Industrie 4.0 So greifen deutsche Unternehmen digital an

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Sharing Economy auf industriell gemacht

Wie solch eine offene Plattform, über die Drees nachdenkt, für ein Industrieunternehmen aussehen kann, zeigt die Firma Zeppelin mit Konzernzentrale in Garching bei München. Das Kerngeschäft liegt im Handel mit neuen und gebrauchten Baumaschinen – und zwar traditionell nur für den amerikanischen Hersteller Caterpillar. Doch in der digitalen Welt ändert sich das Geschäftsmodell. Zeppelin-Finanzchef Christian Dummler stellte sich vor zwei Jahren eine Frage: „Wie würde ein Wettbewerber aus der Welt von Amazon und Co. aussehen, der das Potenzial hätte, stärker und schneller zu wachsen als wir mit unserem traditionellen Modell?“

Seine Antwort ist seit einem Jahr online und heißt klickrent.com. Eine offene Plattform für das Mieten von Maschinen und Geräten, von denen Zeppelin keine einzige selbst besitzt. „Sharing Economy“ auf industriell gemacht.

Stufen der industriellen Entwicklung

„Wir stehen an einer Zeitwende“, sagt Dummler. Um dem Rechnung zu tragen, hat Zeppelin im fernen Berlin ein Start-up im Unternehmen gegründet. 22 Mitarbeiter aus sieben Nationen, die das Portal programmieren. Dummler nennt sie liebevoll „unseren Nukleus für die Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle“. Der Bereich ist noch nicht profitabel, aber nach eigenen Angaben kräftig am wachsen – Start-up eben. Die Zukunft wird zeigen, ob weniger internetaffine Firmen bereit sind, ihr Anlagevermögen in Form von Baumaschinen auf der Plattform an die Konkurrenz zu vermieten. Nur so kann das Geschäft funktionieren.

"Daten sind das Öl des 21. Jahrhunderts"

Der wichtigste Rohstoff für den Antrieb solcher Geschäftsmodelle heißt nicht Diesel, sondern Daten. „Sie sind das Öl des 21. Jahrhunderts“, sagt Managementprofessor Horst Wildemann. „Mit dem Vorteil: Sie verbrauchen sich nicht und können immer wieder verwendet werden.“ Ein Unternehmen, das diese Möglichkeit sehr zu nutzen weiß, ist Sick aus Waldkirch im Breisgau. Die Firma bekommt Daten quasi frei Haus geliefert – denn Sick stellt Sensoren her, deren Existenzberechtigung die Gewinnung von Informationen ist. Diese Sensoren erfassen zum Beispiel Codes von Paketen, auf diesem Gebiet ist Sick Marktführer.

Doch die Badener wollen mehr. Sie haben ein Computersystem entwickelt, das Paketdaten an Förderbändern sammelt und auf die Smartwatch eines Lagerarbeiters schickt. Der erfährt dann sofort, wenn eine Sendung verformt ist oder das Band stillsteht. „Das ist ein Mehrwert, den wir früher nicht anbieten konnten“, sagt Sick-Chef Robert Bauer. Mittlerweile liefere sein Unternehmen vernetzte Systeme aus Förderband, Sensoren und Analysesoftware inklusive Wartung. Das bringe bereits ein Viertel des gesamten Umsatzes, der rund 1,1 Milliarden beträgt.

Vielleicht wird man in einigen Jahren sagen, dass die alte Industrienation Deutschland eine neue Erfolgsformel gefunden hat: Erfahrung plus Software gleich Zukunft. Um noch genauer mitzubekommen, wie dieses Modell funktioniert, reisen MAN-Chef Drees und sein Digitalchef Lipinsky im Mai dahin, wo sich schon viele deutsche Manager digitale Inspiration geholt haben: Sie machen eine Erkundungstour ins Silicon Valley.

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