Innovationen Das dubiose Geschäft mit Patenten

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Billige Patente erleichtern das Spiel

In diesen Ländern gehen die meisten Firmen pleite
ItalienInsgesamt sind im letzten Jahr 178.000 Insolvenzanträge bei den entsprechenden Gerichten in Europa eingegangen. Das ist ein Plus von 2,6 Prozent gegenüber dem Jahr 2011. Besonders schlimm hat es die Krisenstaaten in Südeuropa getroffen. Allein in Italien erhöhte sich die Zahl der Insolvenzen um 13,5 Prozent. Quelle: dpa
SpanienAuch für spanische Unternehmer sieht es düster aus: Laut einer Erhebung von Creditreform gingen dort vergangenes Jahr rund ein Drittel mehr Firmen pleite als noch im Jahr zuvor. Quelle: dpa
PortugalIm Nachbarland Portugal stieg die Zahl der Unternehmensinsolvenzen sogar um 41,6 Prozent. Besonders häufig erwischt es Firmen aus den Branchen Dienstleistung (38,2 Prozent), Handel, Hotel- und Gaststätten (30,4 Prozent), Bau (20,8 Prozent) und Verarbeitendes Gewerbe (10,5 Prozent). Quelle: dpa
NiederlandeAber nicht nur im krisengeschüttelten Süden haben Unternehmen einen schweren Stand: Auch in den Niederlanden ist die Zahl der Firmenpleiten seit 2011 um 19,4 Prozent auf 7.373 Insolvenzen gestiegen. Quelle: dpa
SchwedenAuch in Schweden ist die Zahl der Insolvenzen mit 7.737 zwar noch relativ gering. Trotzdem ist der Zuwachs mit sieben Prozent recht hoch. Quelle: dpa
IrlandIn Irland ist die Zahl der Insolvenzen moderat gestiegen. Im Jahr 2012 gingen dort 2,8 Prozent mehr Unternehmen pleite als noch im Jahr 2011. Quelle: Blumenbüro Holland/dpa/gms
KerneuropaDoch es gibt auch positive Entwicklungen: Nicht nur Deutschland mit rund fünf Prozent weniger Insolvenzen (2012: 28.720; 2011: 30.120), auch Frankreich (minus 2,4 Prozent) und Großbritannien (minus 3,9 Prozent) zeigen eine stärkere Stabilität der Unternehmen. Quelle: dpa/dpaweb

Die 16 Konzerne, die in Brüssel Alarm geschlagen haben, warnen nun, dass dadurch der Fall eintreten könnte, dass ein Troll bei einem Gericht wegen einer Patentverletzung ein Verkaufsverbot erwirken könnte, ohne dass ein anderes Gericht entschieden hat, ob das Patent überhaupt gültig ist. Verkaufsverbote wären beim Gemeinschaftspatent aber sehr viel schmerzhafter für Unternehmen, weil sie für alle EU-Länder außer Italien und Spanien gelten, die beim Gemeinschaftspatent nicht mitmachen. Das Unternehmen würde mit einem Schlag einen Markt mit knapp 400 Millionen Verbrauchern verlieren.

Mit Sorge sehen Unternehmen auch, dass Trolle künftig Gerichte in allen 26 beteiligten EU-Staaten anrufen können, um einen Verkaufsstopp für das gesamte Territorium zu erreichen. „Es ist schwer vorstellbar, dass die Gerichte in allen Mitgliedstaaten gleich gut sind“, sagt Patentexperte Harhoff, Direktor am Max-Planck-Institut für Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht. Und so ist absehbar, dass die Trolle sich Gerichte suchen werden, bei denen sie mit ihrer Taktik durchkommen. „Sie werden an Standorten klagen, wo die Richter wenig Erfahrung mit Patentprozessen haben“, prognostiziert Müller. Rumänien und Griechenland dürften solche Standorte sein.

Die Wirtschaft hofft, dass die schlimmsten Auswüchse noch eingedämmt werden können. Die Verfahrensregeln für das Gemeinschaftspatent werden erst im Juli 2014 verabschiedet. Beamte der Mitgliedstaaten arbeiten derzeit an den Details, die einen großen Unterschied ausmachen können. Um Trolle auszubremsen, hat der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) in seiner Stellungnahme beispielsweise angeregt, in den Verfahrensregeln das Prinzip festzuschreiben, dass der Verlierer die Kosten des Patentprozesses trägt. Dies könnte Trolle vor Klagen zurückschrecken lassen.

Bisher ist noch nicht einmal klar, wie viel das neue Gemeinschaftspatent kosten wird. Die Politik war angetreten, Patente in Europa billiger zu machen. Die Patentreform sollte die Zersplitterung aufheben und Patentschutz im europäischen Markt erschwinglich machen. Nun zeigt sich, dass dies nicht automatisch zu einer Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit führt. „Viele Politiker glauben, dass billige Patente zu mehr Innovation führen“, sagt Experte Harhoff. „Doch das Gegenteil trifft zu.“ Billige Patente erleichtern den Trollen das Spiel.

Politiker messen die Innovationsfähigkeit einer Volkswirtschaft oft an der Zahl der Patente. So rechnet EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier gerne vor, die USA vergebe im Jahr mehr als drei Mal so viele Patente wie die EU. Beim Versuch, zu der Innovationskraft der USA aufzuschließen, haben die Europäer aber möglicherweise den falschen Weg gewählt. Harhoff befürchtet: „Die Problematik der Trolle haben die Europäer viel zu wenig bedacht.“

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