Impfstoff gegen Corona Wie Ugur Sahin die Welt verändert

Biontech-Chef Ugur Sahin Quelle: imago images

In einer Rekordzeit von nur zehn Monaten haben das Mainzer Biotechunternehmen Biontech und der US-Konzern Pfizer einen Impfstoff gegen das Coronavirus entwickelt. Der Impfstoff BNT162b2 bietet demnach eine mehr als 90-prozentige Wirksamkeit gegen das Virus. Wer ist der Mann, der Biontech lenkt?

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Ugur Sahin war sich immer sicher. Er glaube, dass der Impfstoff-Kandidat seines Unternehmens Biontech ein fast perfektes Profil habe, erklärte der Mitgründer und CEO von Biontech vor einigen Wochen gegenüber der WirtschaftsWoche. Jetzt lässt Sahin seinen Worten Daten folgen: Laut aktueller Daten, die von einem unabhängigen Gremium ausgewertet wurden, zeigt der Impfstoff eine Wirksamkeitsrate von über 90 Prozent. Zudem gebe es „keine ernsthaften Sicherheitsbedenken“. Insgesamt wurden bislang 94 Infektionsfälle ausgewertet. Die Zulassung in den USA soll kommende Woche beantragt werden. Bis Ende dieses Jahres wollte Biontech laut früheren Angaben rund 50 Millionen Impfstoffdosen herstellen.

Auch andere, unabhängige Wissenschaftler reagieren begeistert auf die Daten. Etwa Professor Gerd Fätkenheuer, Leiter der Infektiologie an der Uniklinik Köln: „Das sind großartige und vielversprechende Daten. Es ist unglaublich, dass in so kurzer Zeit dieser Fortschritt mit Entwicklung eines Impfstoffes und klinischer Prüfung innerhalb weniger Monate erzielt werden konnte.“ Von „fantastischen Resultaten“ spricht Florian Krammer, Professor am Department of Microbiology in Mount Sinai, USA.

Etwas zurückhaltender gibt sich Marylyn Addo, Leiterin der Sektion Tropenmedizin am Universitätsklinikum Eppendorf in Hamburg: „Das sind interessante erste Signale, die allerdings erneut nur in einer Pressemitteilung mitgeteilt werden.“ Es stünden noch keine Primärdaten zur Verfügung; die exakten Daten müssten noch abgewartet werden.

Der erste Impfstoff gegen das Coronavirus ist dabei vor allem der Erfolg von Ugur Sahin, 55 Jahre alt und seiner Frau Özlem Türeci,53. Beide sind Kinder türkischer Einwanderer, beide haben Biontech gemeinsam aufgebaut. Im Vorstand von Biontech ist Türeci für die klinische Entwicklung verantwortlich. Als Chefforscherin kommt ihr eine Schlüsselrolle im Kampf gegen das Virus zu.

Dabei war das Paar eigentlich angetreten, um Impfstoffe gegen Krebs zu entwickeln. Doch im Januar dieses Jahres stellten sie diese Pläne erst einmal hintenan. In der Medizin-Fachzeitschrift „The Lancet“ fand Sahin einen wissenschaftlichen Artikel über eine neue Lungenkrankheit aus China, die sich schnell ausbreitete. „Ich war alarmiert“, sagt der Mediziner und Biontech-Chef. Schneller als die meisten Experten, inklusive des Robert-Koch-Instituts, erkannte Sahin, was sich da zusammenbraut. Sahin machte Muster und Faktoren aus, die darauf hindeuteten, dass diese Infektion nicht lokal bleiben und sich weltweit ausbreiten wird.

Schnell trommelte Sahin seine Vorstandskollegen und den Aufsichtsrat zusammen. In wenigen Tagen zurrten sie eine Strategie fest, wie sie diese neue Krankheit, die später den Namen Sars-Cov-2 erhalten sollte, ausmerzen könnten. Das „Projekt Lightspeed“ nahm schnell Fahrt aus. Wofür Forscher sonst etliche Jahre benötigen, das passierte nun innerhalb weniger Monate. Auch weil Biontech frühzeitig mit den Zulassungsbehörden zusammenarbeitete. Biontech gewann den US-Konzern Pfizer als Kooperationspartner. Gemeinsam widerstanden Pfizer und Biontech allen Wünschen von US-Präsident Donald Trump, die Entwicklung des Impfstoffs auf Kosten der Sicherheit zu beschleunigen.


Das interessiert WiWo-Leser heute besonders


Douglas ist kein Einzelfall

So schummels sich Ikea, Karstadt & Co. am Lockdown vorbei


„Doppelt so lang schwätzen, halb so viel verdienen“

Warum VW-Händler keine E-Autos verkaufen wollen


Curevac-Gründer Ingmar Hoerr

„Ich dachte, der KGB hätte mich entführt“


Was heute wichtig ist, lesen Sie hier



Nach der Bekanntgabe der jüngsten Daten stieg der Biontech-Aktienkurs um über zwanzig Prozent. Davon profitiert Sahin auch persönlich. Der Biontech-Chef hält selbst 18 Prozent am Unternehmen. Nach den Haupteigentümern Thomas und Andreas Strüngmann, die einst den Medikamenten-Hersteller Hexal groß machten, ist er damit der zweitgrößte Aktionär des Unternehmens.

Dass er zu den reichsten Deutschen zählt und dass sein Vermögen nun spürbar anwächst, interessiert Sahin nach eigenen Worten jedoch nicht: „Der Wert meines Aktienpakets interessiert mich nicht. Wir wollten ein Unternehmen aufbauen, vergleichbar mit Biotech-Größen wie Amgen oder Genentech. Wir wollen langfristig Werte schaffen. Das ist es, was mich interessiert.“

Mehr zum Thema: Ein Impfstoff gegen das Coronavirus scheint gefunden. Doch viele Fragen sind noch ungeklärt.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%