Kartellbedenken Linde-Fusion mit Praxair wackelt

Die Fusion von Linde und Praxair muss nachverhandelt werden. Quelle: REUTERS

Der Zeitplan für die Fusion von Linde mit dem einstigen US-Konkurrenten Praxair kommt immer mehr unter Druck. Die Partner haben nur noch zwei Monate, um das Projekt unter Dach und Fach zu bringen.

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Die Fusion der beiden Industriegasehersteller Linde und Praxair gerät wegen der Auflagen von Kartellwächtern zunehmend in Gefahr. „Auf Basis weiterer Rückmeldungen von Wettbewerbsbehörden ist nunmehr davon auszugehen, dass die umsatzbezogene Obergrenze für Veräußerungszusagen überschritten wird“, teilte Linde am Mittwochmorgen in München mit.

Linde und Praxair hatten in ihrer Fusionsvereinbarung festgelegt, dass bei den kartellrechtlich notwendigen Verkäufen von Unternehmensteilen die Grenze von 3,7 Milliarden beim Umsatz oder 1,1 Milliarden Euro beim Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) nicht überschritten werden darf. „Linde und Praxair setzen ihre konstruktiven Gespräche miteinander fort und diskutieren mit den Wettbewerbsbehörden, wie deren Anforderungen erfüllt werden können“, hieß es weiter.

Die beiden Unternehmen hatten bereits Anfang August mitgeteilt, dass die Auflagen der US-Wettbewerbsbehörde FTC höher ausfallen könnten als bis dahin angenommen. Damals hatte es geheißen, dass durch „zusätzliche Veräußerungszusagen“ die selbstgesetzte 3,7-Milliarden-Obergrenze überschritten werden könnte. Für das Vorhaben drängt die Zeit: Laut Wertpapiergesetz muss die Fusion spätestens am 24. Oktober unter Dach und Fach sein.

Die Industriegase-Konzerne Linde und Praxair haben eine wichtige Hürde auf dem Weg zu ihrer milliardenschweren Fusion übersprungen: Die EU-Kommission gab den Zusammenschluss am Montag unter Auflagen frei.

An der Börse hielt sich die Enttäuschung über die Nachricht in Grenzen. Die Linde-Aktie gab um 0,8 Prozent auf 173,20 Euro nach. Die zum Umtausch in Anteile eines fusionierten Konzerns eingereichten Linde-Papiere verloren im Dax 1,2 Prozent auf 190,80 Euro.

"Die Tatsache, dass man sich weiter in konstruktiven Gesprächen befindet, signalisiert uns, dass auf beiden Seiten weiterhin die Bereitschaft besteht, den Weg weiterzugehen", sagte Commerzbank-Analyst Michael Schäfer. "Ich würde mich wundern, wenn beide Partner nicht alles dafür täten, den Deal durchzuziehen", sagte Fondsmanager Arne Rautenberg von Union Investment. "Auch für Praxair ist der Deal hochattraktiv." Vor allem für Linde-Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle hänge viel davon ab. Reitzle hat die Fusion zu seinem wichtigsten Vorhaben erklärt und bisher gegen alle Widerstände vorangetrieben.
Für problematischer halten Experten den Zeitdruck. Denn die Fusion muss nach deutschem Aktienrecht bis zum 24. Oktober über die Bühne gehen. Linde und Praxair müssten also schnell Käufer für die Unternehmensteile finden, von denen sie sich auf Geheiß der Wettbewerbshüter trennen müssen.

Bereits vereinbart ist der Verkauf des Europa-Geschäfts von Praxair an die japanische Taiyo Nippon Sanso sowie großer Teile des US-Geschäfts von Linde an den deutschen Rivalen Messer. Die Verkäufe summieren sich auf rund 2,7 Milliarden Euro Umsatz und 700 Millionen operativen Gewinn.

Die US-Kartellbehörde FTC hat aber schon signalisiert, dass ihr das als Zugeständnis noch nicht reicht. Offen ist Linde zufolge auch noch die Freigabe durch Behörden in Brasilien, China, Indien und Südkorea. Auch in Argentinien und Chile stehen noch Entscheidungen aus, die von den Konzernen aber nicht als maßgeblich für ein Gelingen der Fusion angesehen werden.
Anfang der Woche hatte die EU-Kommission unter Auflagen grünes Licht für das Projekt gegeben. Als EU-Auflage muss Praxair sein gesamtes Gasgeschäft im Europäischen Wirtschaftsraum verkaufen und seine Beteiligung an dem italienischen Gemeinschaftsunternehmen Siad abgeben. Zudem sollen Helium-Bezugsverträge veräußert werden. In der angemeldeten Form hätte die Fusion zu einer signifikanten Verringerung der Zahl der geeigneten alternativen Anbieter geführt und damit potenziell zu Preiserhöhungen. Gase wie Helium und Sauerstoff kämen bei einer Vielzahl von Produkten zum Einsatz, etwa in der Stahlproduktion und in Krankenhäusern, erklärte Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager.

„Weltweit gibt es nur sehr wenige Unternehmen, die alle diese Gase liefern können.“ Die nun von Linde und Praxair angebotenen Verpflichtungen räumten die wettbewerbsrechtlichen Bedenken aus - zumindest in der EU. Offen ist neben der Zustimmung in den USA auch das grüne Licht der Kartellwächter in Brasilien, Argentinien, Südkorea, Indien und China.

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