Kommentar zum VW-Haustarif Ruhe an der Tariffront ist teuer erkauft

Angesichts der nötigen Investitionen in E-Mobilität hätten sich die VW-Beschäftigten mit weniger zufrieden geben müssen. Ein Kommentar.

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Lichterketten leuchten am 30.12.2017 in Wunstorf (Niedersachsen) am «Lichter-Bulli» des Bastlers Alexander Frank. Der KFZ-Gutachter hat seinen alten VW-Bulli mit drei Lichterketten mit einer Gesamtlänge von 250 Metern in ein leuchtendes Unikat verwandelt. 2500 LEDs schmücken nun den Bulli. Foto: Julian Stratenschulte/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++ Quelle: dpa

Düsseldorf An einer offenen Konfrontation zwischen Unternehmen und Belegschaft hat bei Volkswagen im Moment niemand ein Interesse. Deshalb ist auch der aktuelle Streit um den neuen Haustarifvertrag für die rund 120.000 westdeutschen VW-Beschäftigten ziemlich schnell zu Ende gegangen.

Volkswagen hat derzeit noch genügend andere Sorgen. Der Dieselskandal ist noch lange nicht zu den Akten gelegt, und wie die anderen deutschen Automobilhersteller muss sich auch Volkswagen den Megatrends Elektroantrieb und Digitalisierung stellen. Ruhe an der Tariffront ist in einer solchen Situation ein erstrebenswertes Ziel.

Allerdings ist es auch recht teuer erkauft. Volkswagen übernimmt im Wesentlichen den zwei Wochen alten Flächentarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie.

Die Tariferhöhung von 4,3 Prozent liegt deutlich über der Inflationsrate. Dazu kommen die erhöhten Zahlungen des Unternehmens für die betriebliche Altersvorsorge und das neue „tarifliche Zusatzgeld“, das in sechs zusätzliche Tage Freizeit eingetauscht werden kann.

Die VW-Beschäftigten müssen sich also nicht beschweren, die IG Metall hat für sie ein ordentliches Paket aus Geld und zusätzlichen betrieblichen Leistungen ausgehandelt. Die Gewerkschaft nutzt dabei die Gunst der Stunde.

Denn natürlich gilt auch für Volkswagen der grundsätzliche Trend: Den Unternehmen in Deutschland geht es ziemlich gut, die Auftragsbücher sind ordentlich gefüllt. Besonders die Automobilhersteller melden einen Rekord nach dem anderen, Volkswagen hat seinen Titel als weltgrößter Autokonzern verteidigt.

Auf dem Heimatmarkt in Deutschland sorgt die Diskussion um den Diesel zwar für den einen oder anderen Schönheitsfehler. Doch viel wichtiger ist das internationale Geschäft. Und auf diesem Feld sieht es glänzend für Volkswagen aus.

Das Wachstum in China geht unverändert weiter, in den USA hat sich der Konzern von der Dieselaffäre bereits erholt. Und auf wichtigen Märkten wie Brasilien und Russland sind die konjunkturellen Krisen vergessen.

Volkswagen-Beschäftigte könnten schnell zu dem Glauben gelangen, dass es in Wolfsburg nie eine Dieselkrise gegeben hätte. Am Freitag wird der VW-Konzern sein vorläufiges Jahresergebnis für 2017 vorlegen. Es dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit das beste Resultat in der Volkswagen-Geschichte sein. Solch gute Zahlen verleiten zu der Auffassung, dass es bei Volkswagen keinen Reformbedarf gebe.

Doch weit gefehlt. Die letzten Entschädigungszahlungen in Milliardenhöhe an Dieselkunden sind noch nicht geflossen. Zugleich werden Elektrifizierung und Digitalisierung in den nächsten fünf Jahren mehr als 30 Milliarden Euro verschlingen.

Angesichts solcher Summen wäre ein wenig mehr Bescheidenheit auf Seiten der Belegschaft nicht das Schlechteste gewesen. Zusätzliche Investitionen in gewaltiger Milliardenhöhe bedeuten auch Arbeitsplatzsicherheit. Ein Punkt, auf den in Wolfsburg bestimmt niemand so schnell verzichten möchte.

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