Jahreszahlen Boehringer Ingelheim und die drei Fragezeichen

Boehringer Ingelheim dämpft die Erwartungen. Deutschlands zweitgrößter Pharmakonzern kämpft mit mehreren Problemen gleichzeitig. 2013 litt das Unternehmen unter dem starken Euro.

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Die Probleme von Boehringer Ingelheim waren schon vor der Jahrespressekonferenz allgemein bekannt Quelle: dpa

Das Geschäft beim – nach Bayer – zweitgrößten deutschen Medikamenten-Hersteller läuft eher durchwachsen. Das Unternehmen hat Ärger wegen Produktionspannen und mit der US-Zulassungsbehörde FDA. Beim Schlaganfall-Mittel Pradaxa sieht sich Boehringer mit Schadenersatzklagen in den USA konfrontiert.

Der zweitgrößte deutsche Pharmakonzern hat 2013 unter den starken Euro gelitten und erwartet auch im laufenden Jahr keine größeren Zuwächse. Die Erlöse blieben 2013 im Vergleich zum Vorjahr mit einem Plus von währungsbereinigt 1,4 Prozent auf 14,1 Milliarden Euro nahezu konstant, wie das Unternehmen am Dienstag mitteilte. Auf Euro-Basis ergibt sich ein Minus von 4,3 Prozent. Der Jahresüberschuss stieg 2013 um 7 Prozent auf 1,3 Milliarden Euro, die Zahl der Mitarbeiter nahm um drei Prozent auf weltweit 47 400 zu. Rund 77 Prozent des Umsatzes erwirtschaftet Boehringer Ingelheim mit verschreibungspflichtigen Medikamenten.

Es sind vor allem drei Probleme, die Boehringer Ingelheim zu schaffen machen. Bei seinem wichtigsten Mittel, dem Schlaganfall-Präparat Pradaxa, sieht sich Boehringer in den USA mit mehr als 2000 Klagen konfrontiert. Erstmals kommt es voraussichtlich am 11. August vor dem Bezirksgericht East St. Louis im US-Bundesstaat Illinois zu einem Prozess. Die Kläger behaupten, dass Pradaxa Patienten schädige und im Extremfall sogar zu tödlichen Blutungen führen soll. Boehringer weist die Vorwürfe zurück und verweist auf das positive Nutzen-Risiko-Profil von Pradaxa. Für seine Version erhält Boehringer durchaus Unterstützung von den Zulassungsbehörden. Weder die FDA in den USA noch das Bundesinstitut  für Arzneimittel und Medizinprodukte sehen irgendeinen Anlass, von der positiven Bewertung des Mittels abzurücken. Das Boehringer-Mittel senke das Schlaganfall-Risiko erheblich, argumentieren sie. Allerdings hat Bayer mit seinem Konkurrenzpräparat Xarelto der Boehringer-Arznei in puncto Marktanteile den Rang abgelaufen.

von Florian Zerfaß, Jürgen Salz

Andere Boehringer-Probleme sind eher hausgemacht. Das Hauptwerk in Ingelheim am Rhein in der Nähe von Mainz steht schon seit längerem unter verstärkter Beobachtung der FDA.  Bei einer Inspektion im November 2012 hatten die FDA-Kontrolleure in einem Wirkstoff des Boehringer-Bestsellers Spiriva gegen Raucherlunge Fremdpartikel entdeckt. Nachdem das Unternehmen aus Sicht der FDA darauf nicht angemessen und zu spät reagierte, sandten die Amerikaner im Mai 2013 einen blauen Brief („Warning letter“) ins Rheintal. Da Spiriva auch in den USA verschrieben wird, können die Amerikaner entsprechenden Druck ausüben.

Folgen für die Bilanz

Die größten Chemiekonzerne der Welt
Das Mitsubishi Chemical-Werk in Yokohama Quelle: Pressebild
Platz 8: Dupont Quelle: dpa
Platz 7:LyndellBasell Quelle: AP
Screenshot Formosa Plastics Quelle: Screenshot
Platz 4: Exxon Mobil Quelle: Reuters
Platz 6: Sabic Quelle: dpa
Platz 6: Shell Quelle: Reuters

Inzwischen räumt Boehringer Versäumnisse selbstkritisch ein. Die Qualitätssicherung sei nicht mehr zeitgemäß gewesen, heißt es. Inzwischen hat das Unternehmen die Abteilung Qualitätssicherung personell aufgestockt. Zu keinem Zeitpunkt sei die Gesundheit der Patienten gefährdet gewesen. Voraussichtlich im Herbst entscheidet die FDA darüber, ob ihr die Maßnahmen von Boehringer ausreichen.   

Dabei war die US-Zulassungsbehörde ohnehin schon misstrauisch geworden. Bereits 2011 hatten die FDA-Prüfer im Boehringer-Werk in Bedford im US-Bundesstaat Ohio haarsträubende Hygienemängel entdeckt.  Durch ein undichtes Dach regnete es hinein, ein Behälter mit Urin aus einer defekten Mitarbeitertoilette stand in der Produktionshalle herum. Boehringer stellte in Bedford Krebsmedikamente zum Spritzen her. Die Behörden sahen die notwendige Sterilität nicht mehr gewährleistet. Inzwischen hat Boehringer das Werk geschlossen – nachdem zuvor Hunderte Millionen Euro in die Sanierung investiert wurden.

Dies blieb nicht ohne Folgen für die Bilanz. Neben solchen hausgemachten Problemen leidet Boehringer natürlich auch unter dem  allgemeinen Kostendruck im Gesundheitswesen sowie dem starken Euro, der die Exporte in den Dollarraum verteuert.  

Vor diesem Hintergrund drängt Konzernchef Andreas Barner die Mitarbeiter zu mehr Effizienz und Kostenbewusstsein  und verschärfte – unter dem Murren von Beschäftigten - etwa die Reiserichtlinien. Um die lebenswichtige Forschung am Laufen zu halten, müsse in den härteren Zeiten eben anderswo gespart werden, argumentiert Barner.

Ansonsten hofft der Unternehmenschef auf neue Medikamente. Allein zwölf Präparate sollen zwischen 2014 und 2016 auf den Markt kommen – unter anderem Mittel gegen Leukämie, Hepatitis C und Asthma. Das Lungenkrebs-Präparat Giotrif soll die Überlebenszeit von Patienten um vier Monate steigern. An der durchwachsenen Bilanz für 2013 ändern die neuen Mittel freilich erst einmal nichts.

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