Jacht-Boom Flucht auf die hohe See

Nichts wie weg: Zahlreiche Jachten stechen vor Monaco in See. Quelle: imago images

Inflation, Krieg, Sanktionen gegen russische Oligarchen – all das kann den Jacht-Werften nichts anhaben. In Bremen oder Greifswald klingelt die Kasse. Der Grund: Es gibt immer mehr Reiche auf der Welt.

  • Teilen per:
  • Teilen per:


Wladimir Putin höchstpersönlich ließ seine Jacht mit einem neuen Balkon versehen. Kurz vor dem Start des Angriffs auf die Ukraine war der Umbau in der Hamburger Werft der Lürssen-Tochter Blohm+Voss nach fünf Monaten angeblich abgeschlossen, die „Graceful“ schipperte bequem aus dem Hafen.

Wer eine Superjacht bauen oder aufwerten will, der kommt zu Lürssen. Der Krieg in der Ukraine, die Sanktionen gegen russische Oligarchen, selbst die Flucht von Putins Jacht stören die Geschäfte des weltweit wichtigsten Herstellers von Superyachten wenig.

Im Gegenteil, der deutsche Mittelständler hat fast zu viel zu tun. Die Auftragsbücher der Werften für Jachten sind so prall gefüllt wie seit der Finanzkrise 2008 nicht mehr. Egal welche Preisklasse, ob zwölf oder mehr als 40 Meter – die Nachfrage nach hochseetauglichen Luxusschiffen boomt. Aktuell sind 571 Jachten mit mehr als 30 Metern Länge geordert oder im Bau – 13,7 Prozent mehr als im Vorjahr. Im Vergleich zu 2014 ist das sogar ein Wachstum von knapp 50 Prozent, so die Fachpublikation Superyacht Times.

Die wesentlichen Sanktionen gegen Russland

Dabei ging in der Branche mit dem Ausbruch der Coronakrise zunächst die Angst um, jetzt würden die Kunden wegbleiben. In Deutschland hängen Tausende von Arbeitsplätzen an den Werften. Doch das Gegenteil ist der Fall: Die Unabhängigkeit und zugleich hygienische Kontrolle auf einer Jacht schätzen Reiche, sie fühlen sich geschützt wie auf einer privaten Insel. Manche Milliardäre brachten selbst Mitarbeiter und Sekretärinnen mit auf ihre Ausflüge auf hoher See, um von unterwegs weiter ihren Geschäften nachgehen zu können. Die Anbindung ans Satelliteninternet von jedem Ort ist auf den Weltmeeren längst kein Problem mehr.

Ähnlich ging es mit Privatjets: Auch diese Nachfrage stieg durch das Coronavirus stark an. Mit einem Unterschied: Das Geschäft mit den Jachten läuft sogar noch besser. „Eine Jacht egal welcher Größe verspricht eine Covid-sichere Bubble“, sagt Theo Hooning, der Generalsekretär des Verbands der Superjacht-Bauer Sybass in Monaco, dem auch die drei großen deutschen Werften für Spezialanfertigungen Lürssen, Abeking & Rasmussen und Nobiskrug angehören.

Lesen Sie auch: Vor allem Konzerne wollen einen Privatjet im Abo – denn das ist sicherer, als gleich selbst einen Flieger zu kaufen.

HanseYachts-Chef Hanjo Runde erzählt im Podcast, warum der Bau zweier Yachten wegen der Sanktionen gegen Russland gestoppt wurde und die Angst vor Corona seinem Geschäft einen enormen Schub gebracht hat.
von Beat Balzli

Google-Gründer Larry Page wurde während des ersten Lockdowns monatelang mit seiner Jacht rings um die Fidschi-Inseln gesichtet. Amazon-Gründer Jeff Bezos, der sich die größte Segeljacht der Welt in Holland bauen lässt, schaffte zwar die Jungfernfahrt nicht rechtzeitig für die kritischste Phase der Pandemie. Seine Bestellung aber weckte Begehrlichkeiten bei vielen, die sich eine kleinere Version des ganz großen Traums leisten können.

Große und kleine Jachten gefragt

„Wir haben gut gefüllte Auftragsbücher, schon Stand Ende Februar hatten wir Orders für 330 Millionen Euro“, sagt Hanjo Runde, der Geschäftsführer von HanseYachts in Greifswald, dem zweitgrößten Hersteller hochseetauglicher Jachten in Deutschland, im Podcast Chefgespräch mit WiWo-Chefredakteur Beat Balzli. Die Schiffe von HanseYachts kosten bis zu vier und fünf Millionen Euro das Stück. Nur zwei Orders musste er nach dem Compliance Check wegen der Sanktionen gegen bestimmte russische Käufer stornieren, einen Auftrag eines ukrainischen Kunden löschte er auf dessen Wunsch. „In der Gesellschaft gibt es einen Trend zu mehr Unabhängigkeit“, sagt Runde, „allein mit der Familie auf dem Wasser zu sein, gewann gerade in der Corona-Pandemie an Charme.“ Auf Google trenden schon seit längerem Suchbegriffe wie Boot, Yachting und Urlaub auf dem Wasser.

Den vollständigen Podcast mit Hanjo Runde hören Sie hier

Händeringend sucht der Unternehmenschef vor allem nach Fachkräften: Ihm fehlen 500 Arbeiter, die Boote bauen können. Boomende Nachfrage trifft auf knappes Angebot – was die Preise treibt. Experten schätzen, dass die Preiserhöhungen deutlich über das langjährige Mittel von drei bis sechs Prozent im Jahr anziehen werden.

von Sonja Álvarez, Max Biederbeck, Karin Finkenzeller, Max Haerder, Vinzenz Neumaier, Christian Ramthun, Silke Wettach, Lukas Zdrzalek

Bas Lengers, der mit seinem Familienunternehmen Lengers Yachts Schiffe hauptsächlich in Holland, Deutschland und Belgien verkauft, erlebt einen großen Boom. Über die vergangenen zwei Jahre verdoppelte sich sein Umsatz auf 100 Millionen Euro im Jahr: „Bis 2025 wird der Freizeitmarkt deutlich weiter wachsen“, erwartet der Holländer, „selbst die Disruption durch den Ukrainekrieg hat bislang keine Veränderung im Käuferverhalten ausgelöst“. 

Der Markt wird neuerdings getrieben durch jüngere Käufer. Gerade in Deutschland erben viele das Geld, das sie für den Kauf einer Jacht brauchen. Besonders Superjachten – das sind Boote ab 40 Meter Länge – werden schon seit ein paar Jahren stark nachgefragt. Dazu muss man das nötige Kleingeld haben: Kaufpreis ab 20 Millionen Euro, manche Luxusboote kosten gleich eine halbe Milliarde Euro. Beinahe 100 neue Schiffe dieser Riesendimension wurden 2021 geordert.

Es gibt immer mehr Milliardäre auf der Welt

Dahinter steckt ein globales Phänomen: Es gibt immer mehr Reiche. Trotz Corona gab es 2021 weltweit 32 Prozent mehr Milliardäre auf der Welt als im Vorjahr, durchschnittlich besaß jeder Milliardär ein Vermögen von 4,7 Milliarden Euro.

Lesen Sie auch: Das sind die reichsten Menschen der Welt

Den Markt für Superjachten ab 40 Meter dominieren die amerikanischen Kunden. Russen machen mit 13,2 Prozent Marktanteil die zweitgrößte Käufergruppe für neugebaute Jachten aus. Die Kunden aus Moskau ordern vor allem besonders extravagante Superjachten, entsprechend wirken sich die gegenüber russischen Oligarchen verhängten Sanktionen am stärksten auf dieses Segment aus. „Die Hersteller von Superjachten implementieren die Sanktionen schnell und halten sich streng an die Maßnahmen, die wegen der schnell eskalierenden Krise in Europa nötig wurden“, sagt Hooning vom Verband der Werften.

von Max Haerder, Maxim Kireev, Andreas Macho, Vinzenz Neumaier, Volker ter Haseborg, Cornelius Welp, Sascha Zastiral, Lukas Zdrzalek

Aufgrund der sehr vollen Orderbücher erwartet er jedoch keine Probleme für die Werften: „Angesichts der derzeitig starken Nachfrage werden Käufer aus anderen Regionen möglicherweise verlorenes Geschäft bei unseren Mitgliedern kurzfristig wettmachen“, erwartet Hooning, „Die Gefahr ist aber, dass durch die Sanktionen ein negatives Image für unsere Industrie entsteht, die zehntausende Menschen weltweit beschäftigt.“

Die Sanktionen stellen die Superjacht-Werften dennoch vor erhebliche Schwierigkeiten – denn es herrscht Unsicherheit, wie mit einigen Schiffen für russische Kunden, die sich derzeit im Bau befinden, verfahren werden muss. Meist handelt es sich um Sonderanfertigungen: „Milliardäre sind eine höchst heterogene Kundengruppe“, so Hooning. Die Geschmäcker divergieren stark.

Wohnungskauf So können Sie den Immobilienkredit steuerlich absetzen

Unser Leser bewohnt eine Eigentumswohnung in München. Mit seiner Frau möchte er in eine größere ziehen, die alte dann vermieten. Können sie Kreditkosten bei der Steuer geltend machen?

Tages- und Festgeld „Die Banken sind in Lauerstellung“

Die Ära der hohen Leitzinsen neigt sich dem Ende zu. Dennoch bessern manche Banken ihre Angebote gerade nach. Für Sparer könnte es die letzte Gelegenheit sein, bevor die Zinsen rapide fallen.

Deutsche Telekom „Srini ist hochintelligent und weiß, wie man liefert“

Srini Gopalan hat beste Chancen auf die Nachfolge von Tim Höttges bei der Deutschen Telekom. Vorher muss er das komplizierteste Projekt des Konzerns stemmen: den Glasfaserausbau.

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Die individuellen Verträge sehen von Schiff zu Schiff auch andere Übergabe- und Bezahlmodalitäten vor. Eine Jacht, deren Bau gestoppt werden muss, blockiert knappen Platz in einer Werft, der dann für die Bearbeitung der nächsten Order fehlt. Allein die regulären Bauzeiten betragen schon zwischen zwei und fünf Jahren. Hooning befürchtet: „Die echten Effekte dieses Konflikts auf die Superjacht-Industrie wird man erst in ein paar Jahren spüren“.

Lesen Sie auch: Warum Privatjets aktuell so stark abheben – und was Donald Trump damit zu tun hat.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%