Juwi-Gründer vor Gericht Stürmischer Prozessauftakt

Endlose Anträge der Verteidiger, stundenlange Pausen und ein genervter Richter: Der Schmiergeld-Prozess gegen den Windparkbauer Matthias Willenbacher startete chaotisch. Demnächst soll ein Zeuge auftreten.

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Solaranlagen der Firma Juwi. Quelle: dapd

Meiningen Der erste Verhandlungstermin lief schon sechs Stunden, da holte Richter Wolfgang Feld-Gerdes tief Luft. „Gehen Sie davon aus, dass es heute länger dauert“, sagte der Vorsitzende der ersten Strafkammer des Landgerichts Meiningen und blickte sichtlich genervt in den mit hellem Holz vertäfelten Saal.

Die beiden Staatsanwältinnen zu seiner Rechten hatten sich bis dahin kaum zu Wort gemeldet. Die beiden Verteidiger des wegen Korruption angeklagten Unternehmers Matthias Willenbacher zu seiner Linken dafür umso mehr.

Die Anwälte von Willenbacher, dem Gründer und Ex-Vorstand von Deutschlands zweitgrößtem Windparkbauer Juwi, unterstellten dem Gericht Befangenheit. Sie forderten Einblick in weitere Akten. Und sie wollten es nicht hinnehmen, dass die Kammer mit nur zwei statt drei Berufsrichtern besetzt war, obwohl es sich doch um ein äußert komplexes Wirtschaftsstrafverfahren handele.

Der Ursprung dieses Verfahrens liegt inzwischen etwa sechs Jahre zurück. Im Kern geht es um einen Beratervertrag aus dem Jahr 2010, den Willenbacher als damaliger Vorstand der Juwi AG mit dem früheren Thüringer Innenminister Christian Köckert (CDU) abgeschlossen hatte. Köckerts Auftrag: „Betreuung verschiedener, relevanter politischer Entscheidungsträger“. Sein Tagessatz: 700 Euro.

Das Problem: Gegenstand der Vereinbarung sollen auch mögliche Amtshandlungen von Köckert in seiner damaligen Eigenschaft als ehrenamtlicher Beigeordneter und stellvertretender Bürgermeister der Stadt Eisenach gewesen sein. Unter anderem beeinflusste Köckert zu Juwis Gunsten eine Beschlussvorlage des Stadtrats. Außerdem beschaffte er dem Unternehmen wohl eine behördeninterne Liste mit Standortkoordinaten bestehender Windräder.

Die Staatsanwaltschaft Erfurt sah in all dem eine unerlaubte Vorteilsgewährung von Willenbacher an Köckert - und klagte beide im Sommer 2013 an. Während der Ex-Innenminister bereits höchstrichterlich der Vorteilsnahme für schuldig befunden wurde, hält sich der Unternehmer für unschuldig. Ihm sei nicht bekannt gewesen, dass Köckert in Eisenach Amtsträger war, sagte sein Verteidiger Gernot Zimmermann vor Verhandlungsbeginn dem Handelsblatt.


Willenbachers Anwälte fürchten ein unfaires Verfahren

Statt mit der Staatsanwaltschaft stritten sich Willenbachers Anwälte beim Prozessauftakt mit der Strafkammer. Richter Feld-Gerdes wollte zu Beginn einen „Überblick der bisherigen Ereignisse“ geben und dazu das Urteil gegen Christian Köckert vom Frühjahr 2014 verlesen. Erst danach seien Anträge der Verteidigung möglich. Doch damit waren die Verteidiger nicht einverstanden – mehrfach unterbrachen sie deshalb den Verhandlungsführer.

Willenbachers Anwälte fürchten ein unfaires Verfahren für ihren Mandanten. Begründung: Wolfgang Feld-Gerdes und sein Beisitzer sind die gleichen Richter, die auch das Urteil gegen Köckert fällten. Es sei nicht hinnehmbar, dass ein Richter sein eigenes Urteil als Beweis vortrage. Der Angeklagte Willenbacher habe Anspruch auf ein vollständiges und unabhängiges Verfahren.

Schon am Vormittag unterbrach Richter Feld-Gerdes die Verhandlung für eine zehnminütige Pause. Was er nicht wusste: Willenbachers Verteidiger hatten da bereits einen schriftlichen Antrag zur Befangenheit bei der Geschäftsstelle des Landgerichts eingereicht. Umfang: Rund 30 Seiten.

Aus der auf zehn Minuten angelegten Pause wurden drei Stunden. Nach einer weiteren Unterbrechung von mehr als zwei Stunden vertagte die Strafkammer das Verfahren. Über den Befangenheitsantrag muss erst noch entschieden werden.

Der Strafprozess gegen Willenbacher soll am 21. März weitergehen. Zum zweiten Verhandlungstag lädt das Gericht neben weiteren Zeugen eine schillernde Figur: Christian Köckert. Beobachter erwarten den Termin mit Spannung. Schließlich ist Köckert der Mann, dessen Beratervertrag im Zentrum des Falls steht.

Im Frühjahr 2015 hat der Bundesgerichtshof Köckert der Vorteilsnahme für schuldig befunden. Wer aber hat ihm den unerlaubten Vorteil gewährt? Der angeklagte Juwi-Gründer Matthias Willenbacher jedenfalls bestreitet, als damaliger Vorstand Schmiergeld bezahlt zu haben. Nach dem chaotischen Auftakt könnte es in Meiningen stürmisch weitergehen.

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