Impfstoffe AstraZeneca im Verunsicherungs-Strudel – und Biontech scheint makellos

Die neusten Entwicklungen sind nur der jüngste Rückschlag für den Pharmakonzern AstraZeneca, der mit großen Hoffnung gestartet war, um die Coronapandemie zu bekämpfen. Quelle: imago images

Der Beschluss der Gesundheitsminister ist das nächste Kapitel im Wirrwarr um AstraZeneca. Biontech dagegen erweist sich als zuverlässiger Partner. Und das Unternehmen hat noch viel Potenzial, wie aktuelle Zahlen zeigen.

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Die Angst vor Nebenwirkungen ist einfach zu groß: Nach einem Beschluss der Gesundheitsminister von Bund und Ländern soll der Corona-Impfstoff von AstraZeneca künftig nur noch für Menschen ab 60 Jahren eingesetzt werden. Außer Jüngere wollen es nach Klärung mit dem Arzt auf eigenes Risiko. Die Ständige Impfkommission (Stiko) hatte zuvor empfohlen, vorläufig den Corona-Impfstoff von AstraZeneca in Deutschland nur noch bei über 60-Jährigen einzusetzen. Unter anderem NRW, Brandenburg, Berlin und München hatten Impfungen mit dem Vakzin für Menschen unter 60 Jahren bereits vorher pausiert. Zu häufig traten im Zusammenhang mit der Impfung auch tödliche Hirnvenenthrombosen vor allem bei Frauen auf. Und trotzdem bekräftigten Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Abend das Ziel, bis Ende des Sommers allen Bürgern ein Impfangebot zu machen.

AstraZeneca wird nach eigenen Angaben mit den deutschen Behörden zusammenarbeiten. Ein Konzernsprecher erklärt, das Unternehmen analysiere weiterhin seine Daten, um für zusätzliche Aufschlüsse zu sorgen. Er verweist darauf, dass weder die britischen Behörden noch die EU-Arzneimittelagentur EMA bislang einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Impfstoff und Vorkommnissen von Blutgerinnung festgestellt hätten.

Diese Meldungen sind dabei nur der jüngste Rückschlag für den Pharmakonzern AstraZeneca, der mit großen Hoffnung gestartet war, um die Coronapandemie zu bekämpfen. Zuvor war schon viel von Produktions- und Lieferproblemen sowie mangelhaften Studiendaten die Rede.

Ganz anders sieht es dagegen bei Biontech aus: Das Mainzer Unternehmen, deutlich kleiner als AstraZeneca, gilt weltweit als zuverlässiger Partner. Von Produktionsproblemen bei Biontech war schon lange nicht mehr die Rede, die Diskussionen um mögliche Nebenwirkungen sind abgeebbt. Statt – wie AstraZeneca – ständig die Liefermengen zu kürzen, erhöht Biontech die Produktionskapazitäten: Zuletzt hatten die Mainzer avisiert, in diesem Jahr 2,3 bis 2,4 Milliarden Impfdosen zu produzieren – nun sollen es 2,5 Milliarden werden.

Aus Sicht von Experten hat Biontech vor allem zwei Dinge richtig gemacht: Mit Pfizer holte sich Biontech einen Partner, der sich mit Impfstoffen auskennt. AstraZeneca hat dagegen kaum Erfahrung mit Vakzinen. Und frühzeitig und entschlossener als andere kümmerte sich die Truppe um die Gründer Özlem Türeci und Ugur Sahin um den Aufbau neuer Produktionsanlagen. Dem Schweizer Pharmakonzern Novartis kauften sie gleich ein ganzes Impfstoffwerk im hessischen Marburg ab, das seit wenigen Tagen in Betrieb ist.

Am Tag, als der Impfstoff von AstraZeneca wiederholt für Verunsicherung sorgt, punktet Biontech mit positiven Schlagzeilen bei der Bekanntgabe seiner Bilanzzahlen. Erstmals in seiner Geschichte wies Biontech sogar einen Gewinn aus. Nach einem Verlust von 179, 2 Millionen Euro im Jahr 2019 stehen für 2020 nun 15 Millionen Euro zu Buche. Der Umsatz für 2020 liegt bei 482,3 Millionen Euro – nach nur rund 108,6 Millionen Euro im Vorjahr. Die positive Entwicklung verdankt Biontech vor allem seinem Corona-Impfstoff, dessen Auslieferung im Dezember 2020 begann.

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Das freilich war nur der Anfang. 2021 dürfte der Umsatz gewaltig steigen. 1,4 Milliarden Impfstoffdosen hat Biontech bereits fest verkauft. Biontech erwartet daraus einen Umsatz von 9,8 Milliarden Euro. Da vermutlich noch weitere Bestellungen folgen, könnte sich der Umsatz auch noch erhöhen. Analysten rechnen schon mit Erlösen von 15 Milliarden Euro. Der Abstand zu AstraZeneca würde sich damit verringern – der britisch-schwedische Konzern wies zuletzt einen Jahresumsatz von etwas mehr als 20 Milliarden Euro aus.

Mit Material von dpa und Reuters

Mehr zum Thema: Keine Woche vergeht mehr, ohne dass AstraZeneca für negative Schlagzeilen sorgt. Das Vertrauen in den Impfstoff – nun unter dem neuen Namen Vaxzevria – schwindet. Für die Zukunft lassen sich aus dem Debakel drei Lehren ziehen. Ein Kommentar.

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