
Noch ist Industrie 4.0 vor allem das Versprechen einer vernetzten, sich selbst steuernden Produktion. Doch allmählich wird erkennbar, welch enormes Potenzial hinter der Idee steckt. Beispiel Audi: Dessen Ingenieure im neuen Werk im mexikanischen San José Chiapa bauen erstmals ein Fließband für eine Modellreihe in der virtuellen Realität nach, optimieren es und nehmen es erst dann in Betrieb.
„So können wir die Linie auf einen Schlag anfahren. Statt Monaten brauchen wir nur noch Tage“, erklärt Tarek Mashhour, der den Aufbau der Fertigung leitet. Eine Montagelinie besteht aus 150 bis 170 Takten, also einzelnen Montagestationen. Jede einzelne ist mit einem elektronischen Steuergerät ausgestattet, auf das ein eigenes Softwareprogramm aufgespielt werden muss.
Die Folgen von Industrie 4.0 für die Branchen in Deutschland bis 2025
Anteil am Umsatz des verarbeitenden Gewerbes (Bruttoproduktionswert): 13 %
Zusätzliches Umsatzwachstum pro Jahr: 2-5 %
Produktivitätssteigerungen: 7-11 %
Zahl der Arbeitsplätze: 95.000
Jährlicher Zuwachs an Arbeitsplätzen: + 0,9 %
Quelle: Boston Consulting Group
Anteil am Umsatz des verarbeitenden Gewerbes (Bruttoproduktionswert): 22 %
Zusätzliches Umsatzwachstum pro Jahr: 2-3 %
Produktivitätssteigerungen: 6-9 %
Zahl der Arbeitsplätze: 50.000
Jährlicher Zuwachs an Arbeitsplätzen: + 0,2 %
Quelle: Boston Consulting Group
Anteil am Umsatz des verarbeitenden Gewerbes (Bruttoproduktionswert): 10 %
Zusätzliches Umsatzwachstum pro Jahr: 2-3 %
Produktivitätssteigerungen: 5-10 %
Zahl der Arbeitsplätze: 15.000
Jährlicher Zuwachs an Arbeitsplätzen: + 0,8 %
Quelle: Boston Consulting Group
Anteil am Umsatz des verarbeitenden Gewerbes (Bruttoproduktionswert): 55 %
Zusätzliches Umsatzwachstum pro Jahr: 1-2 %
Produktivitätssteigerungen: 4-7 %
Zahl der Arbeitsplätze: 230.000
Jährlicher Zuwachs an Arbeitsplätzen: + 0,6 %
Quelle: Boston Consulting Group
Umsatz des verarbeitenden Gewerbes (Bruttoproduktionswert): 2 Billiarden Euro
Zusätzliches Umsatzwachstum pro Jahr: 20-40 Milliarden Euro
Produktivitätssteigerungen: 90-150 Milliarden Euro
Quelle: Boston Consulting Group
Die programmierbare Steuerungseinheit sorgt zum Beispiel dafür, dass das Band im richtigen Tempo läuft und die Informationen für die einzelnen Montageschritte korrekt übermittelt werden. Nur so ist sicher, dass die Übergabe eines Fahrzeugs von einer Station zur anderen reibungslos funktioniert. Bisher musste man Takt für Takt in Betrieb nehmen, also mehr als 150 Mal Software einzeln auf die Steuergeräte aufspielen und jeden Takt auf einander abstimmen.
„Das entfällt jetzt", erklärt Mashhour, "wir simulieren die Inbetriebnahme, lassen die einzelnen Takte virtuell miteinander kommunizieren und prüfen so, ob die Steuergeräte auch alle Informationen korrekt weitergeben.“ Läuft die Montage in verschiedensten Testszenarien fehlerfrei ab, werden alle Steuergeräte gleichzeitig mit den nötigen Daten bespielt.





„Audi kommt damit einen entscheidenden Schritt weiter, die reale Produktion in der virtuellen Welt zu spiegeln“, sagt Horst Wildemann, Leiter des Forschungsinstitut für Unternehmensführung, Logistik und Produktion an der Technischen Universität München.
Schneller, günstiger, präziser
Zeit und Kosten für die Inbetriebnahme der Fördertechnik reduzieren sich so um ein Drittel. Das Werk in Mexiko geht voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2016 ans Netz und soll in der Spitze 150.000 der Geländewagen Q5 produzieren. Ob weitere Modelle in Mexiko vom Band laufen solle, steht noch nicht fest.
Gelingt der Testlauf, dient die Methode der virtuellen Inbetriebnahme als Blaupause für alle Fabriken der Volkswagen-Gruppe. Denn noch wichtiger als Zeit- und Kostenersparnis ist die Reduktion der Fehlerquote in der hochkomplexen Produktion.
Dank Baukastensystemen und weltweit baugleichen Werken rollen bei Volkswagen immer mehr unterschiedliche Modelle der VW-Gruppe von ein- und demselben Band. Dass in einem Werk nur ein Modell produziert wird, ist die große Ausnahme.