Die Belastbarkeit einer Schraube kann man ziemlich genau berechnen und messen. „Klebstoff dagegen ist eigentlich blöd, denn da ist das schwieriger“, sagt Sabine Herold, Geschäftsführerin bei Delo, einem Hersteller von Industrieklebstoffen im bayrischen Windach bei München. Die Kunden, sagt Herold, kennen nicht alle Faktoren, auf die es beim Kleben ankommt. „Sie brauchen darum unsere Beratung.“
Delo gilt in der Branche als einer der bedeutendsten Anbieter der Welt. Mit Klebstoffen von Delo befestigen Hersteller von Notebooks und Smartphones die Minilautsprecher in ihren Geräten. Autobauer fixieren damit etwa die kleinen Piepser der Sicherheitsgurte, die den Fahrer zum Anschnallen auffordern. Und bei EC- und Kreditkarten findet sich der Kleber aus Bayern an den Chips unter dem kleinen goldenen Kontakt in der Mitte. Delo hat hier weltweit einen Marktanteil von 80 Prozent.
Bester Aufsteiger: Delo
Damit landet das Unternehmen zum ersten Mal unter den Top 20 der deutschen Mittelständler mit den stärksten Marken – und auf Anhieb auf Platz vier. Die Rangliste erstellte die Münchner Beratung Biesalski & Company zum dritten Mal nach 2011 und 2013 exklusiv für die WirtschaftsWoche. Biesalski untersucht den Stellenwert der Marke deutscher Weltmarktführer. Berücksichtig werden Unternehmen, die im Durchschnitt der vergangenen drei Jahre bis zu 1,1 Milliarden Euro erwirtschafteten und ganz oder mehrheitlich in Familienbesitz sind. Der Platz im Ranking ergibt sich aus der Performance der Marke und dem wirtschaftlichen Erfolg.
„Gerade weil unser Produkt auf den ersten Blick schwer verständlich ist, ist Vertrauen bei unseren Kunden enorm wichtig“, sagt Delo-Geschäftsführerin Herold, „und darum ist Markenbildung für uns sehr wichtig, auch wenn wir gar nicht im Geschäft mit Endverbrauchern unterwegs sind.“
Studienleiter und Biesalski-Partner Tomasz de Crignis lobt vor allem, dass die Geschäftsführung großen Wert auf interne und externe Kommunikation lege. „Für einen Mittelständler ist das sehr professionell und damit ungewöhnlich“, sagt de Crignis.
Zur Studie
Die Studie „Die Marken der deutschen Hidden Champions 2015“ untersucht nach 2011 und 2013 zum dritten Mal die Bedeutung der eigenen Marke für den wirtschaftlichen Erfolg, den mittelständische deutsche Firmen im Geschäft mit anderen Unternehmen haben. Berücksichtigt wurden von Eigentümern geführte Unternehmen, die in ihrer Branche Weltmarktführer sind und maximal 1,1 Milliarden Euro umsetzen. 285 Branchenexperten wurden dazu befragt. Der Marken-Performance-Index beschreibt den Erfolg der Marke. Der Unternehmens-Performance-Index bewertet unter anderem Umsatzwachstum, Rentabilität und Innovationskraft.
Vom traditionellen, oft patriarchalischen Führungsstil, bei dem sich der Chef nicht in die Karten schauen lässt, hält Delo-Geschäftsführerin Herold gar nichts. „Wir suchen für unser Unternehmen kluge und aktive Mitarbeiter“, sagt Herold, „die wollen wissen, was los ist.“ Bei einschlägigen Umfragen schneidet Delo denn auch regelmäßig als einer der beliebtesten Arbeitgeber des Landes ab.
Damit markiert der Mittelständler aus dem Süden Bayerns offenbar einen Trendwechsel. Im Zuge der Globalisierung des Geschäfts hat sich der traditionelle mittelständische, vielfach eigenbrötlerische Unternehmenspatriarch überlebt. Zwar spielt eine starke Führungspersönlichkeit bei vielen Weltmarktführern aus dem Mittelstand immer noch eine wichtige Rolle. „Aber sie werden kommunikativer“, sagt de Crignis. Früher hätten die Chefs und Gründer nicht gewollt, dass über sie geredet wird, sagt der Berater. „Das wird weniger. Viele der stillen Weltmarktführer sind nicht mehr so still.“
Die Top 10 der Weltmarktführer im deutschen Mittelstand
Peri
Branche: Schalungen / Gerüste
Marken-Performance*: 54,9
Unternehmens-Performance*: 68,2
Gesamt-Performance²: 123,1
* maximal 100 Punkte; ² maximal 200 Punkte; Quelle: Biesalski & Company
Kaeser
Branche: Kompressoren
Marken-Performance*: 61,9
Unternehmens-Performance*: 63,1
Gesamt-Performance²:124,9
* maximal 100 Punkte; ² maximal 200 Punkte; Quelle: Biesalski & Company
Duravit
Branche: Badausstattung
Marken-Performance*: 65,0
Unternehmens-Performance*: 61,9
Gesamt-Performance²: 126,9
* maximal 100 Punkte; ² maximal 200 Punkte; Quelle: Biesalski & Company
Haver & Boecker
Branche: Drahtweberei / Maschinenbau
Marken-Performance*: 68,7
Unternehmens-Performance*: 60,6
Gesamt-Performance²: 129,3
* maximal 100 Punkte; ² maximal 200 Punkte; Quelle: Biesalski & Company
Grimme Landmaschinenfabrik
Branche: Landmaschinen
Marken-Performance*: 66,6
Unternehmens-Performance*: 64,6
Gesamt-Performance²:131,2
* maximal 100 Punkte; ² maximal 200 Punkte; Quelle: Biesalski & Company
Windmöller & Hölscher
Branche: Verpackungsmaschinen
Marken-Performance*: 72,7
Unternehmens-Performance*: 61,3
Gesamt-Performance²:134,0
* maximal 100 Punkte; ² maximal 200 Punkte; Quelle: Biesalski & Company
Delo
Branche: Industrieklebstoffe
Marken-Performance*: 69,2
Unternehmens-Performance*: 68,6
Gesamt-Performance²: 137,7
* maximal 100 Punkte; ² maximal 200 Punkte; Quelle: Biesalski & Company
Lürssen Maritime Beteiligungen
Branche: Schiffbau
Marken-Performance*: 74,7
Unternehmens-Performance*: 64,2
Gesamt-Performance²: 138,9
* maximal 100 Punkte; ² maximal 200 Punkte; Quelle: Biesalski & Company
Otto Bock
Branche: Prothesen
Marken-Performance*: 70,7
Unternehmens-Performance*: 73,1
Gesamt-Performance²: 143,8
* maximal 100 Punkte; ² maximal 200 Punkte; Quelle: Biesalski & Company
Herrenknecht
Branche: Tunnelbohrmaschinen
Marken-Performance*: 72,8
Unternehmens-Performance*: 76,6
Gesamt-Performance²: 149,4
* maximal 100 Punkte; ² maximal 200 Punkte; Quelle: Biesalski & Company
Bei einem Punkt wird Delo-Chefin Herold, die das Unternehmen 1997 zusammen mit ihrem Mann im Rahmen eines Management-Buy-outs kaufte, schmallippig: bei den Rezepturen für die Klebstoffe. „Das sind unsere Kronjuwelen“, sagt Herold, „und Kronjuwelen gehören weggeschlossen.“ Aus diesem Grund lässt Delo nicht jede Innovation patentieren. Denn dann müsste das Unternehmen die Rezeptur zumindest gegenüber dem Patentamt offenlegen, was die Gefahr des Know-how-Diebstahls erhöhen würde.
Etwa 15 Prozent des Umsatzes von zuletzt 74 Millionen Euro investiert der Klebstoffhersteller mit insgesamt 450 Mitarbeitern in die Forschung und Entwicklung (F+E). Üblich sind in der Branche zwischen drei und vier Prozent. Den Erfolg des Unternehmens, das inzwischen 70 Prozent seines Umsatzes im Ausland erzielt, führt de Crignis auch auf Kreativität und Innovationsfreude zurück. „Das Unternehmen ist extrem forschungsorientiert“, sagt de Crignis.
Aufsteiger: Sick
Vor wenigen Jahren sprachen nur Spezialisten über Industrie 4.0 oder das Internet der Dinge, wie die Digitalisierung und Vernetzung der Fertigung inzwischen heißt. Sick, weltweit führender Hersteller von Sensoren für die Industrieautomatisierung, hat früh erkannt, was kommen würde. Schon im Jahr 2004 änderte das 1946 gegründete Unternehmen aus dem badischen Waldkirch seine Werbeaussage von „Sensor“ zu „Sensor Intelligence“. Der Erfolg der vergangenen Jahre bescherte Sick den Sprung von null auf Platz 13 unter den 20 Topmarken im deutschen Mittelstand.
„Wir haben uns schon lange mit der Digitalisierung in Fabriken beschäftigt“, sagt Robert Bauer, der das Familienunternehmen mit gut einer Milliarde Euro Umsatz und fast 7000 Mitarbeitern seit 2006 als Vorstandschef führt. Sick sitze an einer Schnittstelle, nämlich genau dort, wo Signale aus Licht und Ultraschall in wertvolle Daten für die Fertigungssteuerung umgewandelt werden. Die Sensoren, die das Unternehmen baut, lesen beispielsweise Barcodes beim Paketversand oder bei der Gepäckabfertigung an Flughäfen. Auch in der Automobilfertigung oder in Verpackungsmaschinen kommen Sensoren von Sick zum Einsatz.
„Vor zwei oder drei Jahren hat man noch kaum über Sick gesprochen“, sagt Biesalski-Mann de Crignis, „auf einmal ist das Unternehmen präsent.“ Vor allem beeindruckt den Berater, dass der Mittelständler Großprojekte stemmen kann. So bestückt Sick etwa alle Mautbrücken, die hierzulande die Autobahngebühr für Lkws erheben, mit Sensoren. Als Referenzprojekt hat das Unternehmen außerdem ein Parkhaus gebaut, in dem Autos fahrerlos eingeparkt werden.
Der Markt für Sensoren, wie Sick sie fertigt, hat derzeit ein jährliches Volumen von rund 40 Milliarden Euro, Tendenz stark steigend. Eine große Nische sei das, findet Vorstandschef Bauer, in der allerdings auch immer neue Anbieter versuchen, Fuß zu fassen. Aus China etwa kommen neue Konkurrenten, die allerdings zurzeit noch hauptsächlich einfache Sensoren anbieten, also nichts, womit sie den Badenern direkt auf den Leib rücken könnten.
Wie Delo setzt auch Sick auf aktives Marketing. Der Markenwert sei auch im Geschäft mit Unternehmen nicht zu unterschätzen, sagt Bauer. „Auch wenn eine Anlage jeden Tag eine Million Kekse herstellt, muss sie absolut zuverlässig arbeiten“, sagt der Sick-Chef. „Und dass sie das kann, muss man dem Kunden glaubhaft erklären.“ Der Markenauftritt müsse darum realistisch und nachvollziehbar sein. „Marketingsprüche wie ,Wir können alles‘ gehen in unserem Geschäft gar nicht.“
Der Gewinner: Herrenknecht
Eigentlich hat Martin Herrenknecht mit seinem Unternehmen alles erreicht, was man erreichen kann. Der 73-Jährige aus Lahr im Schwarzwald ist seit Jahren unangefochtener Weltmarktführer bei Maschinen zum Tunnelbau, sogenannten Tunnelvortriebsmaschinen. Der Umsatz des Unternehmens aus Baden-Württemberg steigt Jahr für Jahr, zuletzt auf 1,1 Milliarden Euro.
Herrenknecht zieht in seinem Markt, der weltweit ein jährliches Volumen von 1,6 Milliarden Euro umfasst, stets die spektakulärsten Aufträge an Land. Seine Maschinen gruben beispielsweise mit am Gotthard-Basistunnel, einer 57 Kilometer langen Eisenbahnröhre durch die Alpen, und sie bohren am Eurasia-Tunnel unter dem Bosporus. Kein Wunder, dass Herrenknecht zum dritten Mal den ersten Platz im Markenranking der deutschen Mittelständler belegt.
Und doch kommt der Ingenieur, der das Unternehmen, das heute rund 4900 Mitarbeiter beschäftigt, im Jahr 1977 gründete, nicht zur Ruhe. „Mein Sohn ist in der Firma“, lächelt Herrenknecht, „der ist ruhig und seriös, gar nicht überheblich. Sehen will man in der Welt aber mein Gesicht.“
Ständig denkt der Firmenchef über mögliche neue Projekte nach. Einen Tunnel durch die Beringstraße bei Alaska zu graben sei technisch durchaus machbar, schwärmt er. Auch bringt Herrenknecht sich für ein Megavorhaben der chinesischen Regierung ins Spiel: Mithilfe einer riesigen Röhre will Peking Wasser aus dem Süden des Riesenreichs in den trockenen Norden pumpen und damit 400 Millionen Menschen versorgen. „Wasser wird in Zukunft ohnehin wichtiger als Öl werden“, glaubt Herrenknecht. Mehr als 90 Prozent seines Umsatzes erzielt der Mittelständler im Ausland. Egal, ob in den USA, Saudi-Arabien oder auch Ägypten, wo Herrenknecht zurzeit vier Maschinen für einen Tunnel unter dem Suezkanal liefert, überall sei fortschrittliches Marketing enorm wichtig.
Der Vorreiter und der gute Riecher
Die Kunden dort wollen genau wissen, mit wem sie sich für solche Milliardenprojekte einlassen. Bei Preisen für Herrenknechts Maschinen zwischen 30 und 50 Millionen Euro ist das verständlich. Schon vor 16 Jahren hat der Chef und Gründer darum einen Marketingmanager eingestellt. „Aber wir übertreiben es nicht“, sagt Herrenknecht. Ganz in der Tradition eines deutschen Mittelständlers nehme man sich stets etwas zurück. In der Firma haben sie dafür einen Vergleich: „Wir tragen den silbernen Helm, nicht den goldenen“, sagen die Mitarbeiter, das sporne an, sich weiter anzustrengen. „Vielleicht ist das altmodisch“, sagt Herrenknecht, „aber besser klein anfangen und groß aufhören, als umgekehrt.“
Der Vorreiter: Schunk
„Jens Lehmann verkörpert Dynamik, Biss, Siegeswillen und Überlegenheit“, sagt Henrik Schunk, „also genau die Werte, für die die Marke Schunk steht.“ Das Unternehmen aus Lauffen am Neckar ist Weltmarktführer für Greifsysteme und Spanntechnik, wie sie etwa bei Industrierobotern verbaut werden. Vor drei Jahren verpflichtete Schunk den früheren deutschen Fußballnationaltorhüter Jens Lehmann als Markenbotschafter. „Es gelang, unseren Kernkompetenzen, nämlich dem präzisen Greifen und dem sicheren Halten, ein Gesicht zu geben“, sagt Henrik Schunk, der das Familienunternehmen gemeinsam mit seiner Schwester Kristina I. Schunk und seinem Vater Heinz-Dieter Schunk führt.
Dank Lehmann gelang Schunk das Kunststück, seine nüchternen und sehr sachlichen Produkte zu emotionalisieren. Das Unternehmen mit 2300 Mitarbeitern und einem Umsatz von 325 Millionen Euro im vergangenen Jahr verfolgt diese Strategie, um im Ausland zu expandieren.
1989 gründete Schunk die ersten Niederlassungen in der Schweiz und Belgien. Es folgten die USA, Frankreich, Schweden und kürzlich auch China. Insgesamt hat das 1945 gegründete Unternehmen heute 30 Tochtergesellschaften im Ausland. In den kommenden zehn Jahren soll es zu einem der bekanntesten Global Player im Maschinenbau werden. Das jedenfalls will Geschäftsführer Henrik Schunk, der Platz elf des Markenrankings belegt und seine Mannschaft unermüdlich antreibt.
Fest steht, dass der Mittelständler vom Neckar in einem absoluten Wachstumsmarkt unterwegs ist. Der Trend zur Digitalisierung der industriellen Fertigungsprozesse dürfte Schunk in den kommenden Jahren einen kräftigen Schub geben. Die Voraussetzungen dafür schafft das Unternehmen durch intensive Forschung. Rund acht Prozent des Umsatzes fließen bei Schunk in die Entwicklung neuer Produkte und Lösungen. Das Unternehmen hält etwa 160 Großpatente, die jeweils mehrere Produkte umfassen.
Schunk nehme in seiner Branche eine Vorreiterrolle ein, sagt Biesalski-Mitarbeiter de Crignis. Die Greifer und Haltesysteme von Schunk findet man unter anderem in den Fabriken aller europäischer Autohersteller, aber auch bei Bosch und Airbus, beim Uhrenhersteller Rolex und in der Konsumgüterindustrie.
Guter Riecher: Mennekes
Walter Mennekes zeichnet sich aus durch einen guten Riecher für neue Trends und Märkte. Schon 1995 – der Boom in China hatte noch gar nicht richtig begonnen – startete Mennekes ein Joint Venture in der Nähe von Shanghai. Sieben Jahre später eröffnete der Chef des Mittelständlers aus Kirchhundem im Sauerland eine Fabrik in Nanjing, die ausschließlich für den chinesischen Markt fertigt: Stecker und Steckverbindungen für den Einsatz in der Industrie.
Auch als sich die Elektromobilität als Zukunftsthema ankündigte, wusste Mennekes, was zu tun ist. „Stecker, das sind wir, diesen Stecker müssen wir bauen“, sagte er, als die europäische Autoindustrie nach Ladevorrichtungen für die künftigen Autos verlangte. Mennekes entwickelte einen Stecker und wurde belohnt: Im Frühjahr vergangenen Jahres erklärte das EU-Parlament den Stecker aus dem Sauerland zum europaweiten Standard.
„Ein Verständnis, sich in einem dynamischen Markt richtig und zukunftsfähig auszurichten“, bescheinigt Biesalksi-Berater de Crignis dem Unternehmen, das im Markenranking auf Platz 14 landete. Walter Mennekes’ Vater Aloys hatte das westfälische Unternehmen 1935 gegründet. Heute beschäftigt Mennekes rund 1000 Mitarbeiter, die Hälfte davon am Stammsitz, und kam 2014 auf einen Umsatz von 130 Millionen Euro.
Im Vergleich mit dem Ranking vor zwei Jahren hat das Unternehmen einen Rang verloren. Ein Grund: die vagen Aussichten beim Geschäft mit der Elektromobilität. Auch wenn die Stromer von der Regierung gefördert würden, wären sie für Mennekes erst in etwa fünf Jahren ein großes Geschäft.