Jahrelange Versäumnisse Warum die Bundeswehr auf einem Haufen Schrott sitzt

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Qualität zeigt sich erst im Einsatz

Selbst wenn Fahrzeuge und Fluggeräte einmal ausgeliefert sind, reißen die Probleme nicht ab. Mängel werden häufig erst entdeckt, wenn sich die Maschinen unter realen Bedingungen beweisen müssen.

Gerade hat die Bundeswehr mittgeteilt, dass der Eurofighter Qualitätskontrollen nicht bestanden hat. Bohrungen am Rumpf des Kampfjets  könnten im schlimmsten Fall zur Ablösung von Bauteilen führen. Als Sofortmaßnahme halbierte der Hersteller Airbus die freigegebene Lebensdauer von 3000 auf 1500 Flugstunden. Für ein Milliarden-Euro Projekt ist das ein herber Schnitzer. Schwachstellen sind aber offenbar bei Neu- und Eigenentwicklungen nie ganz auszuschließen.

Problemanfälligkeit und Wartungsbedarf lassen sich vorab kaum simulieren. Die tatsächlichen Stärken und Schwächen der Produkte zeigen sich erst im Einsatz. Das sorgte schon häufiger für böse Überraschungen. Auch weil beim Zeitpunkt der Bestellung nie ganz klar ist, wo Jets mal fliegen und die Panzer mal rollen werden.

Die Pannen der Bundeswehr
Ein Tornado-Jet der Bundeswehr stürzt in der Eifel ab, die Piloten retten sich mit dem Schleudersitz. Ein Expertenteam sei mittlerweile vor Ort, sagte ein Sprecher der Bundeswehr. Die angrenzende Autobahn 48 wurde wegen Trümmerteilen auf der Straße gesperrt. Wie es zu dem Unglück kam, war laut Polizei und Luftwaffe zunächst unklar. Weitere Menschen, Gebäude oder Autos waren von dem Unglück aber offenbar nicht betroffen. Wie hoch der Schaden ist, ist noch nicht bekannt. Anders sieht es mit den Kosten aus, die für Auslandseinsätze der Truppe anfallen... Quelle: dpa
Die Auslandseinsätze der Bundeswehr haben den deutschen Steuerzahler seit 1992 knapp 17 Milliarden Euro gekostet. Das geht nach Angaben des Magazins „Spiegel“ aus einer internen Berechnung des Verteidigungsministeriums hervor, die ein Beamter des Hauses kürzlich Vertretern der Industrie präsentiert habe. Demnach war der Zeitraum 2010 bis 2012 mit 1,4 Milliarden Euro pro Jahr besonders teuer. Nur 2002, als die Bundeswehr ihren Afghanistan- Einsatz aufbaute, sei mit 1,5 Milliarden Euro mehr ausgegeben worden. Die Summen beziffern dem Bericht zufolge die zusätzlichen, spezifischen Einsatzkosten. Der Sold der eingesetzten Soldaten werde getrennt berechnet. Darüberhinaus leistete sich die Bundeswehr eine ganze Reihe kostspieliger Investitionsflops. Quelle: dapd
Drohne Euro-HawkMit Projektkosten von etwa 600 Millionen Euro ist die Drohne nicht gerade günstig. Jetzt steht das Projekt vor dem Aus. Der Grund: Die Euro-Hawk hat keine Zulassung für den Luftverkehr - Die Kosten für die Nachrüstung würden sich auf 500 bis 800 Millionen Euro belaufen. Quelle: Steuerzahlerbund Quelle: dpa
IT-Projekt HerkulesDer Name verspricht mehr, als er hält: Es war das ehrgeizigste IT-Projekt in der Geschichte der Bundeswehr - und es wurde zu einem Fiasko. In dem Gemeinschaftsprojekt von Siemens und IBM wollte der Bund die völlig veraltete Informations- und Kommunikationstechnik der Streitkräfte modernisieren. Die Kosten sprengten allerdings den geplanten Rahmen: Die Ursprungskalkulation mit 6,8 Milliarden Euro war bereits 2013 überholt. Quelle: dpa
Transportflugzeug A400M Der Airbus A400M soll die alte Transall der Bundeswehr ablösen. Die neue Maschine kann schneller Truppen und große Mengen von Material transportieren - auch gepanzerte Fahrzeuge oder Hubschrauber. Rund 200 Bestellungen aus Deutschland, Frankreich und weiteren Nationen liegen vor ... Quelle: dpa
... und sie warten noch immer: Der Auslieferungstermin wurde bereits mehrfach verschoben, dass Projekt liegt deutlich hinter seinem Zeitplan. Eine Erstauslieferung an Deutschland wird nach Angaben des Steuerzahlerbundes im Herbst 2014 erwartet - wenn sich nichts verschiebt. Quelle: Presse
Dabei ist der Ausliefertermin nicht das einzige Problem, mit dem der Airbus zu kämpfen hat: Ein permanenter Kostenanstieg hat die Ursprungsplanung von 20 Milliarden Euro längst gesprengt. Derzeit wird mit Kosten von rund 27 Milliarden Euro geplant. Im Jahr 2011 haben die interessierten Länder deshalb mehrere Milliarden Euro nachfinanziert, damit das Projekt nicht eingestellt wird. Quelle: dpa

Veränderte Auftragslage

17 Einsätze absolviert die Bundeswehr derzeit. Viele davon sind klein, mit wenigen Kräften zu stemmen. Aber alle sind unterschiedlich. Die Spannbereite reicht vom Kampfeinsatz in Afghanistan über die Piratenjagd vor Afrika bis zur Ausbildungsmission in Mali.

Weil sich kommende Aufgabe schwer einschätzen lassen, sind vor Jahren oder Jahrzehnten bestellte Produkte nicht immer optimal an die neuen Anforderungen angepasst. So bemängeln Militärs etwa das vergleichsweise schwache Bordgeschütz der deutschen Variante des Eurocopter Tiger, die vor allem als  Unterstützungseinheit konzipiert worden. Die französische Variante etwa ist stärker bewaffnet, kann im Extremfall besser ins Kampfgeschehen eingreifen.

Ähnliche Kritik gibt es aus Teilen der Truppe am Nachfolger des Transportpanzers Fuchs. Der schwergepanzerte Boxer dient dazu, Soldaten sicher durch feindliches Gebiet zu bringen. Dass er bei Kampfeinsätzen wie in Afghanistan auch gut zur Unterstützung der Bodentruppen dienen könnte, wurde bei der Planung vernachlässigt. Die Bewaffnung ist vielen Militärs zu schwach. Der eher abfällige Ausdruck „gepanzertes Taxi“ macht unter Soldaten die Runde.

Rüstungsexperte Schulte schätzt die  Situation als weniger dramatisch ein.  „Die große Aufgabenvielfalt der Bundeswehr ist nicht das Problem. Die Armee ist für die Einsätze gerüstet.”

Belastungsgrenze erreicht

Schwierig ist die Vielzahl der Einsätze. Mit ihren Schiffen muss die Marine  nicht nur Piraten vor Somalia jagen sondern auch noch amerikanische Schiffen, die chemische Waffen transportieren, Geleitschutz geben. Die Luftwaffe transportiert mit der veralteten Transall nicht nur Soldaten und Waffen, sondern soll auch die Luftbrücke zur Ebola-Hilfe unterstützen.

Trotz Mängelliste und Nachschubproblemen schickt die Bundeswehr Soldaten und Geräte in neue Einsätze.  Wie das enden kann zeigt der Fall Transall-Transportmaschine, die auf dem Weg zum Ebola-Hilfseinsatz im Senegal defekt auf Gran Canaria liegengeblieben ist. „Die Grenze der Belastbarkeit ist an vielen Stellen längst erreicht, wenn nicht überschritten“, sagt Schulte.

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