Juwi-Gründer vor Gericht Showdown in Meiningen

Windkraftpionier auf der Anklagebank: Der Korruptionsprozess gegen Matthias Willenbacher steht vor dem Abschluss. An diesem Mittwoch soll das Urteil fallen. Am Ende könnte ein skurriles Ergebnis stehen.

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Im Prozess gegen den Juwi-Gründer soll am Mittwoch das Urteil fallen. Quelle: Andreas Labes für Handelsblatt

Sechs Mal fuhr Matthias Willenbacher schon auf dem grauen Kopfsteinpflaster vor. Sagte an der Glastür seinen Namen. Legte seine Sachen in die Plastikwanne an der Sicherheitsschleuse und ließ sie durchleuchten. Dann stieg er die Treppenstufen zum ersten Stock empor und ging an den hellen Holzbänken vorbei in den Gerichtssaal. An diesem Mittwoch wird er all das wohl zum letzten Mal tun. Zumindest hier am Landgericht Meiningen, tief im Süden von Thüringen.

Der Korruptionsprozess gegen Willenbacher, den Mitgründer und Ex-Vorstand von Deutschlands zweitgrößtem Windparkbauer Juwi, steht vor dem Abschluss. Wie ein Sprecher des Gerichts dem Handelsblatt bestätigte, seien an diesem Mittwoch sowohl die Plädoyers, also die Schlussvorträge von Staatsanwaltschaft und Verteidigung, wie auch das Urteil zu erwarten. Prozessbeobachter rechnen mit keiner harten Strafe. Willenbacher, so stellt es sich dar, darf sogar auf einen Freispruch hoffen. Der Richter hatte an den vergangenen Verhandlungstagen mehrfach durchblicken lassen, dass er kein schweres Vergehen erkennt.

Das sieht die Staatsanwaltschaft Erfurt anders. Sie hat Willenbacher angeklagt, weil er einen Amtsträger in Eisenach bevorteilt haben soll. Im Kern geht es um einen Beratervertrag aus dem Jahr 2010, den Willenbacher als damaliger Vorstand der Juwi AG mit dem früheren Thüringer Innenminister Christian Köckert (CDU) abgeschlossen hat. Köckerts Auftrag: „Betreuung verschiedener, relevanter politischer Entscheidungsträger“. Das Problem: Gegenstand der Vereinbarung sollen auch mögliche Amtshandlungen von Köckert in seiner Eigenschaft als ehrenamtlicher Beigeordneter und stellvertretender Bürgermeister der Stadt Eisenach gewesen sein.

Die Staatsanwaltschaft sah darin eine unerlaubte Vorteilsgewährung von Willenbacher an Köckert - und klagte beide im Sommer 2013 an. Während der Ex-Innenminister bereits im Frühjahr 2015 vom Bundesgerichtshof für schuldig befunden wurde, hält sich der Unternehmer für unschuldig. Ihm sei nicht bekannt gewesen, dass Köckert in Eisenach Amtsträger war. Für die Strafverfolger ging es nun darum, dem Angeklagten das Gegenteil zu beweisen.


{„Ich wurde als Straftäter abgestempelt“

Doch damit tat sich die Staatsanwaltschaft schwerer als erwartet. Schon zum Ende des zweiten Verhandlungstags, an dem der verurteilte Köckert als Zeuge aussagte, schlug der Richter vor, das Verfahren gegen Zahlung einer Geldauflage einzustellen. „Es ist klar geworden, dass es hier nicht um einen besonders schweren Fall einer Vorteilsgewährung geht“, sagte er. Doch die verhandelnde Staatsanwältin blieb hart. Ihr scheint es nicht zuletzt um die Signalwirkung für die Thüringer Justiz zu gehen: Unternehmer sollen sich in einem Strafprozess nicht einfach freikaufen können.

Im Oktober hatte die Strafkammer um Richter Feld-Gerdes schon einmal eine Einstellung angeregt und eine Geldauflage von 500.000 Euro vorgeschlagen. Die Staatsanwaltschaft lehnte ab. Begründung: Die Summe sei für Willenbacher, der als Vorstand der Juwi AG rund eine Million Euro Jahresgehalt kassiert haben soll, keine spürbare Sanktion. Um das genauer zu ergründen, durchleuchteten die Ermittler mehrere Bankkonten Willenbachers. Der Vorgang war nur ein Grund für die im Prozessverlauf weitgehend vergiftete Atmosphäre zwischen Anklägern und Verteidigung.

Das zeigte sich auch am fünften Prozesstag, als der Angeklagte sein Schweigen brach. „Ich wurde als Straftäter abgestempelt“, sagte Willenbacher in seiner etwa einstündigen Einlassung. Die Staatsanwaltschaft habe über all die Jahre „völlig einseitig und nicht ergebnisoffen ermittelt“. In den vier Jahren seit Beginn der Ermittlungen habe er „eine andauernde negative Presseberichterstattung“ über sich ergehen lassen müssen. Die Juwi AG, die er „in 20 Jahren harter Arbeit aufgebaut“ habe und die Ende 2014 vom Mannheimer Energieversorger MVV gerettet werden musste, sei nicht zuletzt durch dieses Verfahren in Schieflage geraten. Der wegen Korruption angeklagte Ex-Vorstand, so stellte es sich dar, schlüpfte in die Opferrolle.

An diesem Mittwoch soll sich nun zeigen, ob der damit durchkommt. Wird Willenbacher tatsächlich freigesprochen, entsteht eine skurrile Situation: Da ist ein Thüringer Ex-Minister, der wegen Vorteilsannahme verurteilt ist. Aber es gibt niemanden, der ihm diesen Vorteil strafbar gewährt hat. Es wäre kein einmaliger, aber ein seltener Fall, der Korruptionsprozess am Landgericht Meiningen, tief im Süden von Thüringen.

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