Elliott hält nicht still bei Thyssenkrupp. Anfang der Woche kündigte Thyssenkrupp-Aufsichtsrat Ulrich Lehner an, sein Mandat bis Ende Juli im Kontrollgremium des Essener Industriekonzerns aufzugeben. Vorher hatte er sich über den „Psychoterror“ von gewissen Investoren beklagt. Lehner hatte den US-Hedgefonds Elliott nicht direkt genannt, und doch war klar, wen er meinte. Er hat den Amerikanern mit seinen Andeutungen eine schöne Steilvorlage geliefert.
Prompt antwortete Elliott mit einem gepfefferten Brief an den Aufsichtsrat des Essener Konzerns, der auch gleichzeitig an die Öffentlichkeit ging. Von „Verleumdung“ ist in dem Brief des vom US-Milliardär Paul Singer kontrollierten Fonds die Rede. Der Aufsichtsrat müsse sich von diesen Aussagen bitteschön öffentlich distanzieren.
Es sind genau solche öffentlichen Schlachten, die der US-Fonds so gerne führt und von denen Elliott schon etliche gewonnen hat – bisher vor allem in den USA. Jetzt aber greifen aggressive Investoren wie Elliott vermehrt auch deutsche Konzerne an, die sie für unterbewertet und schlecht geführt halten. Bei Thyssenkrupp haben die Elliotts in wenigen Wochen viel erreicht: Heinrich Hiesinger hat vor knapp zwei Wochen entnervt seinen Post aufgegeben und kurze Zeit später auch Aufsichtsratschef Ulrich Lehner.
Verwunderlich ist das schon: Elliott hat erst vor wenigen Wochen seinen Einstieg bei Thyssenkrupp bekanntgegeben und hält nur rund drei Prozent des Kapitals. Einen Sitz im Aufsichtsrat haben die Amerikaner nicht. Und was der US-Investor vom Thyssenkrupp-Vorstand fordert, das stößt in dieselbe Richtung wie die des schwedischen Investors Cevian, der 18 Prozent an Thyssenkrupp hält. Auch Cevian fordert seit Jahren einen schnelleren Umbau von Thyssenkrupp. Kaum sind die Amerikaner bei Thyssenkrupp drin, rollen schon Köpfe und scheinbar steht die Existenz des gesamten Unternehmens auf dem Spiel, weil „aggressive Investoren“ die Zerschlagung des Konzerns fordern.
Aber so einfach ist es nicht. Das Gerede von der drohenden Zerschlagung von Thyssenkrupp (sogar die Politik schaltet sich ein und dringt darauf, die Einheit des Unternehmens zu erhalten), lenkt nur von den eigentlichen Problemen beim Essener Traditionskonzern ab. Es läuft ja tatsächlich alles andere als rund bei Thyssenkrupp. Seit Jahren jagt dort ein Sparprogramm das nächste. Im Branchenvergleich hinken die Essener sowohl im Geschäft mit Aufzügen, Autoteilen oder beim Bau von Industrieanlagen hinterher.
Das steckt hinter Cevian
Der schwedische Finanzinvestor Cevian verwaltet für internationale Anleger derzeit ein Vermögen von rund 13 Milliarden Euro. Die Beteiligungsgesellschaft hat sich vor allem auf europäische Industrieunternehmen spezialisiert, die sie an der Börse für unterbewertet hält. „Gesunde Unternehmen, die übersehen, missverstanden oder bei den Investoren in Ungnade gefallen sind“ - so beschreibt Cevian seinen Schwerpunkt selbst.
Für Cevian gehört es zur Firmenpolitik, sich aktiv in die Geschäfte einzumischen und wichtige strategische Weichenstellungen zu beeinflussen. Finanzexperten sprechen in solchen Fällen auch von „aktivistischen Investoren“.
Cevian wurde 2002 von Christer Gardell und Lars Förberg gegründet. Die Firma hat neben dem Sitz in Stockholm Büros in Zürich und London. Der Anlagefokus ist auf fünf bis sieben Jahre ausgerichtet, in denen der Aktienkurs der Beteiligungen möglichst stark steigen soll.
Bei Thyssenkrupp kaufte sich Cevian Ende 2013 ein. Inzwischen hält der Investor gut 15 Prozent der Anteile und ist damit hinter der Krupp-Stiftung zweitgrößter Aktionär. Vom Dienstleistungs- und Baukonzern Bilfinger gehören Cevian fast 30 Prozent. Seine Milliardenbeteiligung am Lkw-Bauer Volvo verkaufte Cevian Ende 2017.
Auch Hiesinger hat Sparten verkauft. Ja, der 58-Jährige hat den Ruhrkonzern vor der Pleite gerettet, nachdem dieser sich mit Stahlabenteuern im fernen Lateinamerika verhoben hatte. Ganz zu schweigen von dem eigentlichen Tabubruch, den Hiesinger begangen hat: Er hat sich an das Herz des Konzerns gewagt, ans Erbe der 200 Jahre alten Industrieikone. Das Stahlgeschäft wird demnächst in ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem indischen Konkurrenten Tata zusammengelegt – sogar die IG-Metall-Vertreter im Aufsichtsrat stimmten für die Abspaltung des Stahls. Das Gerede von der Zerschlagung, die Investoren vorantrieben, ist also mindestens realitätsfern.
Nein, es geht bei der Attacke der „aktivistischen Investoren“ um mehr als nur darum, wer zukünftig an der Spitze von Thyssenkrupp steht. Oder ob der Mischkonzern nun das Geschäft mit Aufzügen abspaltet oder nicht. Es geht um die Frage, welchen Kapitalismus wir uns in Deutschland wünschen. Und um die Frage, wie deutsche Unternehmen künftig geführt werden.
Welche Interessen stehen im Vordergrund? Die Kapitalinteressen? Sind Manager bloß Marionetten, Dienstleister von Geldinteressen, die den Wert von Unternehmen im Sinne der Aktionäre maximal steigern sollen? Vielleicht sind Fonds wie Elliott ja sogar ganz nützliche Arbeitsbienen, die auf Missstände hinweisen und selbstgefällige, nicht veränderungswillige Top-Manager nicht einfach schalten und walten lassen? Oder sind sie tatsächlich die vielgescholtenen Heuschrecken, die über ihre unschuldigen Opfer herfallen, um sich von ihnen zu nähren und ein kahles Feld zu hinterlassen? Mit diesen Fragen müssen wir uns beschäftigen. Fonds wie Elliott, Cevian & Co stellen den Kapitalismus made in Germany infrage.