Jury-Entscheidung Bayer-Aktie bricht nach Glyphosat-Schlappe ein

Bayer-Aktie bricht nach Niederlage im Glyphosat-Streit ein Quelle: dpa

Eine Prozesswelle gegen den Unkrautvernichter Glyphosat in den USA bereitet Bayer Sorgen. Im Mittelpunkt steht der kürzlich übernommene Saatguthersteller Monsanto. Bei Anlegern und Analysten wächst die Kritik an Bayer-Chef Baumann.

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Bayer hat im Streit um angebliche Krebsrisiken des glyphosathaltigen Unkrautvernichters Roundup in den USA eine weitere Schlappe eingesteckt. Eine Jury des zuständigen Bundesbezirksgerichts in San Francisco befand am Dienstag (Ortszeit), dass der Unkrautvernichter der Bayer-Tochter Monsanto mit dem umstrittenen Wirkstoff Glyphosat ein wesentlicher Faktor für die Lymphdrüsenkrebserkrankung des Klägers Edwin Hardeman gewesen ist. Die sechs Geschworenen trafen die Entscheidung einstimmig.

An der Börse sorgte dies am Mittwoch für ein Beben: Der Aktienkurs des Pharma- und Agrarchemiekonzerns brach im Dax am Vormittag um rund 12 Prozent ein. Damit wurden fast acht Milliarden Euro an Börsenwert vernichtet. Am Markt kocht mit der erneuten Niederlage die Sorge vor Milliardenlasten hoch. Analysten warnten vor hohen Risiken.

Für viele Investoren kam die Entscheidung offenbar unerwartet. Viele hätten darauf gesetzt, dass die Aufteilung des Prozesses in zwei Phasen Bayers Chancen verbessere, sagte Analyst Richard Vosser von der US-Bank JPMorgan. Wäre die Jury nämlich zum Schluss gekommen, dass Roundup nicht für Hardemans Erkrankung mitverantwortlich ist, hätte es keine zweite Prozessrunde gegeben. Das wäre ein Befreiungsschlag für die Bayer-Tochter Monsanto gewesen.

In den vergangenen Jahren haben alle Agrarkonzerne fusioniert, nur BASF ging leer aus. Nun profitieren die Ludwigshafener von der Monsanto-Übernahme durch Bayer.
von Julian Heißler, Jürgen Salz

In der zweiten Phase – mit derselben Jury – geht es nun auch darum, ob Monsanto über Risiken hinwegtäuschte und wie hoch der mögliche Schadenersatz ausfallen könnte. Sollte Monsanto für haftbar befunden werden, könnte dies Bayer viel Geld kosten. Für die Leverkusener dürfte es nun eigentlich nur noch darum gehen, den Schaden zu begrenzen, sagte Analyst Gunther Zechmann von Bernstein Research.

Der Dax-Konzern weist die Vorwürfe eines Krebsrisikos von Monsantos Unkrautvernichtern zurück und zeigte sich in einer Stellungnahme enttäuscht von der Entscheidung der Jury. Bayer sei weiter fest davon überzeugt, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse bestätigen, dass glyphosatbasierte Herbizide keinen Krebs verursachen. Bayer sei zuversichtlich, im zweiten Teil des Prozesses beweisen zu können, dass Monsantos Verhalten angemessen war und das Unternehmen nicht für Hardemans Krebserkrankung haftbar gemacht werden sollte.

Für Bayer ist der Fall hochbrisant, da es sich um einen richtungsweisenden „Bellwether Case“ handelt. Damit ist im US-Recht eine Art Musterfall in einem Massenverfahren gemeint. Mehrere dieser repräsentativen Fälle sind angesetzt. Sie sollen den Streitparteien helfen, das Ausmaß von Schäden und die Höhe denkbarer Vergleichszahlungen besser abschätzen zu können. Insgesamt sind bei dem zuständigen US-Richter Vince Chhabria mehrere Hundert Klagen von Landwirten, Gärtnern und Verbrauchern gebündelt.

Die Klagewelle gegen Bayer war so richtig ins Rollen gekommen, nachdem eine Geschworenenjury dem Krebspatienten Dewayne Johnson in einem anderen Verfahren im August insgesamt 289 Millionen Dollar an Schmerzensgeld und Entschädigung zugesprochen hatte. Die Richterin senkte zwar die Strafe gegen den im vergangenen Jahr von Bayer übernommenen US-Saatgutkonzern Monsanto später auf gut 78 Millionen Dollar (69 Millionen Euro), im Grundsatz änderte sie am Urteil aber nichts.

Der Bayer-Aktienkurs war bereits nach dem Urteil im August eingebrochen. Aktuell kosten die Aktien rund ein Drittel weniger als vor dem damaligen Jury-Spruch. Anleger und Analysten warfen die Frage auf, ob die Leverkusener die Risiken des rund 63 Milliarden Dollar (55 Milliarden Euro) teuren Monsanto-Kaufs unterschätzt haben.

Seit Montag steht Bayers Glyphosat in den USA erneut vor Gericht, das erste Urteil kostete den Chemiegiganten 78 Millionen Dollar Schadenersatz. Nicht das einzige Problem, dem sich Bayer-Chef Werner Baumann stellen muss.
von Jürgen Salz

Das aktuelle Verfahren ist erst der Anfang: Bis Ende Januar wurden Monsanto in den USA glyphosatbezogene Klagen von etwa 11.200 Klägern zugestellt. Am 28. März soll ein Prozess im kalifornischen Oakland starten, weitere sollen rasch folgen.

Bayer gab sich zuletzt betont optimistisch: Bislang sah das Unternehmen keinen Grund, für Schadenersatzzahlungen Vorsorge zu leisten. Viel Geld kosten die Glyphosat-Klagen aber dennoch schon: Die Rückstellungen für Rechtsstreitigkeiten stiegen im vergangenen Jahr um rund 660 Millionen Euro. „Wir stellen hier im Wesentlichen für drei Jahre Verteidigungskosten zurück“, erklärte Finanzchef Wolfgang Nickl während einer Bilanzpressekonferenz Ende Februar.

Nickl wird sich zusammen mit Bayer-Chef Werner Baumann auf der Hauptversammlung am 26. April harscher Aktionärskritik stellen müssen. So bezeichnete Christian Strenger, Gründungsmitglied der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex, den Monsanto-Kauf in einem dem „Manager Magazin“ vorliegenden Brief unlängst als „den größten und schnellsten Wertvernichter der Dax-Geschichte“. Strenger

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