Keine Patente für Afrika Biontech verschifft Impfstoff-Anlage nach Afrika – und bekommt harsche Kritik

Impfstoff im Container: Mitarbeiter Gesundheitsamt inspiziert den Impfstoff / mRNA-Impfstoff von BioNTech kleine hellgrüne Kiste r. auf dem Messegelände in einer Frischhaltebox / einem Kühlcontainer. Quelle: imago images

Biontech will 2023 Impfstoffe in Afrika produzieren. Die Vorbereitungen laufen jetzt an. Um die Anlagen auf den afrikanischen Kontinent zu transportieren, hat Biontech ein eigenes Containersystem entwickelt. Kritiker finden allerdings, dass eine Freigabe der Patente mehr bringen würde.

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Mitte 2022, so der Plan des deutschen Impfstoffherstellers Biontech aus Mainz. soll der Aufbau der ersten mRNA-Produktionsstätte in Afrika beginnen. Im zweiten Halbjahr wird die Anlage demnach ihren Bestimmungsort in Afrika – im Gespräch sind Ruanda, Senegal und Südafrika – erreichen. Für den Transport hat Biontech ein eigenes Containersystem entwickelt. Biontech will in Afrika nicht nur Impfstoffe gegen Covid-19 produzieren, sondern auch gegen Malaria und Tuberkulose, die sich allerdings noch in der hauseigenen Entwicklung befinden. Noch importiert Afrika 99 Prozent seiner Corona-Impfstoffe. Rund 11,5 Prozent der Menschen auf dem Kontinent sind laut dem Portal „Our World in Data“ vollständig gegen Covid-19 geimpft.

Lokale Partner vor Ort

„BioNTainer“ nennt sich das von Biontech entwickelte Containersystem. Es besteht aus insgesamt zwölf Containern von je zwölf Metern Länge zur Herstellung des Wirkstoffs sowie des abfüllfertigen, formulierten Impfstoffs. Die Produktionskapazität soll beispielsweise bis zu 50 Millionen Dosen des Covid-Impfstoffs pro Jahr erreichen. Die Abfüllung und Verpackung sollen Partner vor Ort übernehmen. Lokale Partner sollen auch die die Infrastruktur bereitstellen. Biontech will die Produktionsstätten zunächst selbst betreiben, langfristig aber die Produktionskapazitäten und das Knowhow weitergeben. Im vergangenen Sommer hatte Biontech mit dem südafrikanischen Unternehmen Biovac den ersten Produktionspartner in Afrika gewonnen. Ein neues Projekt in Ghana soll die Herstellung mit Kapazitäten zur Abfüllung und Verarbeitung unterstützen.

Die Pläne stellte das Biontech-Management an diesem Mittwoch bei einem Treffen mit internationalen Gästen im hessischen Marburg vor, wo Biontech eine mRNA-Produktionsanlage betreibt. Darunter der aus Äthiopien stammende Chef der Weltgesundheitsorganisation WHO, Tedros Adhanom Ghebreyesus, die Präsidenten von Senegal, Ruanda und Ghana, der Direktor der afrikanischen Gesundheitsorganisation Africa CDC, John Nkengasong, sowie Entwicklungsministerin Svenja Schulze.

Ärger um eine Stiftung

Nicht überall stoßen die Afrika-Pläne von Biontech auf Begeisterung. Etwa bei „Ärzte ohne Grenzen“. Zwar begrüßt die Hilfsorganisation laut Impfstoff-Expertin Lara Dovifat, dass „Biontech endlich Schritte zur Produktion von mRNA-Impfstoffen in afrikanischen Ländern unternimmt“. Aber der Plan dauere zu lange: „So viel Zeit haben wir in der fortschreitenden Pandemie nicht.“ Ärzte ohne Grenzen hat laut eigener Aussage „in einer Studie 120 Pharmafirmen im globalen Süden identifiziert, die in der Lage sind, innerhalb von Monaten in die Produktion von mRNA-Impfstoffen einzusteigen, würde Biontech einem Technologietransfer zustimmen“.

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Biontech hat stets erklärt, seine Patente nicht freigeben zu wollen und darauf verwiesen, dass die Produktion von mRNA-Impfstoffen sehr komplex sei. „Patente sind nicht limitierende Faktor für die Produktion unseres Impfstoffs“, erklärte Biontech-Mitgründerin Özlem Türeci im Frühjahr dem US-Fernsehsende CNN. Tatsächlich umfasse „der Produktionsprozess 50.000 Schritte, die akkurat befolgt werden müssen, um die Qualität und Sicherheit des Impfstoffs sicherzustellen.“ Es würden spezielle Produktionsstätten, geschultes Personal und genügend Materialien dafür gebraucht.

Vor wenigen Tagen berichtete die renommierte Fachzeitschrift „British Medical Journal“, die auf Malta ansässige Stiftung Kenup, die von Biontech mitfinanziert wird, habe versucht, entsprechende Forschungen in Südafrika zu stoppen. Dort arbeitet ein Konsortium afrikanischer Firmen an einem eigenen Corona-Impfstoff. Danach warnte Kenup in einem Brief an die südafrikanische Regierung davor, dass die Forschung gegen das Patentrecht verstoße: Er sei deshalb ohnehin kurzlebig und müsse abgebrochen werden.

Sowohl Biontech als auch die Stiftung Kenup äußerten sich zu den Vorwürfen eher allgemein. Biontech erklärt, „das weltweite Angebot an Pfizer/Biontech-Impfstoffen auszuweiten“, eine Ansiedlung in Afrika sei dafür der beste Weg. Kenup sagte, ihr Anliegen sei es, „Biotech-Firmen nach Afrika zu bringen, nachhaltige Entwicklungen zu unterstützen und die Gesundheit der Bevölkerung zu verbessern“.

Mehr zum Thema: In wenigen Wochen kommt ein neues Corona-Vakzin auf den deutschen Markt. Das Mittel Nuvaxovid des US-Herstellers Novavax könnte die schwächelnde deutsche Impfkampagne wieder etwas in Schwung bringen. Die bewährte Technologie im Novavax-Impfstoff lockt Impfskeptiker – die brauchen allerdings viel Geduld.

Mit Material von Reuters

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