Holzbau als Mittel zum Klimaschutz Gut Holz!

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„Starke Beharrungskräfte“ und Bauvorschriften bremsen den Holzbau

Im niederbayerischen Ortenburg, rund 20 Kilometer westlich von Passau, sitzt die Sonnleitner Holzbauwerke GmbH. Familiengeführt von Gotthard Sonnleitner. In den vergangenen fünf Jahren, so sagt es Marketingchef Ernst Mötz, hat die Firma ihren Umsatz um 35 Prozent auf 20 Millionen Euro steigern können. „Wir merken eine verstärkte Nachfrage, vor allem nach Mehrfamilienhäusern und Wohnungs- und Objektbauten“, erzählt Mötz. „Wir könnten aufgrund der Nachfrage und der größtmöglichen Fertigungstiefe theoretisch einen Drei-Schicht-Betrieb fahren, dazu fehlen uns aber die Fachkräfte. Das geht aber fast allen in der Branche so.“

Befürworter des Holzbaus wollen den deutschlandweiten Durchschnittswert von 20,6 Prozent anheben. „Im Vergleich mit Österreich hinkt Deutschland noch hinterher“, sagt Sonnleitner-Marketingchef Mötz. In Österreich liegt der Holzbau-Anteil bei rund 35 Prozent. Vorbilder sind auch Länder wie Schweden, Finnland und Norwegen mit Anteilen zwischen 45 und 50 Prozent. Im norwegischen Brumunddal, nördlich von Oslo, steht das mit 85,4 Metern derzeit höchste Holzhochhaus der Welt.

Das Problem: „Die Bauindustrie ist eine vergleichsweise traditionelle Industrie“, erklärt Boston-Consulting-Partner Guse. „Es wirken teilweise starke Beharrungskräfte, aber auch bei den Kunden ist das Thema Holzbau nicht durchweg positiv besetzt. Ein schneller Umstieg auf einen deutlich größeren Anteil von Holzbau ist daher nicht leicht zu realisieren. Das geht bereits bei dem Thema Know-how und Qualifizierung los – die meisten Architekten und Planer dürften nur geringe Erfahrung im Holzbau haben. Dasselbe gilt für Fachkräfte auf dem Bau, die müssten geschult werden.“

Mauerwerk-Industrie kritisiert die Holzbau-Offensive

Eine Kostprobe jener Beharrungskräfte erlebte etwa die Landesregierung Baden-Württembergs infolge ihrer erwähnten Holzbau-Offensive. Die Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau (DGfM) reagierte mit deftiger Kritik. Der Vorsitzende ließ sich mit den Worten zitieren: „Baden-Württemberg ist auf dem Holzweg.“ Die Mauerstein-Industrie wolle nicht tatenlos zusehen, wenn die Landesregierung die Holzbauweise einseitig bevorteile, teilte Geschäftsführer Ronald Rast mit. Der Holzbau werde einseitig mit Steuermitteln gefördert und dies verzerre den Wettbewerb. Die DGfM sprach von einem „Baustoff-Diktat fürs Holz“ und kündigte juristische Schritte an. Ein vom Verband beauftragter Jurist schrieb: „Hier ist eine selektive, ausschließlich einer Branche zugutekommende Wirtschaftsförderung geplant.“

Kritik kommt auch vom Förster und Buchautor Peter Wohlleben. Im Interview mit der WirtschaftsWoche warnte er jüngst vor Aktionismus: einfach nur mehr Holz aus den Wäldern zu schlagen, „widerspricht dem gesunden Menschenverstand“. Er fordert ein Ende der „Nadelholzverliebtheit“ der Deutschen und stattdessen ein natürliches Wachstum heimischer Laubbäume. „Holzverarbeiter sind auf gleichmäßige Lieferungen angewiesen. Also hat die Holzwirtschaft ein großes Interesse an gesunden Ökosystemen, denn sie sorgen für stabilen Nachschub von Rohstoffen.“ Wenn man nur auf wenige Baumsorten setze „und die Plantagen eingehen, wird der Markt mit Holz überschwemmt“. Dem stimmt Fertigbau-Marketingleiter Christoph Windscheif zu: Seine Verbandsmitglieder wollten dasselbe. Keine Monokulturen, dafür Artenvielfalt. „Wir müssen den Wald so umbauen, so dass er nachhaltig ist. Der Begriff Nachhaltigkeit kommt ja aus der Forstwirtschaft. Und wir brauchen den Wald dauerhaft. Darum wollen wir sicherstellen, dass er funktioniert.“

Fehlende Fachkräfte und zu viele Vorschriften

Von diesem Widerstand abgesehen sieht Christoph Windscheif noch zwei weitere Gründe dafür, warum in Deutschland nicht mehr Wohnungsholzbauten entstehen: Auf den Baustellen fehle es an Holzbau-Fachkräften, wie etwa Holzmechanikern. Vor allem aber seien „ordnungsrechtliche Hindernisse“ der einzelnen Länder ausschlaggebend: Laut einer Studie des Thünen-Instituts aus dem Jahr 2014 benachteiligen sechs von 16 Bundesländern das Bauen mit Holz wegen veralteter Landesbauordnungen. Einschränkende Bauvorschriften machten Holzbau unnötig teurer. So schreiben einige Bundesländer bei Holzhäusern ab drei Geschossen besondere Vorschriften vor. In der Schweiz etwa gibt es keine solcher besonderen Vorschriften für Holzbau; dort liegt der Holzbau-Anteil auch wesentlich höher als in Deutschland.

Der Präsident des Deutschen Holzfertigbau-Verbandes Erwin Taglieber fordert deshalb, das Nebeneinander von 16 Landesbauordnungen zu beenden, vor allem im Bereich Brandschutz, wo es die größten Unterschiede gibt. Das Architektur- und Baufachmagazin BBA nennt als Beispiel die „Anleiterhöhe“, jene Fenster, an die Feuerwehrleute im Brandfall eine Leiter anbringen können, um Bewohner zu retten. In Hessen muss dieses Fenster andere Dimensionen haben als in Brandenburg oder Baden-Württemberg, auch gibt es verschiedene Vorgaben, in welcher Höhe diese Fenster angebracht werden dürfen. Hersteller müssen also je nach dem, in welchem Bundesland sie bauen, ihre Hausteile anpassen, was den Bau teurer macht.

Bis 2050: Wohnungsbedingte Emissionen auf null

Auch der niederbayerische Holzbetrieb Sonnleitner macht diese Erfahrung: „Die Bauvorschriften werden immer umfangreicher – vollkommen unbegründet“, kritisiert Marketingchef Ernst Mötz. „Hatten die Einreichunterlagen für ein Bauvorhaben vor drei Jahren noch 40 bis 50 Seiten, sind es heute schon oft 70 Seiten. Das blockiert die Freiheit im Hausbau.“ Zudem werde immer noch fälschlicherweise angenommen, Holzhäuser hätten eine erhöhte Brandgefahr – „dabei brennen Holzhäuser nicht häufiger als Gebäude aus anderen Baustoffen.“

„Es könnten noch mehr Holzhäuser gebaut werden“, sagt Christoph Windscheif. Und er glaubt die Dringlichkeit des Klimaschutzes auf seiner Seite: Im Klimaschutzplan der Bundesregierung gibt es einen „Fahrplan für einen nahezu klimaneutralen Gebäudebestand“: Bis zum Jahr 2050 sollen die wohnungsbedingten Emissionen der Deutschen also möglichst auf null sinken. Am 20. September will das „Klimakabinett“ der Regierung ihr Klimaschutz-Maßnahmenpaket präsentieren. Und am 25. September hat Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) zu einem Waldgipfel eingeladen. Möglicherweise wird Thünen-Holzexperte Sebastian Rüter im Anschluss noch ein paar mehr Anhörungen geladen werden.

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