Jaguar wird elektrisch Die britische Sternschnuppe

Jaguar Land Rover feiert die Premiere des ersten Elektroautos in der Geschichte des Unternehmens. Mit dem I-Pace wollen die Briten der deutschen Konkurrenz im elektrischen SUV-Segment zuvorkommen.

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Mit einer Batterieladung soll der elektrische Jaguar 500 Kilometer schaffen und damit ein vollwertiges Hauptauto sein. Quelle: Reuters

London/Düsseldorf Wie eine Sternschnuppe fällt Jaguars neues Elektroauto vom Himmel und landet an einer der wohl beliebtesten Strandpromenaden der USA: in Venice Beach bei Los Angeles. Wer will, kann einsteigen und es sich zunächst auf dem Fahrersitz bequem machen. Wem das nicht reicht, kann die Beinfreiheit in der hinteren Sitzreihe ausprobieren, den Kopf durch das offene Autodach stecken, sich etwas in Venice Beach umschauen oder auch das Auto von oben ansehen.

Dabei sitzen die Zuschauer mit beiden Beinen fest auf britischem Boden. Eine Virtual-Reality-Brille macht die aufwändige Inszenierung möglich. Jaguar Land Rover hat sie Anfang dieser Woche Kunden und Gästen in London und in Los Angeles aufgesetzt, um ihnen mit Hilfe virtueller Realität einen Eindruck von dem ersten Elektroauto des britischen Luxusautoherstellers zu vermitteln. Der Name I-Pace fügt sich dabei nahtlos ein in die bisherige Nomenklatur der Jaguar-Modelle. Das erste SUV hört auf den Namen F-Pace.

Und auch das erste Elektroauto wird ein stadttauglicher Geländewagen mit Allradantrieb. Zwei Elektromotoren, jeweils an der Vorder- und Hinterachse, mit insgesamt 400 PS lassen den elektrischen Jaguar in vier Sekunden von null auf 100 sprinten. Im kommenden Jahr soll der Wagen als Serienversion vorgestellt werden und 2018 auf den Markt kommen.

Die Leistungsdaten sehen auf den ersten Blick mehr als konkurrenzfähig aus. Mit einer Batterieladung soll der I-Pace 500 Kilometer schaffen und damit ein vollwertiges Hauptauto sein, kein Zweitwagen nur für Kurzstrecken. „Unsere Kunden wollen keine Kompromisslösung“, sagte Produktmanager Giles Lenthall bei der Vorstellung des I-Pace in London.

Dass man für das erste Elektroauto keinen Jaguar-typischen Sportwagen, sondern ein SUV gewählt hat, überrascht nur auf den ersten Blick. Denn das SUV-Segment ist das am schnellsten wachsende Marktsegment – mit einer Zuwachsrate von mehr als 20 Prozent im vergangenen Jahr. Bislang ist der kalifornische Pionier Tesla mit seinem Model X der einzige Anbieter eines rein elektrischen SUVs. In den nächsten Jahren sollen aber mehrere weitere elektrischen Varianten das Segment erobern, unter anderem der neue EQ von Daimler, aber auch der Audi Q6 e-tron oder der elektrische BMW X5.

Jaguar will der deutschen Konkurrenz mit dem I-Pace die Stirn bieten. Aber es gibt auch eine Notwendigkeit für die elektrische Offensive. Denn die Briten müssen den CO2-Ausstoß ihrer Flotte dringend senken, wenn sie nicht die gesetzlichen Vorgaben der Europäischen Union im Jahr 2021 verletzen wollen. Ralf Speth, der deutsche Chef von Jaguar Land Rover (JLR), stand der elektrischen Mobilität zwar lange skeptisch gegenüber, weiß aber auch, dass er den Flottenschnitt nur über eine Elektrifizierung seiner Modellpalette wirksam senken kann. „Ich denke, dass der Trend zum Elektroauto schneller kommen wird, als wir alle denken”, sagte Speth noch im September im Gespräch mit dem Handelsblatt.

Jaguar hat die technischen Möglichen der virtuellen Realität nicht nur genutzt, um sein neues Modell vorzustellen, sondern auch, um es zu entwickeln. Die Zeit bis zur Konzeptstudie habe sich dadurch von viereinhalb auf etwa dreieinhalb Jahre verkürzt, so das Unternehmen.


Briten punkten in der Nische

Der kleine Vorsprung der Briten für eine elektrische Offensive scheinen günstig: Bei Elektroautos erwarten Analysten von LMC Automotive, dass sich die Zahl der verkauften Wagen bis zum Jahr 2020 auf mehr als 1,2 Millionen vervierfacht. Hersteller rechnen damit, dass der Markt in den nächsten zehn Jahren sein Nischendasein verlässt und die Verkaufszahlen deutlich steigen werden – wegen der strengeren Umweltbestimmungen der Regierungen, die unter Druck stehen, ihre Klimaschutzziele zu erreichen. So will der Volkswagen-Konzern bis zum Jahr 2025 mehr als 30 neue Elektromodelle auf den Markt bringen und geht davon aus, in einem Jahrzehnt zwei bis drei Millionen Elektrofahrzeuge pro Jahr zu verkaufen.

Jaguar Land Rover zielt dagegen weniger auf die Masse, sondern versteht es seit Jahren geschickt, mit speziellen Angeboten in der Nische zu punkten. So haben die Briten die Zahl der verkauften Autos in den vergangenen sechs Jahren auf rund 520.000 verdoppelt und den Umsatz auf gut 22 Milliarden Pfund verdreifacht. Auch beim Elektroauto will von der speziellen Jaguar-Strategie nicht abweichen. „Kein gewöhnliches Auto“ hatte Speth immer versprochen. Tatsächlich bewegt sich der I-Pace nicht nur optisch, sondern auch technologisch auf der Höhe der Zeit.

Unter anderem versprechen die Briten, auch das Problem der langsamen Ladung weitgehend gelöst zu haben. An einer öffentlichen Säule können die Lithium-Akkus mit einer Kapazität von 90 Kilowattstunden innerhalb von zwei Stunden aufgeladen werden. Mit einem noch stärkeren Ladegerät könne man innerhalb von zehn Minuten sogar 100 Kilometer Reichweite erzielen, verspricht Jaguar. Bislang sind solche Hochvolt-Ladesäulen aber noch nicht verfügbar.

Gebaut wird der I-Pace wohl bei Magna in Graz. Auf angepeilte Verkaufszahlen will man sich bei der Präsentation des neuen Elektromodells noch nicht festlegen. Ob weitere Elektromodelle folgen, will man ebenfalls noch nicht verraten. Den größten Teil des Geschäfts dürften auch in den nächsten Jahren weiter die Geländewagen mit Verbrennungsmotor ausmachen. Bislang machte vor allem Land Rover für das starke Absatzplus in den vergangenen Jahren verantwortlich, mit dem neuen SUV F-Pace zieht aber auch Jaguar mächtig an – allein im vergangenen Quartal stieg der Absatz um 84 Prozent.

Insgesamt legte JLR damit zwischen Juli und September von 4,8 auf 6 Milliarden Pfund im Jahresvergleich zu. Der Vorsteuer-Gewinn lag bei 280 Millionen Pfund – nach einem Verlust von 157 Millionen Pfund im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Damit haben die Briten genug Geld, um auch ihre elektrische Offensive voranzutreiben.

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