzlei Heisse Kursawe folgt. Der Rechtsanwalt und kritische Hochtief-Beobachter verweist darauf, dass es wiederum vor allem ACS nützt, wenn Hochtief über Bargeld verfügt: „Das ermöglicht Kreditgeschäfte zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft zu Lasten von Hochtief.“ Und es erleichtert die beginnende Zerschlagung von Hochtief, meint Maaß: “ Sollten die Hochtief-Kreditgeber versuchen, mit Hilfe der sogenannten Ringfencing-Vereinbarungen den Verkauf von Unternehmensteilen zu verhindern, kann Hochtief sie stattdessen ausbezahlen und damit ausschalten.“
Ausgerechnet Frenzel
Hochtief-Aktionäre und –Mitarbeiter suchen nach vertrauensbildenden Botschaften - und finden sie nicht. Dass nun auch noch der gescheiterte TUI-Chef Michael Frenzel bei Hochtief in den Aufsichtsrat einzieht, ist ein Treppenwitz. Frenzel hat das Mandat vermutlich seiner Spanien-Connection zu verdanken. Carmen Riu Guell, Chefin der spanischen RIU-Hotelgruppe und Eignerin eines 5-Prozent-Anteils, sorgte stets dafür, dass Frenzel trotz heftigster Kritik institutioneller und privater Aktionäre bei den Hauptversammlungen entlastet wurde. Frenzel baute zwar den Stahlkonzern Preussag zum größten Reiseveranstalter Europas um. Doch eine Erfolgsgeschichte ist das nicht. In 19 Frenzel-Jahren verlor die TUI-Aktie rund drei Viertel ihres Wertes, während sich der Dax gleichzeitig verdreifachte. Dank ständiger Strategieänderungen verlor die 74.000 Mann und Frau starke TUI-Truppe die Orientierung.





Die Frenzel-Personalie ist für die nach Unternehmensangaben noch rund 10.000 Hochtiefler in Deutschland und die 80.000 in aller Welt also keine gute Nachricht. Klar wird das, wenn Betriebsrat Best an den personell völlig auf den Kopf gestellten und geschwächten Hochtief-Aufsichtsrat appelliert, dafür zu sorgen, dass der Vorstand Erlöse aus Verkäufen „zur Stärkung des Baugeschäfts in Deutschland“ verwendet. Diejenigen im Aufsichtsrat, die ACS wirklich noch Grenzen aufzeigen konnten und wollten, haben längst die Brocken hingeworfen.