Thyssenkrupp verbrennt trotz aller Bemühungen enorme Mengen Geld und benötigt dringend die Mittel aus dem milliardenschweren Verkauf der Aufzugssparte. Der Gesamtkonzern fuhr in den ersten sechs Monaten des Geschäftsjahres 2019/20 (per Ende September) einen Nettoverlust von rund 1,3 Milliarden Euro ein. Dem stark auf die Automobilindustrie ausgerichteten Konzern machte eine schwache Nachfrage der Kunden im Zuge der Coronakrise zu schaffen. Die Stahlsparte, die künftig wieder an Bedeutung gewinnen soll, kämpft zudem mit dem Preisdruck in der Schwerindustrie. Hinzu kommen Restrukturierungskosten für den Umbau des Konzerns.
Für das zweite Halbjahr ist keine Besserung in Sicht – im Gegenteil. Der Umsatz im fortgeführten Geschäft dürfte deutlich zurückgehen, teilte das Unternehmen mit. Im bis Ende Juni laufenden dritten Quartal des Geschäftsjahres sei ein Verlust im hohen dreistelligen Millionen-Euro-Bereich „wahrscheinlich“ und „bis zu gut 1 Milliarde Euro nicht auszuschließen“.
Angesichts der Einbußen im Zuge der Coronakrise fordert Vorstandschefin Martina Merz mehr Tempo bei der Verbesserung der Geschäfte. „Die schwierige wirtschaftliche Lage bei Thyssenkrupp wird durch Corona erheblich verschärft“, wurde Merz vergangene Woche in einer der Nachrichtenagentur Reuters vorliegenden Mitarbeiter-Info zitiert. „Das Unternehmen befindet sich in einer ernsten Situation.“ Wie die meisten anderen Unternehmen müsse auch Thyssenkrupp alles dafür tun, Mittelabflüsse zu vermeiden. Je länger Corona dauere, umso mehr würden die Mittel aus der Elevator-Transaktion aufgezehrt. Damit würden die Spielräume für Investitionen in die Zukunft kleiner. „Wir werden am 18. Mai auch mit dem Aufsichtsrat diskutieren, wie wir damit umgehen. Da arbeiten wir gerade an Lösungen und Optionen. Jetzt gilt es, genauso besonnen wie entschlossen zu reagieren.
Die Thyssen-Krupp-Chefin hofft auf den baldigen Zahlungseingang aus dem Verkauf der Aufzugsparte. Bis Ende des Geschäftsjahres soll das Geld fließen. Acht von 13 notwendigen Kartellfreigaben habe der Konzern schon vorliegen. Ende Februar hatte Thyssenkrupp seine Ertragsperle für 17,2 Milliarden Euro an ein Konsortium aus den Finanzinvestoren Cinven und Advent sowie der RAG-Stiftung verkauft. Merz will in der kommenden Woche Eckpfeiler der künftigen Strategie vorstellen. „Allerdings ist heute schon klar, dass Corona unseren Spielraum deutlich einschränken wird“, räumte sie ein. Im Gesamtjahr erwartet Thyssenkrupp im fortgeführten Geschäft (ohne Aufzüge) ein stark negatives Ergebnis.
Operativ (bereinigtes Ebit) lag der Verlust des Gesamtkonzerns im Halbjahr bei 30 Millionen Euro nach einem Gewinn von 457 Millionen Euro vor Jahresfrist. Allein die Stahlsparte verbuchte einen Verlust von 372 Millionen Euro. Die Sparte Automotive Technology kam auf einen Fehlbetrag von 28 Millionen Euro, Plant Technology schnitt besser als im Vorjahr ab, lag aber am Ende mit 38 Millionen Euro in den roten Zahlen. Wie sehr Thyssenkrupp künftig die Einnahmen aus der Aufzugssparte fehlen werden, wurde an dem Ergebnis von Elevator deutlich: Mit rund 402 Millionen Euro lag das auf dem Vorjahresniveau.
Merz erwartet durch den Verkauf der Sparte eine klare Verbesserung der finanziellen Lage. „Das Closing der Elevator-Transaktion wird zudem einen deutlich positiven Effekt auf den Jahresüberschuss mit einem entsprechend positiven Effekt auf das Eigenkapital und auf die Netto-Finanzschulden des Gesamtkonzerns haben“, betonte der Konzern. Ende März hatte Thyssenkrupp Nettofinanzschulden von 7,5 Milliarden Euro.
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