Insolvente Kultmarken Niedergang der Ikonen
Sie hatten Kultstatuts, standen für Innovation und Fortschritt - und verschwanden plötzlich in der Versenkung. Ist Loewe bald der nächste Kandidat? Ein Nachruf auf Kodak, Neckermann, Schlecker & Co.

Loewe
Der schwer angeschlagene TV-Gerätehersteller hat Antrag auf Insolvenz in Eigenregie gestellt. Im Juli hatte Loewe Gläubigerschutz beantragt - der Konzern kann dabei versuchen, sich unter gerichtlichem Schutz zu sanieren und wird weiter von seinem Management geführt. Nun folgt die Planinsolvenz. Loewe-Chef Matthias Harsch zeigt sich zuversichtlich bis Ende Oktober einen finanzkräftigen Investor aufzutun. Man habe sechs Angebote. Sollte sich darunter kein passender Partner finden "ist es natürlich aus", sagte Harsch. Loewe steckt tief in den roten Zahlen, zuletzt hatte das Minus die Hälfte des Grundkapitals aufgezehrt. Im ersten Halbjahr 2013 brach der Umsatz um 40 Prozent auf nur noch 76,5 Millionen ein. Von den 1000 Mitarbeitern sind noch knapp 700 übrig.
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Telefunken
1903 auf Weisung von Kaiser Wilhelm II. als Gemeinschaftsunternehmen von Siemens & Halske und der AEG gegründet, erlebte die Traditionsmarke Telefunken in den sechziger Jahren mit damals rund 35 000 Beschäftigten ihren Zenit. 20.000 Patente gehen auf den Elektronikkonzern zurück, unzählige Modellreihen von Radios, Fernsehgeräte und Plattenspielern bestückten über Generationen die deutschen Wohnzimmer. In den achtziger Jahren wurde die Telefunken AG fast vollständig zerschlagen. 2005 endete die Ära Telefunken. Die Lizenz für die Marke ging 2006 an ein türkisches Unternehmen, Telefunken-TV-Geräte werden heute größtenteils in der Türkei von Vestel gefertigt.
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Grundig
Neben Telefunken verschwand mit Grundig Mitte der 2000er Jahre der zweite große deutsche Hersteller von Unterhaltungselektronik von der Bildfläche. 2003 meldet das Traditionsunternehmen - nach 73 Jahren am Markt - Insolvenz an. Einzelne Sparten wurden verkauft. Ein türkisches Elektronikunternehmen übernahm Teile der Grundig Multimedia und nennt sich seitdem Grundig Elektronik. Die Marke lebt bis heute weiter, obwohl es das Gründerunternehmen längst nicht mehr gibt.
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Kodak
Mit dem US-Kamerahersteller Eastman Kodak fällt ein Traditionsunternehmen mangels Innovationen dem harten Wettbewerb zum Opfer. Der Erfinder der Digitalkamera und Pionier der Fotografie musste im Januar 2012 Insolvenz anmelden. Auch bei der digitalen Fotografie war Kodak Mitte der 70er Jahre der Pionier - damals präsentierte die Firma die erste Digitalkamera in der Größe eines Toasters. Die Konkurrenz in Asien allerdings entwickelte die Technik weiter. Der Abstieg von Kodak begann um die Jahrtausendwende.
George Eastman (1854-1932) hat die Fotografie revolutioniert: In den 1880er-Jahren entwickelte der amerikanische Unternehmer einen mit einer lichtempfindlichen Emulsion überzogenen Papierfilmstreifen als Ersatz für Foto-Platten. Aus der Eastman Dry Plate Company wurde 1888 die Firma Kodak, die sich auf die Herstellung und den Vertrieb von Rollfilmen und Kameras. Kodak ist ein reiner Fantasiename - er sollte kurz, einprägsam und überall auf der Welt auszusprechen sein.
Seit 2003 schloss die Firma 13 Werke und 130 Labore. Kodak entließ insgesamt 47.000 Beschäftigte, heute sind es noch weltweit 18.000. Der Börsenwert von Kodak betrug zuletzt noch 150 Millionen Dollar, nachdem die Firma mehr als 70 Jahre lang zu den im Dow Jones gelisteten 30 Unternehmen gehört hatte. Zuletzt hatte die New Yorker Börse der Firma mit dem Ausschluss gedroht, weil der Kurs der Aktie an 30 aufeinanderfolgenden Börsentagen unter der Schwelle von einem Dollar gelegen hatte.
Im ersten Halbjahr 2013 will Kodak nun den Weg aus der Insolvenz schaffen. Ein neues und größeres Rettungspaket von zehn Investoren werde dem Unternehmen ermöglichen, die Umstrukturierung bis dahin abzuschließen, teilte der Konzern im November mit. Das neue Paket umfasst demnach 830 Millionen Dollar (641 Millionen Euro) und ersetzt das bisherige, durch das Kodak Kredite im Umfang von 793 Millionen Dollar hätte bekommen sollen. Das Insolvenzgericht muss der Finanzierung durch die Investoren noch zustimmen. Außerdem muss Kodak zuvor seine Patente für digitale Fotos um mindestens 500 Millionen Dollar verkaufen.
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Neckermann
Der Versandhändler meldet am 18. Juli 2012 Insolvenz an. Der amerikanische Investor Suncapital will nicht noch mehr Geld ins Geschäft pumpen. Geschäftsführung und Arbeitnehmervertreter hatten sich zwar auf ein Konzept geeinigt, wie der Abbau von 1.400 der 2.500 Stellen von statten gehen soll, doch Suncapital hielt die Kompromiss für nicht tragfähig und teilte mit: "Unter den gegebenen Rahmenbedingungen kann das Unternehmen in der bestehenden Form nicht fortgeführt werden."
Neckermann wurde 1950 von Josef Neckermann ins Leben gerufen. Der Versandhändler zählte neben Otto und Quelle zu den größten deutschen Versandhäusern. Der 1961 eingeführte Slogan "Neckermann macht's möglich" wurde zum geflügelten Wort. Neckermann stieg zudem ins Reisegeschäft ein, verkaufte Fertighäuser und Versicherungen und betrieb auch eine Kaufhauskette. In den 1970er Jahren geriet das Stammhaus in die Krise und wurde 1977 mehrheitlich von der Karstadt AG übernommen, die später mit dem Versandhändler Quelle fusionierte und schließlich im Touristik- und Handelskonzerns Arcandor aufging. Arcandor ging 2009 in die Insolvenz.
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Schlecker
Anton Schlecker hat den Drogerie-Discounter erfunden - die Idee machte in reich. Doch das Firmenimperium wurde zu groß, Innovationen blieben aus. Jetzt ist der einstige Branchenprimus Geschichte. Im Geschäftsjahr 2010 war der europaweite Umsatz von Schlecker bereits um rund 650 Millionen Euro auf 6,55 Milliarden Euro gesunken. Im Jahr 2011 dann der Schock, Schlecker musste Insolvenz anmelden. Die Investorensuche blieb erfolglos. Am 1. Juni gab Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz die Zerschlagung des Konzerns bekannt. Das Ende für insgesamt 30 000 Mitarbeiter in Deutschland. Am 18. Juli durchsuchen LKA-Beamte auf Anweisung der Staatsanwaltschaft Stuttgart Geschäftsräume und Privatwohnungen von Anton Schlecker und dreizehn weiteren Personen. Der Verdacht lautet auf Untreue, Bankrott und Insolvenzverschleppung.
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Agfa - Fotofilme
Generationen von Hobbyfotografen haben ihre Urlaubserinnerungen auf Agfa-Filme gebannt. Über Jahrzehnte war Agfa nach Kodak und Fujifilm einer der größten Hersteller von Filmen und Laborausrüstungen. 1981 übernimmt Bayer die Agfa-Gevaert-Gruppe. Wie Kodak schaffte Agfa den Sprung ist Digital-Geschäft nicht. Im Jahr 2000 lag der Umsatzanteil der Fotosparte bei 1,25 Milliarden Euro, bis 2004 sinkt er auf 693 Millionen Euro. 2005 stellt AgfaPhoto wegen Zahlungsfähigkeiten einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Betroffen sind bundesweit rund 1800 Mitarbeiter. Verschiedene Lizenzen zur Nutzung der Marke AgfaPhoto werden ins Ausland verkauft. Ende 2007 wird das Agfa-Werk München abgerissen. Am 17. Februar 2008 wird das in den 1950er Jahren gebaute und über 50 m hohe Agfa-Hochhaus in München-Giesing gesprengt.
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Grundig
Neben Telefunken verschwand mit Grundig Mitte der 2000er Jahre der zweite große deutsche Hersteller von Unterhaltungselektronik von der Bildfläche. 1930 in Fürth bei Nürnberg gegründet, florierte und expandierte Grundig bis in die 80er Jahre. In den 50er-Jahren feierte das Unternehmen durch die Entstehung des Fernsehens große Erfolge, weitere Unternehmen wie die Adlerwerke und Triumph wurden übernommen. Zu Beginn der 1980er Jahre brach der Umsatz der Grundig AG erstmals ein. Günstige japanische Unterhaltungselektronik drängte auf die europäischen Märkte. 1983 lag die Beteiligung des niederländischen Elektrokonzerns Philips an der Grundig AG bei 24,5 Prozent., 1984 fusionierten beide Konzerne. Doch der Niedergang war nicht mehr aufzuhalten. 2003 meldet das Traditionsunternehmen Insolvenz an. Einzelne Sparten wurden verkauft. Ein türkisches Elektronikunternehmen übernahm Teile der Grundig Multimedia und nennt sich seitdem Grundig Elektronik.
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AOL
In Deutschland warb der Internetkonzern in seine Anfängen mit AOL "Alles OnLine" und galt als Synonym für Web-und E-Mail-Dienste. Mitte der 2000er Jahre hatte AOL weltweit mehr als 30 Millionen Kunden und war damit der größte Internet-Anbieter der Welt. Doch der Erfolg währt nicht lange, andere Online-Dienste - in Deutschland die Deutsche Telekom - preschen in den Markt. Die Haupteinnahmequelle, die Gebühren über die Einwahl per Modem versiegt mit dem Vormarsch von DSL-Verbindungen und Flatrates. Ende 2009 streicht AOL 2.500 Stellen, will 300 Millionen Dollar einsparen. Vorstandschef Tim Armstrong verändert die Ausrichtung des Unternehmens hin zum Contentlieferanten. Ende 2009 trennt sich Time Warner vom sinkenden Riesen. 2011 kauft AOL die Web-Zeitung Huffington Post für 315 Millionen Dollar, um sich hochwertigen journalistischen Content zu sichern. An den Web-Giganten aus den 90er erinnert nicht mehr viel.
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Saab
Der Name des ehemaligen schwedischen Flugzeugbauers ist eine Abkürzung für Svenska Aeroplan AB. Nach diversen gescheiterten Rettungsversuchen musste Saab Anfang Dezember 2011 Insolvenz anmelden. Der schwedische Konzern Saab mit Hauptsitz in Trollhättan, Südschweden, wurde 1937 ursprünglich zur Herstellung von Militärflugzeugen gegründet. 1947 wurde das Unternehmen um die Auto-Produktionssparte Saab Automobile ergänzt. 1969 übernahm Saab den Lastkraftwagen-Hersteller Scania und firmierte seitdem als Saab-Scania.
Nach Verlusten auf dem Fahrzeugsektor im Jahr 1989 und gescheiterten Kooperationsplänen mit Ford ging Saab-Scania im Dezember 1989 eine Partnerschaft mit dem US-Konzern General Motors ein. Bereits 2009 beantragte das Unternehmen Gläubigerschutz, 2010 verkaufte GM Saab an Spyker
Am 19. Dezember 2011 meldete Saab Insolvenz an, nachdem General Motors als vorherige Besitzer alle Rettungspläne zurückgewiesen hatte. Dessen Zustimmung war allerdings unbedingt notwendig, weil Saab aus der gemeinsamen Zeit noch zahlreiche Patente nutzte, die nicht auf den neuen Eigentümer übergegangen waren.
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Trabant
Der „Volkswagen der DDR“ gilt inzwischen als Auto mit Kultstatus. Von 1957 bis 1991 rollten im sächsischen Zwickau mehr als drei Millionen Autos der Marke Trabant vom Band. Der Produktionsstart war symbolträchtig für den 7. November 1957, dem 40. Jahrestag der russischen Oktoberrevolution, angesetzt. Der Kleinwagen mit Zweitaktmotor, der von einigen technischen Modifikationen abgesehen, optisch nahezu identisch das Werk verließ, war allerdings nicht revolutionär. Zum Ende der Bauzeit und auch noch lange danach erreichte der Trabi Kultstatus und hat bis heute noch zahlreiche Anhänger. Doch das angestaubte Design und fehlende technische Neuerungen bedeuteten 1991 das Aus für den Trabant.
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Hummer
Es war ein Auto wie gemacht für den ehemaligen Terminator-Darsteller und späteren US-Gouverneur Arnold Schwarzenegger. Der Hummer war ein Geländewagen, der aus dem HMMWV (Humvee) entwickelt wurde, einem Militärfahrzeug der US-Armee aus dem Hause AM General Coporation. Der zweite Golfkrieg macht den HMMWV berühmt, 1992 kam die erste zivile Version auf den Markt. Kurz darauf kaufte General Motors die Marke und produzierte unter der Marke Hummer den H1, H2, und H3. Der Hummer wurde als Protz-Geländewagen der Stars berühmt.
Doch selbst denen wurde der Spritschlucker irgendwann zu teuer oder er passte nicht mehr ins Image. Mit einem Verbrauch von bis zu 30 Litern auf 100 Kilometer eckte der Hummer im Zeitalter der Öko-Mobile zunehmend an. 2010 stellte GM schließlich die Produktion ein.
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Laker Airways
Er war der Erfinder dessen, was wir heute Billig-Flieger nennen, der Ur-Vater der RyanAirs und Germans-Wings wenn man so will. Freddy Laker gründete 1966 die legendäre Fluggesellschaft Laker Airways. Nach mehreren Zukäufen starteten 1977 die ersten Maschinen von London in die USA. Ein Ticket für den „Sky-Train“ kostete nur 59 Pfund (umgerechnet etwa 125 Euro), das war deutlich günstiger als alles, was Passagiere bis dato für einen Trans-Atlantik-Flug berappen mussten.
Laker baute sein Streckennetz aus und griff unter dem Namen „Metro Service“ die traditionellen nationalen Airlines auf den Kurz- und Mittelstrecken in Europa an. Das war der Anfang vom Ende. Die Konkurrenz setzte sich zur Wehr. Als 1979 auch noch ein schwerer Unfall einer DC-10 – dem Flugzeugtyp, mit dem Lakers den „Sky-Train“ unterhielt – dazu führte, dass niemand mehr mit diesen Maschinen fliegen wollte, geriet Lakers in immer größere Schwierigkeiten. Als sich schließlich die Konkurrenz gegen Lakers verschwor und ein geplantes Rettungspaket verhinderte, musste der Pionier der Billigflieger am 5. Februar 1982 Insolvenz anmelden. Laker verklagte die Konkurrenz und erhielt Jahre später 100 Millionen US-Dollar.
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Quelle
Das Unternehmen Quelle wurde 1927 von Gustav Schickedanz in Fürth gegründet. Der Quelle-Katalog erscheint 1954 zum ersten Mal für die Frühjahrs- und Herbstkollektion. Auf 72 Seiten präsentiert er 1200 Produkte. Der Umsatz beträgt in diesem Jahr 260 Millionen Mark.
1972 beträgt der Umsatz von Quelle fünf Milliarden Deutsche Mark. Zwei Jahre später ist er auf 6,4 Milliarden angestiegen. Nach der Wende investiert Quelle eine Milliarde Deutsche Mark in den Osten. 1995 gründet der Versandhausriese gemeinsam mit der Pro-Sieben Gruppe den ersten deutschen Teleshopping –Kanal. 1998/99 fusioniert das ehemalige Familienunternehmen als Quelle Schickedanz AG & Co mit dem Warenhauskonzern Karstadt zur KarstadtQuelle AG. Zum 1. Januar 2006 wird aus der Quelle AG die Quelle GmbH. Sie gehört neben zahlreichen Spezialversendern zu Primondo – der Versandhandelssparte der Arcandor AG. Am 9. Juni 2009 reichte die Quelle GmbH Deutschland Insolvenz ein. Am 20. Oktober verkündet der Insolvenzverwalter das Aus. Die Suche nach einem Investor endet ohne Erfolg.
Seit August 2011 werden unter der Webadresse www.quelle.de und dem früheren Logo, Waren einer Tochter des Hamburger Otto-Versandes angeboten. Otto hält die Markenrechte an Quelle.
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Hertie
Im Jahr 1882 gründete Oscar Tietz sein erstes Kaufhaus in Gera. Es folgten Filialen in Weimar, Bamberg, München und Hamburg. Für die Firma nutzte er das Kapital seines Onkels Hermann Tietz, der später auch Namensgeber für die Kaufhauskette „Hertie“ war, weil der jüdische Name Tietz im Dritten Reich nicht mehr geführt werden durfte. Nach dem Zweiten Weltkrieg expandierte das Unternehmen weiter, 1952 übernahm Hertie die Mehrheit an der Wertheim AG. Mitte der 80er Jahre gingen die Umsätze in den Hertie-Filialen stetig zurück, so dass zahlreiche Standorte geschlossen werden mussten. Das Unternehmen versuchte sich daraufhin auf Spezialgebieten, wie beispielsweise mit dem Musikhandel mit World of Music (WOM) und im Bekleidungsbereich mit Wehmeyer.
1994 wurde Hertie von Karstadt übernommen, die kleineren Warenhäuser wurden 2005 verkauft. Doch auch die neue Eigentümerstruktur brachte keinen Erfolg, so dass die letzten noch unter dem Namen Hertie betriebenen Kaufhäuser im Jahr 2009 geschlossen wurden.
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