So schreibt Kessler am 17. April 2001, kurz vor der Zulassung von Yasmin, habe eine damalige Mitarbeiterin des Unternehmens in einer E-Mail an einen Kollegen über eine Embolie bei einer Patientin berichtet. Das sei dem FDA-Gutachter nach den ihm vorliegenden Informationen vor der Entscheidung nicht mitgeteilt worden, schreibt Kessler.
In seinem Report führt der frühere FDA-Chef auch ein unternehmensinternes Papier vom Juni 2004 an, wonach bei Yasmin gegenüber drei anderen Verhütungstabletten mehr Thrombose- und Embolieerkrankungen auftraten. Auch diese Information habe die FDA so nicht erreicht. „Bayer hat seine Pflichten gegenüber der FDA verletzt, indem es selektive Daten präsentiert hat, durch die FDA, Ärzte und Konsumenten nicht adäquat informiert wurden“, behauptet Kessler.
Schließlich legt der Report nahe, dass Bayer bei der Vermarktung von Yasmin unlautere Methoden angewandt hat. So habe eine Ärztin und Autorin 450.000 Dollar von Bayer erhalten – unter anderem, um ihr Buch zu promoten, in dem sie den ausführlichen Gebrauch von Yasmin empfiehlt. Eine Anfrage der WirtschaftsWoche ließ die Autorin unbeantwortet.
Zu positiv dargestellt
Verbürgt ist, dass Bayer 2009 einen TV-Spot für Yasmin in den USA, wo für verschreibungspflichtige Arzneimittel geworben werden darf, auf Geheiß der FDA abändern musste. Den Aufsehern waren die Schilderungen der positiven Wirkungen – etwa gegen leichte Kopfschmerzen – zu weit gegangen.
Neben den USA sind auch in Kanada 13 Sammelklagen gegen Bayer anhängig. In der Schweiz fordert die Krankenkasse CSS, dass Bayer die Behandlungskosten für eine junge, schwerbehinderte Frau ersetzt, die für ihr Leid die Bayer-Pille Yasmin verantwortlich macht..
In Deutschland vertritt der Rechtsanwalt Martin Jensch aus dem fränkischen Coburg mittlerweile sieben Frauen gegen Bayer. Unter ihnen ist die Badenerin Felicitas Rohrer, die vor vier Jahren eine doppelte Lungenembolie erlitt und 20 Minuten lang klinisch tot war. Rohrer sieht sich durch Yasminelle, eine Schwesterpille von Yasmin, geschädigt. Im Herbst dieses Jahres könnte es zur Gerichtsverhandlung kommen.