Juwi-Gründer vor Gericht Wenn sich die Staatsanwältin querstellt

Ein Angeklagter im Aufwind. Der Richter will das Verfahren gegen den Öko-Pionier Matthias Willenbacher einstellen. Die Staatsanwaltschaft fordert dafür aber ein Vermögen – und greift weiter an.

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Der Zeuge (Mitte) bei dessen Revisionsverfahren 2015. Quelle: dpa

Meiningen Es war ein klares Signal, mit dem Wolfgang Feld-Gerdes am Montag Nachmittag aus seinem Richterzimmer kam: „Es ist klar geworden, dass es hier nicht um einen besonders schweren Fall einer Vorteilsgewährung geht“, sagte er zum Ende des zweiten Verhandlungstags und schlug vor, das Verfahren gegen Zahlung einer Geldauflage einzustellen. Es seien Punkte klar geworden, die selbst bei einer Verurteilung des Angeklagten positiv zu werten seien.

Der Angeklagte heißt Matthias Willenbacher und ist Gründer und Ex-Vorstand von Deutschlands zweitgrößtem Windparkbauer Juwi. Er muss sich seit dem 7. März vor dem Landgericht Meiningen (Thüringen) verantworten, weil er einen Amtsträger im nahen Eisenach bevorteilt haben soll. So sieht es jedenfalls die Staatsanwaltschaft Erfurt, die Willenbacher angeklagt hat. Und daran hielten die Strafverfolger auch am Montag fest. „Wir haben nur einen Bruchteil der Beweisaufnahme gesehen“, sagte die verhandelnde Staatsanwältin und lehnte eine außergerichtliche Einigung ab.

Es war nicht das erste Mal, dass das Landgericht Meiningen eine Einstellung anregte. Im Oktober hatte die Strafkammer um Richter Feld-Gerdes eine Geldauflage von 500.000 Euro vorgeschlagen. Die Staatsanwaltschaft lehnte ab. Begründung: Die Summe sei für Willenbacher, der als Vorstand der Juwi AG rund eine Million Euro Jahresgehalt kassiert haben soll, keine spürbare Sanktion. Außerdem forderte die Staatsanwaltschaft ein Schuldeingeständnis. Das alles war Willenbacher wohl zu viel. Und so eröffnete die Strafkammer das Hauptverfahren.

Bei dem Prozess geht es im Kern um einen Beratervertrag, den Willenbacher 2010 als damaliger Vorstand der Juwi AG mit dem früheren Thüringer Innenminister Christian Köckert abgeschlossen hat. Dessen Honorar: 700 Euro pro Arbeitstag. Sein Auftrag: „Betreuung verschiedener, relevanter politischer Entscheidungsträger“. Das Problem: Gegenstand der Vereinbarung sollen auch mögliche Amtshandlungen von Köckert in seiner damaligen Eigenschaft als ehrenamtlicher Beigeordneter der Stadt Eisenach gewesen sein.

Unter anderem beeinflusste Köckert zu Juwis Gunsten eine Beschlussvorlage des Stadtrats zur Erweiterung von „Windvorranggebieten“ und führte Gespräche mit Entscheidern mehrerer Landesbehörden. Außerdem half er dem Unternehmen, eine Liste mit Standortkoordinaten bestehender Windräder zu beschaffen. Während Köckert wegen Vorteilsannahme längst höchstrichterlich für schuldig befunden ist, sitzt der Juwi-Gründer nun auf der Anklagebank.


Für einen Moment stand der Prozess kurz vor Abschluss

Am Montag Mittag hatte die Verhandlung ihren ersten Höhepunkt: Christian Köckert war als Zeuge geladen. Die entscheidende Frage lautete: Wusste Willenbacher, dass Köckert Amtsträger war? Nein, sagte Willenbachers Verteidiger schon vor Prozessbeginn. Aber was sagte Köckert? Sein Auftritt war mit Spannung erwartet worden. Der Politiker musste sich von dem Richter befragen lassen, der ihn gut zwei Jahre zuvor wegen der selben Sache zu einer Bewährungsstrafe verurteilte. Mit geröteten Ohren, die Füße mal trippelnd, die Beine mal umeinander verschlungen, beantwortete der 58-Jährige die Fragen von Wolfgang Feld-Gerdes.

Ob er Juwi damals gesagt habe, dass er ehrenamtlicher Beigeordneter sei, wollte der Richter wissen. „Dass ich kommunalpolitisch tätig bin, ist wahrscheinlich auch besprochen worden“, antwortete Köckert. „Wurde darüber auch mit dem damaligen Vorstand Willenbacher gesprochen?“, hakte der Richter nach. „Das hat eigentlich gar keine Rolle gespielt“, sagte Köckert.

Der angeklagte Matthias Willenbacher lehnte sich während der etwa zweistündigen Vernehmung immer wieder zurück und lächelte. Bereits am Morgen hatte er Grund dazu. Denn auch der zunächst als Zeuge vernommene Eisenacher Ex-Oberbürgermeister Matthias Doth belastete Willenbacher nicht.

Und so stand der Prozess am Ende des zweiten Verhandlungstags für einen Moment kurz vor dem Abschluss. „Herr Willenbacher hat einen tadellosen Lebenslauf“, sagte der vorsitzende Richter. Er wüsste nicht, warum man nicht über eine Einstellung gegen Auflagen nachdenken sollte – auch mit Blick auf das heutige Beweisergebnis. Willenbachers Verteidiger nickten. Doch die Staatsanwältin schüttelte den Kopf. „Man kann Gespräche gerne führen“, sagte sie. „Ich habe aber nicht die Hoffnung, dass das zu einem einvernehmlichen Ergebnis führt.“

Willenbachers Verteidiger gaben sich nach dem Prozesstag kämpferisch. „Wir brauchen keine Einstellung gegen Auflagen. Wir schaffen das auch streitig“, sagte Verteidiger Gernot Zimmermann vor dem Gerichtssaal. Die Staatsanwältin kündigte auf Nachfrage des Handelsblatts Widerstand an: „Jemand der unschuldig ist, zahlt nicht freiwillig eine halbe Million. Wir haben Beweise, dass Willenbacher von Köckerts Amtsträgerschaft wusste.“ Schon am kommenden Mittwoch steht in Meiningen die Fortsetzung an.

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